Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Airbnb wird zehn Jahre alt: Die Welt zu Gast in der Gartenbutze
> Airbnb ist dort die Pest, wo aus der coolen Sharing-Idee brutale
> Verdrängung entsteht, sagt unsere Autorin. Sie ist selbst Host,
> allerdings im Grünen.
Bild: Das ist nicht das Gartenhaus unserer Autorin, aber auch schön
Als ich morgens mein Fahrrad aus der Gartenecke hole, sind im Häuschen die
Vorhänge noch zugezogen. Die Airbnb-Gäste schlafen. Gestern sind Zadie und
Jeff angekommen, sie waren nachmittags baden und abends beim Griechen
essen. Danach saßen sie leise redend bei Wein und Teelichtern vor unserem
Gartenhäuschen. „Amazing!“, riefen sie mir durch die Dämmerung zu, als ich
vorbeiging; an den Ästen des Pflaumenbaums trockneten ihre Badehandtücher.
Amazing fand auch ich vor drei Jahren die Grundidee von Airbnb. Mein Mann
und ich hatten auf unserer Reise durch Neuseeland und Australien, sooft es
ging, Airbnb-Unterkünfte gebucht. Es war die perfekte Möglichkeit,
tatsächlich in den Alltag der Leute dort einzutauchen. Ob bei
Kitesurflehrer Will, im Kinderzimmer von Louises studierendem Sohn oder in
der batch, der Datsche von Anne und Frank – es war immer interessant, immer
kommunikativ, fast immer sauber und stets etwas preiswerter als im Motel.
Amazing eben.
Schon während der Reise beschlossen wir: Das machen wir auch, wenn wir
wieder zurück in Deutschland sind. Nette Leute beherbergen und damit ein
bisschen Geld verdienen – die Welt zu Gast in unserem Brandenburger
Gartenhäuschen, in dem früher unsere Tochter gewohnt hatte. Wir wollten
auch so freundliche Botschafter unseres Landes werden wie die Kiwis und
die Aussies.
Heute, zwei Jahre später, weiß ich, dass Airbnb gut funktionieren kann.
Dass es aber wohnungspolitisch dort die Pest ist, wo [1][aus einer coolen
Sharing-Idee ein brutaler Verdrängungswettbewerb entstanden ist.]
## Sittenwidrige Airbnb-Preise in den Metropolen
Als wir in diesem Sommer durch Schottland reisten, haben wir erlebt, wie
Airbnb die Standards versauen kann. Roni zum Beispiel, die es zwischen den
vielen Bibelsprüchen und Häkelteddys in ihrem engen Reihenhaus wohl ohnehin
nicht leicht hat, hatte sich eine Mininische in ihrer Küche eingerichtet,
von der aus sie ihre Gäste pausenlos gut im Auge behalten konnte. Und das
überaus freundliche, aber gebrechliche Seniorenpaar Ruben und Beth hatte
für uns sein Wohnzimmer geräumt; die beiden brauchten dringend das Geld.
Städte wie Edinburgh oder Glasgow mieden wir – die Airbnb-Preise dort waren
sittenwidrig, die Bewertungen oft vernichtend.
[2][Auch aus Berlin], Barcelona, Amsterdam, Paris oder London hört man
Ungutes. Durch Airbnb wird Wohnraum dem Markt entzogen, die Folge sind
unerschwingliche Mieten. Nachbarschaften lösen sich auf, Gewerbemieten
steigen.
Bei uns im Berliner Umland ist das anders. In den zurückliegenden zwei
Jahren waren Wachsflecken auf einer Tischdecke das unerfreulichste
Vorkommnis. Ansonsten: Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Freundlichkeit.
Neben dem Geld – eine Nacht kostet für zwei Personen 45 Euro – ist das
gegenseitige Vertrauen ein schönes Kontrastprogramm zur gereizten
Gesamtstimmung in diesem Land. Man duzt sich und ist nett zueinander. Als
Gastgeberin bin ich zudem über Airbnb versichert, auch gegen kurzfristige
Absagen.
