| # taz.de -- Rötger Feldmann über „Werner“-Comics: „Ich bin noch nicht g… | |
| > Obwohl Rötger Feldmann alias Brösel älter und bequemer geworden ist, | |
| > denkt er nicht ans Aufhören und versucht, Werner als Fracking-Gegner ins | |
| > Heute zu holen. | |
| Bild: Untrennbar verbunden: Rötger Feldmann und sein Alter Ego Werner | |
| taz: Herr Feldmann, Ihre Figur Werner hat sich in den 14 Jahren Pause seit | |
| dem letzten Comic kaum verändert. Ist es nicht ein bisschen traurig, wie er | |
| da durch eine Welt läuft, die es heute so gar nicht mehr gibt? | |
| Rötger Feldmann: Ja, irgendwie schon. Darum geht es in der Geschichte ja | |
| auch, wenn Werner seinen Neffen von der Isle of Man erzählt, den TT Races | |
| von 1967 – und die Kleinen wissen überhaupt nicht, wovon er da redet. | |
| Warum ist Motorsport so wichtig? | |
| Ich höre doch ständig Leute von dieser alten Zeit reden, die das alles | |
| selber noch erlebt haben und solche Idole hatten wie Mike Hailwood oder | |
| Agostini. Das war eine ganz geile Zeit für die – für meine Generation. Und | |
| die finden die Geschichte dann auch witzig. | |
| Ist Werner dann nur noch was für ältere Leute? Oder wer ist die Zielgruppe? | |
| So genau kann ich das nicht sagen. Manchmal stehen ja auch kleine Stöpsel | |
| da, die haben Werner im Fernsehen gesehen. Oder sie kennen die Bücher, die | |
| Papa auf dem Klo liegen hat. Ich habe ja jetzt auch diese Geschichten mit | |
| den Neffen drin. Mit Smartphone und so weiter. Es hat sich schon viel | |
| verändert auf der Welt und jetzt gucken mich alle an und fragen: Was hast | |
| du gemacht die ganzen Jahre? | |
| Ja, was denn eigentlich? | |
| Wir haben zwei Filme gemacht – das ist viel Arbeit – und meine Kalender. | |
| Das sind ja auch 48 Bilder, die ich mir jedes Jahr aus den Fingern saugen | |
| muss. Und diese grafische Arbeit, die wird ja auch immer komplizierter. Man | |
| sagt ja, Computer würden helfen, aber ob die Ergebnisse nun wirklich besser | |
| sind, weiß man auch nicht. Die hingerotzten Sachen auf Kneipenblöcken sind | |
| immer noch die besten. Aber ich trau mich immer nicht, das so zu | |
| veröffentlichen. Es muss ja immer alles schön bunt sein heute für die | |
| reizüberfluteten Menschen. | |
| Hatten Sie früher mehr Spaß an der Sache? | |
| Guck dir mal was von 1982 an. Wie locker man damals gezeichnet hat – das | |
| hat vielleicht eine halbe Stunde gedauert, sowas hinzukriegen, obwohl ich’s | |
| drei, vier mal gezeichnet habe, bis es mir gefällt. Und heute sind das | |
| mehrere Tage: freigestellte Figuren sortieren, Hintergründe und dann die | |
| Ergänzungen: die ganzen Schatten und alles. Das musst du alles zeichnen und | |
| tun. | |
| Sie haben da jetzt so eine ewig junge Figur, die immer weiter wurschtelt. | |
| Und dann kommen Sie selbst in ein Alter … | |
| … ja, das wird langsam albern. Weil man diese Dinge auch gar nicht mehr | |
| selber tut, um die es in den Comics geht. Du wirst älter und bequemer und | |
| bastelst dann irgendwann lieber am Haus rum als am Moped. Oder man geht in | |
| den Garten, um sich zu entspannen. Der Mensch verändert sich. Diese Möbel | |
| und den ganzen Scheiß, das hab ich ja alles selbst gebastelt. Das macht mir | |
| Spaß, mehr Spaß als da im Digitalen, wo du nicht mal mehr Originale hast. | |
| Wir haben mit dem Haus übrigens auch noch was vor. Wir wollen das in | |
| Zukunft ein bisschen museal zurechtbasteln. | |
| Ein Werner-Museum? | |
| Genau. Wo die Leute dann nachher auch staunen können über die ganzen | |
