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# taz.de -- Angeblicher Betrug mit Kindergeld: Sozialer Sprengstoff made in Dui…
> Roma arbeiten nicht, glaubt die Rumänin. Osteuropäer tricksen beim
> Kindergeld, meint der Bürgermeister. Wie eine Stadt ihr Gleichgewicht
> verliert.
Bild: Anlaufstelle für die, die keinen Dispo bei ihrer Bank haben: Pfandleihha…
Duisburg taz | Der Obdachlose füllt seine Pfandflasche im Brunnen der
Duisburger FußgängerInnenzone. Das Wasser schimmert türkis, in der Mitte
dreht sich der „Lifesaver“: eine Vogelskulptur aus Plastik, Stahl und
Teflon. Sie ist so bunt, als würden die Farben sich prügeln. Um den Brunnen
herum eilen Menschen über den Wochenmarkt. Ein Musiker spielt „Despacito“,
Kinder hüpfen nackig durch Fontänen, Seifenblasen fliegen mit den Wespen um
die Wette. Der Obdachlose zieht sein T-Shirt aus. Er kippt Wasser aus der
Flasche, wäscht sich unter den Achseln, zwischen den Bauchfalten, am
Rücken. Er füllt die Flasche noch mal und versucht, sein T-Shirt zu
säubern. Mit der dritten Füllung wäscht er seine Füße.
Der Obdachlose ist kein Einwanderer aus Osteuropa, er bekommt auch kein
Kindergeld. Trotzdem ist er der Anfang dieser Geschichte, ihre Mitte und
ihr Schluss. Wir werden zu ihm zurückkehren. Aber vorher müssen wir fort
vom Brunnen, weg vom Wochenmarkt, einige Straßen und Ecken weiter, zum
Pfandleihhaus. Da arbeitet Geta Matei, die ihren wirklichen Namen nicht in
der Zeitung lesen möchte. Matei sieht aus, als sollte sie im Auktionshaus
Christie’s stehen und Picasso-Gemälde versteigern: eine zierliche Frau Ende
50, mit aschblondem Bob, kein Haar am falschen Platz, keine Falte in der
Kleidung. Vor über 30 Jahren ist sie aus Rumänien nach Deutschland
gekommen.
Die Meldungen der letzten Wochen hat Geta Matei als Betroffene verfolgt:
dass das Auslandskindergeld bundesweit um 10,4 Prozent gestiegen sei. Dass
es 40 Fälle mit falschen Angaben allein in Nordrhein-Westfalen gegeben
habe. Dass das alles vor allem auf die OsteuropäerInnen zurückzuführen sei,
die kriminelle Strukturen gebildet hätten, um den Staat auszunehmen. In den
ARD- „Tagesthemen“ sagte Mateis Oberbürgermeister Sören Link (SPD) auf die
Frage, wie viele der 19.000 OsteuropäerInnen in Duisburg das Sozialsystem
ausnutzten: „Zunächst einmal möchte ich sagen, dass es sich verbietet, bei
dem Thema Pauschalierungen vorzunehmen: Aber es sind viele.“ Und er fügte
hinzu, dass diese Menschen oft nicht für Arbeit, sondern für
Sozialleistungen kämen.
Geta Matei versteht nicht, warum ihr Oberbürgermeister so etwas sagt. „Es
tut weh. Dass er da alle zusammenschmeißt. Die Rumänen, die Bulgaren. Nie
habe ich etwas vom Staat genommen, nicht einen Cent Sozialhilfe. Es tut
weh“, sagt sie. Immer habe sie gearbeitet, sagt Matei. „Einen Euro die
Stunde habe ich mal verdient. Aber wer wirklich arbeiten will, dem ist das
egal.“
## Vergleich von Zahlen, die nicht vergleichbar sind
Die Debatte über Sozialbetrug beim Kindergeld für EU-Ausländer begann vor
einem Monat. Da meldete die Nachrichtenagentur dpa einen Anstieg des Bezugs
um 10,4 Prozent – von Dezember 2017 bis Juni 2018. Ob Zeit oder
Süddeutsche, Welt oder Frankfurter Allgemeine: Fast alle Zeitungen
berichteten. Dabei muss man wissen, dass der Sommer die Zeit der
Saisonarbeit ist, dass also in diesem Zeitraum viel mehr Ausländer aus der
EU in Deutschland leben. Winter- mit Sommerzahlen zu vergleichen ist
folglich deshalb so sinnvoll wie die Aussage, dass Oma mit 92 jung
gestorben sei, weil Eichen bis zu 1.000 Jahre alt werden. Dass man die
Zahlen eigentlich nicht vergleichen könne, schrieben fast alle Medien – und
dann verglichen sie sie doch. Weitere Zitate von Duisburgs
Oberbürgermeister Link machten die Runde: „Wir haben rund 19.000 Menschen
aus Rumänien und Bulgarien in Duisburg, Sinti und Roma“, zitierte ihn die
dpa. NachbarInnen fühlten sich „nachhaltig gestört durch Müllberge, Lärm
und Rattenbefall“.
