| # taz.de -- Interview mit der Grünen-Fraktionschefin: „Erst mal wird gemecke… | |
| > Vor der grünen Klausurtagung in Hamburg nennt Antje Kapek Abgesänge auf | |
| > Rot-Rot-Grün „Quatsch“. Frustriert zeigt sich die Fraktionschefin beim | |
| > Thema BER. | |
| Bild: Ist guter Dinge: Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek | |
| taz: Frau Kapek, macht es noch Spaß in der Koalition? | |
| Antje Kapek: Ja. | |
| Ach. | |
| Wieso „Ach“? | |
| Weil Sie vor der Sommerpause in unzähligen Artikeln lesen konnten, dass es | |
| nicht rundläuft und Rot-Rot-Grün kaum bis 2021 hält. Und Dienstag hat | |
| Regierungschef Müller ein klärendes Gespräch mit den Koalitionsspitzen | |
| angekündigt. | |
| Uns macht es Spaß zu regieren, weil es Spaß macht, mitzuentscheiden und | |
| nach gut eineinhalb Jahren den Blick über die Schulter zu werfen und zu | |
| sehen, dass wir wichtige Reformen angestoßen haben. | |
| Die Kritik aber lautet: Der Wohnungsbau bleibt hinter den von der Koalition | |
| selbst gesteckten Zielen zurück, das Großprojekt Schulsanierung kommt nicht | |
| richtig von der Stelle und wichtige Macher können nicht miteinander. | |
| Quatsch! Ich hab wirklich Bock, hier Dinge ins Rollen zu bringen. Aber die | |
| Erwartungshaltung in der Berichterstattung, die Sie ansprechen, ist, dass | |
| alles sofort passiert. Wir mussten aber als Koalition Ende 2016 in einer | |
| Situation starten, in der teilweise gar nichts mehr funktionierte. | |
| Konkret? | |
| Investitionsstau, überalterte Verwaltung, fehlende Mitarbeiterinnen und | |
| Mitarbeiter, in den Schulen tropft es durch die Dächer und wir haben zu | |
| viele Verkehrstote. Da war klar: Wir müssen erst mal die Grundlagen für | |
| Veränderungen legen, damit Berlin wieder funktionieren kann. | |
| Nehmen wir mal den Wohnungsbau: Da haben Sie Zahlen festgeschrieben und | |
| hinter denen bleiben Sie zurück. | |
| Das stimmt nicht. Wir haben festgeschrieben, wie viele Wohnungen binnen | |
| fünf Jahren fertig werden soll, nicht in eineinhalb Jahren. | |
| Das kann man aber durch fünf teilen und so sehen, dass Sie hinterherhinken. | |
| So funktioniert das Leben aber nicht. Das ist wie bei Kindern: Deren | |
| Entwicklung lässt sich auch nicht monatsgenau planen, die hat Phasen, in | |
| denen es schneller und langsamer geht. Und um mal konkret auf einen grünen | |
| Verantwortungsbereich zu kommen: Wir haben jetzt das erste Mobilitätsgesetz | |
| beschlossen. | |
| Das ist erst mal nur Papier. | |
| Nein, das ist nicht nur Papier. Als wir anfingen, waren in der | |
| Senatsverwaltung für Verkehr genau 2 Mitarbeiter für Radwege zuständig – | |
| mittlerweile sind es fast 80. Oder um es in Geld auszudrücken: 2016 hatten | |
| wir 2,5 Millionen Euro für Radwege zur Verfügung, heute sind es 100 | |
| Millionen. Da kann man ja wohl echt nicht meckern. Sie haben recht, in den | |
| nächsten drei Jahr muss die Umsetzung passieren. Aber wir mussten, um es | |
| mal bildhaft auszudrücken, den Tanker erst mal aufs Meer bringen, um eine | |
| Bugwelle auszulösen. | |
| Sie haben sich als Koalition „Gutes Regieren“ vorgenommen – dazu passt | |
| nicht, dass es immer wieder Streit gibt, vor allem zwischen SPD und | |
| Linkspartei oder noch konkreter zwischen Regierungschef Müller und | |
| Bausenatorin Katrin Lompscher. | |
| Das sind ja auch zwei unterschiedliche Dinge. Da ist zum einen die | |
| Erwartungshaltung an Erfolge der Koalition. Und da sage ich: Wir haben | |
| deutlich mehr angepackt, als wir selbst geglaubt hatten. Nun muss das | |
| sichtbar werden und bei allen in der Stadt ankommen. Dafür müssen wir bei | |
| der Umsetzung der Verwaltungsreform, allerdings noch ordentlich eine | |
| Schippe drauflegen. Zum anderen ist da das Zusammenspiel in der Koalition … | |
| … der menschliche Faktor. | |
| Ja. Ich halte es nach wie vor für richtig, dass wir keine | |
| Koch-und-Kellner-Rollen haben, dass man stattdessen auf Augenhöhe | |
| miteinander redet, sich zuhört und Projekte gemeinsam vereinbart. | |
| Gleichzeitig sind wir alle nur Menschen. Wir sind ja auch in Berlin und | |
| darum ist es am Senatstisch nicht anders als in der U-Bahn: Da wird erst | |
| mal gemeckert statt gelobt. Aber so langsam finde ich es mit dem Gemotze | |
| auch mal gut, vor allem wenn es die Erfolge der Koalition überschattet. | |
| Ihre Fraktion beginnt am Dienstag eine Klausur, die Mittwoch in Hamburg | |
| weitergeht – wieso dort? Da muss irgend etwas Besonderes sein, denn im | |
| Januar war schon die SPD zur Klausurtagung dort. | |
| Wir haben uns gefragt: Wo gibt es interessante Themen für Berlin? Und sind | |
| da etwa wegen der Mieten- oder Verkehrspolitik bei Amsterdam, Kopenhagen | |
| und Wien gelandet. Aber da wir diesmal noch in Deutschland bleiben wollten, | |
| kamen am ehesten die Stadtstaaten Hamburg und Bremen in Frage. | |
| Wobei das vom Berliner Selbstverständnis her ja eigentlich nicht geht, sich | |
| von Hamburg etwas abzuschauen. | |
| Stimmt, Berlin ist unvergleichlich. Aber Stadtstaaten haben viel gemeinsam | |
| und wir können uns gegenseitig inspirieren. Hamburg hat auch eine | |
| zweistufige Verwaltung mit Land und Bezirken. Die sind allerdings | |
| weitgehend entmachtet, was sicher kein Vorbild für Berlin ist. | |
| Noch mal zu Ihrem angeblichen Spaß am Regieren: Das klang gar nicht so, als | |
| Sie jüngst beklagten, relevante Infos über den BER nur aus der Zeitung zu | |
| erfahren. Wie kann das sein? Die Flughafengesellschaft gehört zu einem | |
| Drittel Berlin und Sie sitzen mit am Senatstisch. | |
| Beim Thema BER muss ich sagen, dass ich zeitweise nicht nur hochgradig | |
| frustriert, sondern hoch verärgert bin. Ich glaube zwar wirklich, dass der | |
| Vorstandschef Engelbert Lütke Daldrup alles tut, um den Flughafen im | |
| Oktober 2020 ans Netz zu bringen. Aber Vertrauen ist beim BER keine | |
| zulässige Währung mehr. Ich will nicht vertrauen müssen, ich will wissen – | |
| vor allem, wenn es mehr Geld geben soll. Und solange das so ist, werde ich | |
| meine Hand bei der Blackbox BER nicht für weitere Steuergelder heben. | |
| 23 Aug 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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| Antje Kapek | |
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