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# taz.de -- Die Wahrheit: Die Gans war eine Ente
> Vor 76 Jahren geschah in Dublin eines der grausamsten Verbrechen der
> jüngeren und älteren Geschichte Irlands.
Manchmal lohnt es sich tatsächlich, in Zeitungsarchiven herumzustöbern.
Heute vor 76 Jahren erschien auf der Titelseite der Irish Times eine
Geschichte, die Irland erschütterte. Unter der Überschrift „Mord im Herbert
Park“ berichtete ein ungenannter Reporter über ein furchtbares Ereignis.
Nein, es ging nicht darum, dass Alan Jardine an jenem 3. September 1942
geboren wurde. Der Reporter konnte ja nicht ahnen, dass der Knabe neunzehn
Jahre später die Beach Boys gründen würde. Auch der Zweite Weltkrieg
spielte kaum eine Rolle. Irland war ja neutral, der Weltkrieg hieß
euphemistisch „Emergency“. Dass ein Panzerkorps der deutschen 6. Armee bis
zu acht Kilometer auf Stalingrad vorgerückt war, wurde zwar auch berichtet,
aber nur in einer Randspalte. Selbst der Artikel über die Festlegung von
Höchstpreisen für Kekse war prominenter platziert.
Der Reporter der Irish Times hatte zwei Tage zuvor den Tipp bekommen, dass
eine Gans im Herbert Park heimtückisch erwürgt worden sei. Der Park ist
nach Sidney Herbert benannt, dem 14. Grafen von Pembroke, dessen Vorfahren
das Grundstück den Iren geraubt hatten. Der Ententeich mittendrin wurde für
die Internationale Handelsausstellung 1907 angelegt, bei der Artefakte aus
dem britischen Weltreich gezeigt wurden, darunter ein komplettes Dorf aus
Somalia.
Der Gärtner erklärte dem Reporter der Irish Times jedoch, dass die Gans
eine Ente sei. Und zwar eine weiße australische Ente. „Aber sie war fast so
groß wie eine Gans“, fügte er hinzu. Sein Kollege George Byrne habe sie
gefunden.
Sie war die größte von vier Enten, die dem Park ein Jahr zuvor geschenkt
worden waren, erzählte Byrne. Er hatte sie bereits seit ein paar Tagen
vermisst und suchte an den einschlägigen Nistplätzen nach ihr. Schließlich
fand er sie mitten im Teich auf einer kleinen Insel. Sie saß auf einem Nest
mit fünfzehn Eiern, um den Hals eine Schlinge.
Die Schlinge war eine Ackerwinde. Das ist eine krautige Pflanze, deren
Sprossen „kreisförmige Suchbewegungen, von oben gesehen, entgegen dem
Uhrzeigersinn durchführen, um sich an einer geeigneten Unterlage
emporwinden“ zu können, heißt es in einem Pflanzenlexikon. In diesem Fall
war die Unterlage offenbar die Ente.
Es gab zwar keine Tatzeugen, hieß es in dem Artikel, aber Byrne hatte eine
Theorie. „Die Ente brütete ihre Eier aus“, vermutete er, „und steckte ih…
Kopf ins Wasser, um ein Blatt oder etwas anderes Essbares aufzugabeln.
Dabei geriet sie mit dem Kopf in die Schlinge der Ackerwinde, die sich um
die Zweige eines Busches neben dem Nest gewunden hatte.“ Die Ente brach in
Panik aus, doch je mehr sie zog, desto enger zog sich die Schlinge zu. „Es
ist das Prinzip des Schiebeknotens“, sagte Byrne, der die tote Ente mit
einer Machete befreit hatte. Aus den Eiern hat er sich ein gigantisches
Omelett zubereitet.
3 Sep 2018
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Irland
Verbrechen
Dublin
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Regen
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Massage
Familie
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