Es gab Widerspruch. Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher
Sinti und Roma, kritisierte, Angehörige einer Minderheit zur alleinigen
Ursache eines Problems zu machen, stehe „in der Tradition der Herstellung
von Sündenböcken“. Im ZDF hieß es einordnend, 500.000 BulgarInnen und
RumänInnen seien in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt,
ganze Branchen seien auf sie angewiesen, wie Kranken- und Altenpflege. Die
Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit ließ ausrichten, es gebe keinen
flächendeckenden Betrug. Aber die Meldung war nicht einzufangen.
Dabei war sie unvollständig. Schaut man nämlich auf den Zeitraum Juni 2017
bis Juni 2018, dann ist die Zahl der Auslandskindergeldbezieher von 250.369
auf 268.336 gestiegen. Es ging also bundesweit um ein Plus von knapp 18.000
Kindern. 7 Prozent – nicht 10. Und was Duisburgs Oberbürgermeister Link
nicht sagte: Von 2016 bis 2017 ist die Zahl der
sozialversicherungspflichtig beschäftigten AusländerInnen in Duisburg um
rund 12 Prozent gestiegen.
Im Pfandleihhaus gibt ein junger Rumäne sein Handy bei Geta Matei ab. Als
er den Laden verlässt, sagt sie: „Er arbeitet in der Küche. Vorher bei
Türken und Italienern, 4 Euro die Stunde. Jetzt hat er einen guten Job, bei
Deutschen. 10 Euro. Aber ganz neu, das Geld hat er noch nicht.“ Wie lebt
man von 4 Euro die Stunde? Matei hebt die Schultern, schaut zu den
Pfandsachen, den Uhren, Ketten, Handys. Die Kundschaft im Pfandleihhaus
seien Menschen, denen eine Bank selten höheren Dispo gibt und noch seltener
Kredit. „Viele Kunden verdienen schlecht“, sagt Matei.
## Die Rumänin, die nicht mit Roma verwechselt werden will
Sie wirkt verletzt von den Äußerungen ihres Bürgermeisters. Doch mehr
scheint sie zu treffen, dass er alle OsteuropäerInnen in Duisburg als
„Zigeuner“ bezeichne, wie er Sinti und Roma nennt. „Wir sind nicht alle
Zigeuner. Wir arbeiten“, sagt sie. Die Sinti und Roma würden tricksen,
Stromleitungen abzweigen, rummüllen. „Einer ist zum Amt, fünf Kinder
angemeldet, hat nur drei.“ So habe sie das gehört. Wo diese Leute wohnen,
da sei man nicht sicher. „Marxloh oder Hochfeld, da gehe ich nach 18 Uhr
nicht mehr hin. Da sind die Türken und die Araber und die Zigeuner.“
Geta Matei mag dort nicht hinwollen, aber hier geht es jetzt nach Hochfeld.
Und vorher noch mal zum Brunnen. Der Obdachlose sitzt in der Sonne und
bräunt seine Halbglatze. Sein T-Shirt hat er noch nicht wieder angezogen.
Wirklich reden will er nicht. Was gut sei? Der Krankenwagen, der manchmal
zum Hauptbahnhof komme. Ein Arzt und ein Krankenpfleger behandelten
Nichtversicherte gratis. Was schlecht sei? Die lange Schlange, die sich
davor bilde. Ob er was mitbekomme von den AusländerInnen in Duisburg? Ja,
die machten die Schlange länger.
