# taz.de -- Kolumne Macht: Es reicht! | |
> Auch eine liberale Gesellschaft definiert sich durch die Grenzen, die sie | |
> zieht. Wer Rassismus propagiert, mit dem kann man kein Gespräch führen. | |
Bild: Rechtsextreme zünden bei einer Demo in Chemnitz Bengalos | |
Donnerwetter. Kaum waren fünf Tage ins Land gegangen, schon fand jemand aus | |
der Bundespolitik den Weg [1][nach Chemnitz]. Nicht der Bundespräsident, | |
nicht die Kanzlerin, auch nicht der Innenminister, aber doch die | |
Familienministerin. Wenn das keine donnernde Unterstützung für die | |
Zivilgesellschaft ist. | |
Im Ernst: Diese Zivilgesellschaft hätte allen Grund sich von „der Politik“ | |
im Stich gelassen zu fühlen. Dazu gehört übrigens auch in Sachsen die | |
überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, wie alle Umfragen zeigen. Ja, das | |
ist eine Selbstverständlichkeit, aber offenbar müssen manche | |
Selbstverständlichkeiten ausgesprochen werden, damit sie nicht in | |
Vergessenheit geraten. | |
Zum Beispiel auch die, dass man den Anspruch auf Toleranz und Verständnis | |
verwirkt, wenn man solidarisch und stumm neben Leuten steht und läuft, die | |
gerade Straftaten begehen. [2][Wie den Hitergruß zu zeigen oder Jagd auf | |
Leute zu machen], die anders aussehen als man selber. | |
Es ist wahr, dass Veranstalter von Kundgebungen es schwer haben, sich | |
einzelnen Gruppen gewalttätiger Krimineller in den Weg zu stellen. Etwas | |
aber können sie tun, wenn eine Demonstration aus dem Ruder gelaufen ist: | |
Sie können sich von den Straftätern distanzieren und deren Vorgehen | |
verurteilen, unmissverständlich. | |
Ist mir da etwas durchgerutscht? Oder ist die Fülle der Distanzierungen von | |
den bösen Systemmedien einfach ignoriert worden, und sie haben nur | |
diejenigen zu Wort kommen lassen, die Verständnis für die Gewalttäter | |
zeigten – oder überhaupt leugneten, dass sich etwas ereignet hatte, was die | |
ganze Welt hatte sehen können? Ach, es ist nicht leicht, sich mit dem Thema | |
ohne bitteren Hohn zu befassen. | |
## Kampf um die kulturelle Hegemonie | |
Eine Gesprächspartnerin, deren Urteil ich schätze, sagte mir kürzlich, sie | |
hielte Koalitionen zwischen der AfD und den Unionsparteien für richtig. | |
Dann werde die AfD in die Verantwortung gezwungen und somit ganz schnell | |
entzaubert. Das glaube ich nicht. Man kann ja bei Donald Trump beobachten, | |
wie gut so etwas funktioniert. | |
Meine Zweifel an der Lernfähigkeit der Gesellschaft wachsen. Der | |
Mechanismus ist stets derselbe: Extremisten behaupten, dass zwei und zwei | |
fünf seien. Und sie finden Gesprächspartner, die sich mit ihnen sachlich | |
auseinandersetzen, immer in der Hoffnung, dass die Öffentlichkeit sich von | |
Tatsachen überzeugen lässt. | |
Diese Hoffnung trügt. So funktioniert das offensichtlich nicht. Die | |
Washington Post hat dem US-Präsidenten [3][mehr als 4.000 Falschaussagen | |
nachgewiesen], und es ist seinen Anhängern schlicht egal. Sie jubeln ihm | |
dennoch zu – und zwar zu Recht. Weil er, im Unterschied zu seinen | |
Gegnerinnen und Gegnern, verstanden hat, dass der Kampf um die kulturelle | |
Hegemonie kein zivilisierter Diskurs ist, in dem es um die besseren | |
Argumente geht, sondern eben ein Kampf. | |
Es reicht. Auch eine liberale Gesellschaft definiert sich durch die | |
Grenzen, die sie zieht. Wer unbestreitbare Tatsachen leugnet, wer Rassismus | |
propagiert, wer die Bedrohung von Minderheiten rechtfertigt: der oder die | |
hat sich als Partner oder Partnerin für ein ernsthaftes Gespräch | |
disqualifiziert. | |
Wie schrieb die AfD im hessischen Hochtaunuskreis auf Facebook so | |
zutreffend? „Wenn die Stimmung endgültig kippt, ist es zu spät.“ Sie hat … | |
dem – inzwischen gelöschten – Post unverhohlen Journalistinnen und | |
Journalisten mit Gewalt gedroht, die sich nicht vom System abwenden. Meiner | |
Ansicht nach ist das ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Aber in einem hat | |
die AfD Recht: Wenn die Stimmung endgültig kippt, ist es zu spät. | |
31 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
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