| Fahrzeuge und was wir alles gebaut haben. | |
| Nach der Insolvenz des ersten Werner-Verlags, Streitigkeiten um die Rechte | |
| und weniger erfolgreichen Versuchen in anderen Häusern haben Sie gerade | |
| einen eigenen Verlag gegründet. Was haben Sie damit jetzt vor? | |
| Wir wollen mit Bröseline Stück für Stück die alten Titel neu rausbringen, | |
| einen neuen Band und dann noch andere Sachen: eine Biographie – irgendwann | |
| mal. Ich will insgesamt wieder mehr machen. Ich hab mich jetzt erholt von | |
| dieser schwierigen Phase. | |
| In ein paar Tagen steht das große Rennen an. 30 Jahre nach dem ersten | |
| Festival. | |
| Ja, da reden die Leute heute noch von. Wir wollen das genau so wieder | |
| machen: Selber Ort, selber Platz, selbe Sachen. Wir haben sogar ein paar | |
| der Bands, die damals schon dabei waren. Obwohl die da schon uralt waren. | |
| Ich meine: Roger Chapman, wer kennt den heute noch? | |
| Wie kamen Sie auf die Idee, das Jubiläum zu feiern? | |
| Da ist Holger Hübner drauf gekommen. | |
| Der Wacken-Veranstalter? | |
| Unsere Webdesignerin kommt aus Wacken und ist mit dem zur Schule gegangen. | |
| Naja, wir hatten jedenfalls mal zusammen überlegt, irgendwas mit Torfrock | |
| zum Jubiläum zu machen – aber daraus wurde nichts. Und dann hat er gefragt, | |
| ob wir uns nicht vorstellen könnten, nochmal ein Rennen zu fahren. | |
| Und das konnten Sie offenbar? | |
| Ehrlich gesagt, war ich schon erst sehr zögerlich und hab gedacht: Warum | |
| immer wieder die gleiche Scheiße? Diesen ganzen Mist nochmal aufrollen. Wer | |
| will das wissen? Zum dritten Mal: Wir haben am Lausitzring ja 2004 schon | |
| ein zweites Rennen gemacht. Nichts Neues, immer wieder dasselbe, immer auf | |
| der gleichen Welle rumtanzen. | |
| Ja, aber warum tun Sie es denn dann? | |
| Weil ich dieses Echo bekommen habe von den Menschen: Also, dass die das | |
| alle einfach gut finden. Die Leute finden das witzig. | |
| Es gab allerdings auch harte Kritik am Werner-Revival, der neue Comic sei | |
| nur ein Aufguss alter Ideen. Stört Sie das? | |
| Ein bisschen sauer macht mich das schon, ja. Die Presse hat mich ja früher | |
| über den grünen Klee gelobt: „Brösel ein Held“, „toll gezeichnet“, �… | |
| Am Anfang gab es ja solche Kritiken. Dabei konnte ich überhaupt nicht | |
| richtig zeichnen, ich kann das heute viel besser. Ich finde, dass ich mich | |
| verbessert habe in meinem Leben – dass ich mich steigere. | |
| Haben Sie auch mal überlegt, Werner auch altern zu lassen? Am Haus werkelnd | |
| und so? | |
| Ich bin noch nicht ganz durch damit. Ich habe noch Geschichten in petto, | |
| die meine Frau und ich erlebt haben. Da haben wir eine Reise gemacht und | |
| sind vom Veranstalter richtig verarscht worden. Wir haben die falsche Hütte | |
| bekommen und mussten dann woanders hin. Wir haben den halben Urlaub nur | |
| telefoniert. Dann zeichnest du das, verarscht dich selber und Werner steht | |
| daneben und lacht sich kaputt. | |
| Das haben Sie schon gezeichnet? | |
| Ja, mal so gemacht. Passt aber nicht zu Werner. Der setzt sich auf sein’ | |
| Bock, schnallt sich seine Wurst hinten an die Rückenlehne, ballert los und | |
| fährt in seinen Urlaub. Und ich mach das eben nicht mehr. Ich gehe nicht | |
| mehr in die Kneipe und ich bin ja auch von der Jugend total weg. | |
| Dafür haben Sie die Jugendsprache im Buch aber doch gut getroffen. | |
| Auf die Sachen bin ich gekommen, weil mein Neffe hier war. Der hat am Haus | |
| geholfen, ein bisschen Kohle gekriegt – und dann an der Geschichte | |