Duisburg gehört zu den ärmsten Städten Deutschlands. 25 Prozent der
Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze, im Bundesdurchschnitt sind es
etwa 15. Ein Viertel der 500.000 EinwohnerInnen hat keinen deutschen Pass,
im Bundesdurchschnitt sind es rund 10 Prozent. In Duisburg sind rund 13
Prozent arbeitslos – bundesweit etwa 5 Prozent. Nirgendwo sind mehr
Menschen überschuldet: 17 Prozent, der Anteil steigt seit Jahren. Wie viele
Menschen in Duisburg keine Krankenversicherung haben, wisse man nicht, sagt
Anja Kopka, Sprecherin des Oberbürgermeisters. „Erhebliche humanitäre
Probleme“ bestünden bei der gesundheitlichen Versorgung der Tausenden
SüdosteuropäerInnen. Bei Vorliegen des Versicherungsnachweises aus dem
Heimatland – der meist fehle – könne man Notbehandlungen im Krankenhaus
kostenfrei in Anspruch nehmen. Ansonsten: Die Migrantenambulanz der
Malteser öffne einmal pro Woche.
## Ein Angebot auf der Straße: „Foto mit Baby? Ein Euro!“
Die Hochfelder Einkaufsstraße ist voll. Apotheken, türkische und russische
Bäckereien, Barbiere, Afroshops, ein bulgarisches Café, ein islamisches
Gemeindezentrum, ein albanischer Kulturverein, Wettbüros und ein Kiosk nach
dem nächsten. Trinkhalle, so heißt das hier. Menschen sitzen auf Stühlen
auf den Gehwegen, die Stadt ist auch Wohnzimmer. In einer Nebenstraße
sitzen drei Frauen auf weißen Plastikstühlen auf dem Gehweg. Wenn
FußgängerInnen zwischen ihnen durchgehen, ruft eine: „Foto mit Baby? Ein
Euro!“ Das Kleinkind auf ihrem Schoß, vielleicht anderthalb Jahre alt,
quengelt und streckt sich. Sein Kleidchen rutscht hoch, die Windel schaut
hervor. Die Frau ruft noch mal, dann lacht sie heiser. Und nimmt ihr Kind
selbst in den Arm. Will ja sonst keiner.
Einer Straße, die Hochfeld mit dem Dellviertel verbindet, glaubt man nicht,
dass sie auf ganzer Länge dieselbe ist. Im Dellviertel: gepflegte Villen,
Neubauten mit Carports, auf einer Einfahrt parkt ein Ferrari. 500 Meter
weiter, in Hochfeld, ein anderes Land: Ein Haus ist so heruntergekommen,
dass die BewohnerInnen mit einem Schild darauf hinweisen, man möge bitte
die Post zustellen, „Familie X wohnt hier wirklich noch“. In einem Hof
kochen Menschen mithilfe eines Ofens. Viele haben keinen Strom, in den
türkischen Supermärkten gibt es Gaskartuschen. Häuser sind zugemauert, eine
Balkonbalustrade bröckelt so, dass der Gehweg darunter abgesperrt wurde.