## Arbeiten an der Gastgeberperformance
Im von uns konfigurierten Buchungskalender kann jeder online sehen, wann
das Gartenhäuschen frei oder belegt ist. Je genauer und ausführlicher
unsere Angaben zur Unterkunft, zur Anfahrt, zu Restaurants und
Sehenswürdigkeiten sind, desto zufriedener sind die Gäste im Nachhinein.
Und desto besser fallen dann die Bewertungen aus.
Die allerdings sind tricky. Sowohl Gastgeber als auch Gäste haben die
Möglichkeit, eine öffentlich einsehbare Bewertung zu schreiben. Und eine
zweite, in der man Airbnb vertraulich Informationen über das Zimmer, die
Sauberkeit, den Gast oder den Gastgeber geben kann.
Als Host schaut man da irgendwann sehr genau drauf. Warum nur vier statt
fünf Sterne für die Lage? Wer von all den netten Schmeichlern hat sich bei
Airbnb über Mangel an Sauberkeit beschwert? Man erfährt es nicht.
Stattdessen arbeitet man, vom Wettbewerb zugerichtet, an seiner
Gastgeberperformance. Wenn es gut läuft (und es läuft gut), bekommt man
dafür von Airbnb den Superhost-Status verliehen. Das Label signalisiert:
Denen kannst du vertrauen.
## Die Quengler nerven schon als Gäste
Die Superhost-Erfahrung zeigt, dass meist jene Gäste quengeln, die vorab
zigmal wegen Kleinigkeiten nachgefragt haben. Dürfen wir grillen? Nein, ihr
seid im Wald. Können wir eure Liegestühle im Garten benutzen? Nein, der
Strand ist ganz nah. Gibt es einen Herd? Lies! Die! Hausbeschreibung! Uwe,
der das Fehlen von Allergikerbettzeug beanstandet hat, hatte uns offenbar
mit einem Hotel verwechselt. Und die radelnde Ulrike warnte künftige Gäste
vor einer inakzeptablen Mückensituation. Wie gesagt: im Wald.
Egal, derlei Ausreißer sind geringfügig und äußerst selten. Tatsächlich
haben wir bekommen, was wir wollten: Die Welt ist zu Gast in unserer
kleinen Gartenbutze. Gegen Mittag schreiben Zadie und Jeff eine Nachricht:
„Just checked out. Thanx folks. It was amazing!“ Sag’ ich doch.
11 Aug 2018
## LINKS
[1] /Fehlende-Transparenz-angemahnt/!5517951
[2] /Ferienwohnungen-in-Berlin/!5526014
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
Airbnb
Ferienwohnungen
Verdrängung
Tourismus
Airbnb
Ferienwohnungen
Airbnb
Airbnb
Zweckentfremdungsverbot
Airbnb
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hamburg will Zweckentfremdung stoppen: Airbnb ist nicht mehr anonym
Der Senat schränkt Vermietung von Wohnungen als Ferienunterkünfte stark ein
und will die zur Überwachung zuständigen Stellen aufstocken.
Kolumne Behelfsetikett: Könnte sich um eine Gefahr handeln
Man kann ja so blind sein. Dabei ist das Poltern der Koffer doch nicht zu
überhören. Untrügliches Zeichen für die Ferienwohnung im eigenen Haus.
Kommentar Zehn Jahre Airbnb: Der Feind in meinem Bett
Zimmer online vermitteln, das klingt nett. Doch das Problem steckt schon im
Airbnb-Gründungsmythos. Jetzt hilft nur strikte Regulierung.
Ferienwohnungen in Berlin: Neue Regel, altes Spiel
Viele Angebote bei Anbietern wie Airbnb sind vermutlich illegal. Der
Konzern wird dafür nicht belangt, steht aber zunehmend in der Kritik.
Ferienwohnungen in Berlin: Willkommen in der Illegalität
Ab Mittwoch braucht jede Ferienwohnung eine Registriernummer. Doch kaum ein
Anbieter hat sie beantragt. Jetzt drohen hohe Strafen.
Weltweit erstes Abkommen in Dänemark: Airbnb meldet Vermieter an den Staat
Wer bei Airbnb Ferienwohnungen anbietet, soll auch Steuern zahlen.
Vermieter sollen deswegen künftig ans Finanzamt gemeldet werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.