# taz.de -- Tage der offenen Baustelle: Fast fertig | |
> An diesem Wochenende haben die Berliner zum letzten Mal die Möglichkeit, | |
> das Stadtschloss als Baustelle zu erleben. | |
Bild: Die alte Pracht, fast fertig: Blick in den Schlüterhof des Schlosses | |
Zugegeben: Es sieht besser aus als von außen. Der große Innenhof des | |
Berliner Schlosses, der Ende des 17. Jahrhunderts von Andreas Schlüter | |
gestaltet wurde und nun fast fertig rekonstruiert ist, wirkt erstaunlich | |
vielgestaltig und leicht im Vergleich zur Klotzigkeit des Schlosses von | |
außen, wie es dieser Tage dank der schwindenden Gerüste immer sichtbarer | |
wird. Knapp 1.200 Meter Fassade, die eine Fläche von drei Fußballfeldern | |
umspannen, das muss eine Stadt erst mal verdaut kriegen. | |
An diesem Wochenende erhalten die BerlinerInnen anlässlich der Tage der | |
offenen Baustelle unter dem Motto „Kieke, staune, wunder Dir!“ zum letzten | |
Mal die Gelegenheit, die Schlossbaustelle und damit auch den fast fertigen | |
Schlüterhof zu besichtigen, inklusive Benefizkonzert der Berliner | |
Philharmoniker unter Kirill Petrenko. Wem da der Einheitspreis von 295 Euro | |
zu teuer war, der kann das Konzert am Samstag ab 16 Uhr beim Public Viewing | |
im Berliner Dom verfolgen (freier Eintritt, Einlass ab 15.30 Uhr) oder zu | |
Hause auf dem Sofa, bei der Erstausstrahlung im RBB am selben Abend um | |
22.15 Uhr. | |
Mit der Baustelle geht es also zu Ende, und alles ist im Zeit- und | |
Kostenplan. Zum Ende des Sommers, so die Bauleitung, wird außen so gut wie | |
alles fertig sein, im September kommen die Vitrinen für die einziehenden | |
Museen, im Januar verschwindet die Humboldt-Box und im November 2019 soll | |
es tatsächlich eröffnen, das Berliner Schloss. | |
„Ein Traum geht in Erfüllung“, sagt an einem sonnigen Vormittag diese Woche | |
Wilhelm von Boddien zur zahlreich erschienenen Presse, als er im | |
Schlüterhof steht. Genau ein Vierteljahrhundert ist es her, dass er hier, | |
rund ums heutige Schloss, aus gelben Plastikplanen eine Schlossattrappe | |
baute und plötzlich wider Erwarten einen Teil der Stadtgesellschaft und der | |
Politik auf seiner Seite hatte. 600 Millionen Euro wird das Schloss bei | |
Fertigstellung gekostet haben. 105 Millionen davon will Boddien bis 2020 | |
gesammelt haben, also noch 20 Millionen mehr als die 85 Millionen Euro, die | |
er schon hat. 31 Millionen Euro zahlt das Land Berlin, die „restlichen“ 483 | |
Millionen Euro kommen vom Bund. | |
## Die Mähne abgeschlagen | |
Doch es handelt sich bei den fehlenden Spendengeldern im Grunde nur noch um | |
Peanuts. Boddien geht aus einer der längsten und nervigsten Debatten der | |
letzten 20 Jahre, ob dieses Berlin ein Schloss braucht oder nicht, als | |
grinsender, ja als strahlender Sieger hervor. Da macht es auch nichts, wenn | |
er Bausünden gesteht, die man habe rekonstruieren müssen. Es macht nicht | |
einmal etwas aus, wenn Boddien von der Unternehmerin und Rallyefahrerin | |
Heidi Hetzer berichtet, die er als Spenderin gewinnen konnte – die aber | |
eine Bedingung stellte: Einer der Löwen, die den Schlüterhof schon jetzt | |
zieren, solle doch lieber eine Löwin sein, meinte sie. Man ließ also einem | |
der Löwen die Mähne abschlagen – was man nun als lang ersehnten humorvollen | |
Umgang mit dem angeblich ach so wertvollen historischen Erbe deuten könnte, | |
aber auch als einen kaufmännischen Pragmatismus, der Boddiens | |
Selbstdarstellung des letzten Vierteljahrhunderts ad absurdum führt. | |
In Momenten wie diesen, da kochen sie noch einmal so richtig schön hoch, | |
all die Schlagworte des jahrelangen Streits um das Schloss: Mummenschanz | |
und Disney World, Geschichtsklitterung und Preußen-Revival. Dieser Boddien, | |
Landmaschinenhersteller aus Schleswig-Holstein, hat es tatsächlich | |
geschafft. Er hat in einer Art One-Man-Show seinen persönlichen Kalten | |
Krieg entschieden: Die angebliche Wiedergutmachung des Schlossabrisses | |
durch Walter Ulbricht im Jahr 195o und die Zerstörung jeglicher Erinnerung | |
an die DDR an diesem Ort durch den Abriss des Palastes der Republik. | |
Die alte Fassungslosigkeit, die sich da einstellen kann, verfliegt erst | |
etwas später wieder ein wenig – als das Pressegespräch im zweiten Stock des | |
Schlosses fortgesetzt wird, im Inneren (im Inhaltlichen sozusagen), das | |
ebenfalls an den Tagen der offenen Baustelle begehbar sein wird. Einer der | |
größten Räume hier ist 1.000 Quadratmeter groß und ist ebenfalls fast | |
fertig: Hier entsteht ein Südamerika-Raum. Die Museen, also das | |
Ethnologische Museum und das Museum für asiatische Kunst, werden mit | |
zusammen 22.000 Quadratmetern Fläche im Schloss doppelt so viel Platz | |
bekommen als sie in Dahlem hatten. | |
Vielleicht sollte man Boddien und seine Verknalltheit in die äußere Hülle | |
des Schlosses endlich einfach ad acta legen und lieber darauf vertrauen, | |
dass die Macher des Humboldt Forums in Zeiten verschärfter Provenienz- und | |
Restitutionsdiskussion schon irgendwas aus ihrem Raumtraum machen werden. | |
Einfach mal gespannt sein. | |
So wie man auch auf das Dachrestaurant neugierig sein könnte, dessen | |
Betrieb kürzlich mit dem eines anderen Restaurants, zweier Cafés und eines | |
Bistros von der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss ausgeschrieben | |
wurde. | |
Der Blick auf die Stadt von der Dachterrasse wird sicher sehr hübsch sein. | |
25 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
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