## Der Rom: „Die wollen keine Integration“
Wie geht es den Roma hier? Jimmy Zerikov, 57 Jahre alt, ist ein Rom aus
Hochfeld. Ein kleiner Mann mit schiefen Zähnen und großen Augen,
Diplom-Musiker. Mit 20 sei er für eine Kunstveranstaltung aus Mazedonien
über Paris nach Deutschland gekommen, sagt er. Da habe er sich in eine
Deutsche verliebt, zwei Kinder haben sie. Aktuell bekomme er
Sozialleistungen und arbeite als Gärtner im Landschaftspark Nord im Dienste
der Stadt, für 2 Euro die Stunde. In der Gemeinde ist Zerikov bekannt für
seine ehrenamtliche Arbeit, vor allem mit Kindern. Die habe er inzwischen
fast aufgegeben, sagt er. „Wir hatten mal eine Musikgruppe. Roma, Türken,
Iraner, die Kinder sind zusammengewachsen.“ Aber das Diakoniewerk hat die
Raumnutzung nach vier Monaten untersagt. Ein Sprecher des Werks sagt, man
wolle allen helfen, aber Zerikov habe Absprachen nicht eingehalten. Zerikov
sagt: „Ich dachte, Musik wäre besser, als wenn alle im Park sitzen und
kiffen.“ Über die Stadt sagt Zerikov: „Die wollen keine Integration. Dann
haben sie keine Sündenböcke mehr. Alle Roma sagen: ‚Wenn wir eine Chance
bekämen, würden wir uns schnell integrieren. Selbst 2-Euro-Jobs würden wir
nehmen.‘ Aber sie bekommen keine Jobs.“
Aus Statistiken der Bundesagentur für Arbeit geht hervor, dass 5 Prozent
der Duisburger Bevölkerung erwerbsfähige Hartz-IV-Beziehende sind.
Ausgehend vom ausländischen Bevölkerungsanteil würde man vermuten, dass
AusländerInnen davon 25 Prozent stellen. Sie stellen aber knapp 40 Prozent.
Dass AusländerInnen überproportional vertreten sind, trifft auch bei
RumänInnen und BulgarInnen zu: Ihr Bevölkerungsanteil liegt bei 4 Prozent,
aber sie stellen 15 Prozent der erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher. Selbst
wenn man diejenigen abzieht, die aufstocken, liegt ihr Anteil noch bei 9
Prozent.
Warum werden sie nicht vermittelt? Die Sprecherin des Oberbürgermeisters
Link sagt: Von den Langzeitarbeitslosen könnten 75 Prozent nicht lesen und
schreiben, etwa die Hälfte habe keinen Schulabschluss. Hinzu kommen noch
diejenigen, die weder Arbeit haben noch leistungsberechtigt sind. Deren
Lage beschreiben manche BewohnerInnen von Duisburg-Hochfeld mit Wörtern wie
„Arbeiterstrich“, „Zwangsräumungen“, „Kinderstrich“. Nach einem Hi…
der Bürgerschaft hätten sich Jugendamt und Polizei verstärkt in Hochfeld
umgesehen, sagt die Sprecherin im Rathaus. Organisierten Kindesmissbrauch
habe man nicht gefunden, behalte das aber im Auge.
## Jugendarbeit, für die kein Geld da ist
Zerikov ist nicht allein gekommen: Erçan Özlü, der in Hochfeld eine
Bildungseinrichtung betreibt, hat ihn begleitet. Özlu ist türkeistämmig, in
Duisburg geboren und möchte nicht, dass sein echter Name in der Zeitung
steht. Der Mittdreißiger mit dem Auftreten eines Wirtschaftsanwalts scheint
frustriert vom Einwanderungsland Deutschland. „Sie sagen, sie wollen keine
Parallelgesellschaft und fördern sie ununterbrochen.“ Was ihm besonders
nahegeht, seien die Kinder. „Die werden auf der Straße bespuckt.“
Romakinder würden oft auf Förderschulen gesteckt, nicht weil sie
Förderbedarf hätten, sondern wegen der Sprachbarriere, sagt Özlü. Die
Sprecherin des Oberbürgermeisters sagt dazu: Die Zuweisung auf eine
Förderschule durch das Schulamt erfolge unter Einhaltung klar definierter
pädagogischer Kriterien. Ein Sprachdefizit allein sei kein Grund.
Özlü protestiert. Die Jugendarbeit, so sieht er es, würde seitens der Stadt
gekappt. Aktuell sei seine Schule mit Nachhilfe im Wert von 70.000 Euro in
Vorleistung. „Aber was soll ich machen? Wenn ein Kind in allen Fächern 5
steht, dann braucht es jetzt Hilfe, nicht in einem Jahr – aber so lange
dauert eine Antragsbewilligung der Stadt. Soll ich sagen, tut mir leid,
komm nächstes Jahr wieder?“ Auf Anfrage teilt ein Sprecher der Stadt
Duisburg mit, es lägen keine Auswertungen zur Bearbeitungszeit von Anträgen
vor. Ein Fall mit einem Jahr Bearbeitungsdauer sei nicht bekannt.
