# taz.de -- Ehemaliger KZ-Aufseher Jakiv Palij: Nach Deutschland abgeschoben | |
> Als junger Mann ließ sich Jakiv Palij von der SS zum Wachmann ausbilden. | |
> Bei seiner Emigration in die USA log er über seine Kollaboration. | |
Bild: Jakiv Palij im Jahr 2003 im New Yorker Stadtteil Queens | |
Die Bundesrepublik hat seit diesem Dienstag einen Migranten mehr | |
aufgenommen. Jakiv Palij wird für den Rest seines Lebens hier bleiben, | |
untergebracht in einem Altenpflegeheim im westfälischen Ahlen. Schließlich | |
zählt der frühere polnische Staatsbürger schon 95 Jahre und hat zwei | |
Schlaganfälle hinter sich. | |
In seinem früheren Leben war Palij schon einmal in Deutschland gewesen. Das | |
war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in einem Lager für Displaced Persons. | |
So nannte man die Millionen Menschen, die nach dem Krieg heimatlos waren. | |
Palij gab damals an, im Krieg als Bauer und Fabrikarbeiter gearbeitet zu | |
haben. Mit dieser Legende versehen wagte er 1949 den Sprung in die USA, | |
arbeitete als Bauzeichner, wurde 1957 Amerikaner, ging später in Rente und | |
lebte bis zum vergangenen Montag in einem zweigeschossigen Backsteinhaus im | |
New Yorker Stadtteil Queens, mit überlebenden Juden aus Europa in der | |
Nachbarschaft. | |
Doch in Wahrheit hatte Palij während der Nazi-Herrschaft gar nicht in einer | |
Fabrik gearbeitet. Höchstens in einer Todesfabrik. Der junge Mann, der aus | |
dem Dorf Piadyki in der heutigen Ukraine stammt, ließ sich von der SS 1943 | |
im deutschen Lager Trawniki zum Wachmann ausbilden, so wie Tausende andere | |
„Fremdvölkische“, wie die Nazis sie nannten. Diese Trawnikis waren dazu da, | |
um in den Vernichtungslagern die Drecksarbeit zu besorgen: Juden aus den | |
Deportationszügen zu drängen und sie in die Gaskammern zu zwingen. [1][John | |
Demjanjuk, der 2012 in München wegen seiner Mordbeteiligung in Sobibor] zu | |
fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, war auch so ein Trawniki. | |
Erst 2003 holte Jakiv Palij seine Vergangenheit ein. Die US-Behörden | |
entdeckten, dass er bei seiner Einwanderung gelogen hatte, und entzogen ihm | |
die US-Staatsbürgerschaft. Ein Jahr später erging ein Ausweisungsbefehl. | |
Palij war fortan mit Demonstrationen konfrontiert, die verlangten, dieser | |
Nazi solle aus New York verschwinden. Er begann damit, lieber den | |
Hintereingang seiner Wohnung zu nehmen. | |
## Ermittlungen wurden eingestellt | |
„Ich war niemals ein Nazi-Kollaborateur. Ich habe nicht einmal eine | |
Nazi-Uniform getragen“, verteidigte Palij sich. Zumindest Letzteres ist | |
richtig, denn die Trawniki-Helfer durften als „hilfswillige“ Ausländer | |
selbstverständlich keine SS-Tracht tragen. Jakiv Palij will nur als | |
Wachmann an Brücken und Flüssen eingesetzt worden sein. Das naheliegende | |
Gegenteil lässt sich nicht belegen, weil Unterlagen fehlen. Die | |
Staatsanwaltschaft Würzburg stellte die Ermittlungen gegen ihn ein. | |
Drei Länder kamen für die Abschiebung Palijs aus den USA infrage. Doch | |
Polen, dessen Staatsangehörigkeit er besessen hatte, wollte ihn nicht | |
haben, ebenso wenig die Ukraine. Jetzt hat die Bundesrepublik nach | |
jahrelangem Tauziehen zugestimmt, den Nazi-Kollaborateur aufzunehmen – aus | |
„Verantwortung gegenüber den Opfern wie auch unseren internationalen | |
Partnern“, wie Außenminister Heiko Maas der FAZ sagte. | |
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, | |
Palij sei in einem „polnischen Lager“ ausgebildet worden. Diese | |
Formulierung war bedauerlicherweise missverständlich. Das Lager Trawniki | |
befand sich auf deutsch besetztem polnischem Territorium, wurde aber von | |
der deutschen SS betrieben. | |
21 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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