| mitgearbeitet. Der hat die Worte da reingebracht, wie er redet. Die | |
| Fachausdrücke beim Skaten: „Three-sixty“ und sowas. | |
| Werner ist ja eh eine Jargon-Geschichte. Es gibt ja heute noch viele Leute, | |
| die plötzlich mit Werner-Zitaten ankommen: „Tut das Not, dass das hier so | |
| rumoxidiert?“ | |
| Diese ganzen Sprüche hab ich ja aufgeschnappt, wie wir damals nach | |
| Flensburg gezogen sind. | |
| Das ist gar nicht Ihre eigene Sprache? | |
| Nee, ich komme ja aus Lübeck-Travemünde: so ein bisschen Hotelflair, wo am | |
| Wochenende die Hamburger mit ihren teuren Autos ankamen. Das war für mich | |
| eine tolle Jugend. Und dann sind wir umgezogen und die Flensburger sind ja | |
| nun wirklich bescheuert. Dieses Halb-Dänische, Halb-Plattdeutsche. Die | |
| reden ja wirklich wie Meister Röhrich. Die sagen nicht: „Ich will nicht“, | |
| oder „ich kann nicht“. Die sagen „ich zoll nich“. Mit Z auch noch. Alle… | |
| was s ist, ist z. | |
| Die Figuren haben ja zum Teil auch reale Vorbilder. Gibt es dieses Milieu | |
| eigentlich noch? Diese Rocker, Schrauber und so weiter? | |
| Nö, nicht mehr viele. Ein paar Sammler vielleicht, die sich heute die | |
| Maschinen leisten können, denen wir früher hinterhergeglotzt haben. | |
| Und junge Leute? | |
| Quatsch, die machen das doch nicht. Die finden ja alle schon blöd, sich ein | |
| Auto zu kaufen. Immer nur Mitfahrzentrale und Carsharing und sowas. | |
| Das finden Sie nicht gut? In Ihrem neuen Buch geht es doch auch um | |
| Umweltschutz: Glyphosat und Fracking. | |
| Ist ja auch wichtig. | |
| Kommt das, wenn man hier so am Feld wohnt und aus dem Fenster guckt? | |
| Joa, ich hab schon erlebt, dass man hier im Garten sitzt und der Wind das | |
| rüberweht. Wir brauchen kaum Früchte zu kaufen, weil wir alles im Garten | |
| haben. Und wenn der Bauer da mit seinem Kopfhörer in seinem beschissenen | |
| Trecker sitzt und sieht nichts und hört nichts und der ganze Scheiß landet | |
| nicht auf seinem Feld, sondern gegenüber bei mir … Ich hab’ die Wolke | |
| gesehen. Ich hab mich damit beschäftigt. Wenn du liest, wo dieses Gift | |
| überall vorkommt, da wird dir ganz anders. Sogar in Bier ist das schon | |
| drin. | |
| Und Werner wird jetzt Ökoaktivist? | |
| Die Themen waren ja früher auch schon drin. Da ist sogar ein Gorleben-Bild | |
| im neuen Band, das ist aus den 80ern – nur neu bearbeitet. Die Atomlobby | |
| zieht sich zurück und wir müssen den ganzen Scheiß bezahlen. Das kannst du | |
| dir gar nicht vorstellen, was der Rückbau von so einem Atomkraftwerk | |
| kostet. Da sind die noch hundert Jahre mit zugange, weißt du das überhaupt? | |
| Ist es dann ein Befreiungsschlag, wenn Werner nach Hannover fährt und den | |
| Fracking-Befürworter aus der Behörde entführt? | |
| Zu dem Thema hatte uns ein Aktivist angeschrieben: Reinhard Knof. Der saß | |
| dann hier bei uns in der Küche und wir haben darüber gesprochen. Und dann | |
| wollten wir seine Sache unterstützen. | |
| Ach, da steckt echt eine politische Absicht dahinter? | |
| Den echten Fracking-Menschen, der ein bisschen anders heißt, den hab ich | |
| mal bei einer Bürger-Veranstaltung gesehen. Da saß er mit Robert Habeck und | |
| ein paar anderen auf dem Podium. Und er hat immer die Augen verdreht, wenn | |
| einer was gesagt hat. Das hat mir schon Genugtuung gebracht, diesen Idioten | |
| da zu verarschen. | |
| 27 Aug 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan-Paul Koopmann | |
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