## CDU-Vertreter weiß nicht, woher er Geld nehmen soll
Duisburg hat es schwer. Duisburg ist pleite. Rainer Enzweiler, der
Vorsitzende der CDU-Fraktion, die zusammen mit der SPD regiert, kennt die
Probleme – aber Lösungen sind teuer. „Ich kann Ihnen Straßen zeigen, da
können Sie Motocross fahren.“ Die Budgets für Kultur und Sport halte man
seit Jahren eingefroren: Da passiere gar nichts mehr. „Dann kommen die
Leute aus den Vereinen und sagen: ‚Hör mal, Enzweiler, wie ist das? Der
Sportplatz muss saniert werden.‘ Dann sage ich: ‚Tut mir leid, wir haben
kein Geld.‘ Und dann sagen sie: ‚Ja, aber für die Asylbewerber gebt ihr
Millionen aus.‘“ Die Kosten für AsylbewerberInnen in laufenden Verfahren
erstatte das Land zu etwa 80 Prozent – nicht aber für die abgelehnten und
ausreisepflichtigen. „Durch die Asylproblematik ist der Haushalt mit rund
35 Millionen belastet. Da müssen Sie sparen an allen Ecken und Enden und
werden dafür noch kritisiert.“
Auch für Einwanderer aus der Europäischen Union bekomme Duisburg kein Geld.
Einen Fall habe Enzweiler mitbekommen, 58 Jahre alt, keine Ausbildung,
keine Deutschkenntnisse. Aber Kinder. „Der wird hier niemals arbeiten.“
Könnte man sagen, gut, den 58-Jährigen bekommen wir nicht vermittelt, das
ist ein Problem – dafür konzentrieren wir uns auf die Kinder? „Natürlich
muss man sich um die Kinder kümmern. Aber für eine Stadt wie Duisburg ist
das schwierig. Bekämen wir mehr Unterstützung vom Bund, wäre das alles kein
Thema. Aber kriegen wir ja nicht.“ Hilfe habe man inzwischen zigmal
angefragt. „Was der OB gemacht hat, würde ich nicht unter Rassismus
einordnen, sondern als Hilfeschrei. Bei den letzten Wahlen in
Duisburg-Neumühl war die AfD mit 29,7 Prozent die stärkste Kraft, weit über
Bundesdurchschnitt: Mit Sachlichkeit allein kommen Sie dagegen nicht mehr
an.“
Die DuisburgerInnen auf dem Wochenmarkt kennen die Situation. Aber dass man
sich kümmert um Straßen, um Schulen, das müsse doch trotzdem gehen. Eine
bunt gekleidete Mittsechzigerin sagt, mit ihren Enkeln sei sie lange nicht
mehr im Park gewesen. „Da sind Gruppen von arabischen Jungs, die treten so
aggressiv auf. Und man merkt, dass da Geschäfte gemacht werden.“ Ihr
gleichaltriger Begleiter nickt. „Die stinken auch. Dann setzen sie sich
neben dich, und du bist nur so: Soll ich abwarten oder draufschlagen?
Verzeihen Sie, aber so ist das.“ Was kann man tun? Geta Matei vom
Pfandleihhaus hat eine Idee: „Integration klappt nicht, wenn sich alle in
ihrem Viertel versammeln und nur unter sich sind. Man müsste die Verteilung
fördern.“ Erçan Özlü sagt, der Bund müsse Kommunen wie Duisburg helfen.
Und was, wenn nichts passiert? Wenigstens um den Obdachlosen, der gebeugt
am Brunnen in der Sonne sitzt, müssen sich die Parteien der Mitte wenig
sorgen, dass er bald rechts wählen könnte. Er wähle nicht, sagt er.
Obdachlose stehen oft nicht im Melderegister und damit auch nicht im
WählerInnenverzeichnis: Sie erhalten keinen Wahlschein.
16 Sep 2018
## AUTOREN
Anett Selle
## TAGS
Sinti und Roma
Kindergeld
Schwerpunkt Armut
Schwerpunkt Rassismus
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