# taz.de -- Hajo Seppelt über Staatstrojaner-Gesetz: „Wir müssen Informante… | |
> Seit knapp einem Jahr gibt es das Staatstrojaner-Gesetz. Hajo Seppelt | |
> unterstützt die Verfassungsbeschwerde gegen den Einsatz der | |
> Spionage-Software. | |
Bild: Journalist Seppelt recherchiert vor allem zum Thema Doping | |
taz: Herr Seppelt, warum haben Sie sich der Verfassungsbeschwerde gegen den | |
Staatstrojaner angeschlossen? | |
Hajo Seppelt: Ich kann im Prinzip verstehen, dass der Staat infolge der | |
Veränderung von Mediennutzung der letzten Jahre nicht einfach zusehen kann, | |
wie in abgeschlossenen Räumen im Netz möglicherweise schwere Straftaten | |
vorbereitet oder begangen werden. Aber es muss rechtlich geklärt werden, | |
wie weit man in die Privatsphäre von Menschen eingreifen darf. In ihrem | |
Urteil von 2008 haben Richter das ja auch schon teilweise getan. Doch | |
seitdem hat sich nicht nur technisch viel verändert, auch der potenzielle | |
Anwendungsbereich für die Onlinedurchsuchung ist nach heutiger Gesetzeslage | |
viel größer: 2008 ging es um die Terrorbekämpfung und heute um die | |
Verfolgung auch nicht terrorismusbezogener Straftaten. | |
Ein wenig überrascht es, dass Sie sich hier engagieren – denn Ihre | |
Berichterstattungsgebiet hat mit Datenschutz und IT-Gesetzgebung ja | |
zunächst einmal nicht so viel zu tun. | |
Ich bin investigativer Journalist. Das heißt, es gibt bei meiner Arbeit | |
permanent Berührungspunkte mit IT-Sicherheitsfragen und Datenschutz: Denken | |
Sie da beispielsweise an den sensiblen Bereich der Dopingtests. Oder wenn | |
meine Informanten verschlüsselte Kommunikationskanäle nutzen. Hinzu kommt, | |
dass die Straftatbestände, aufgrund derer Staatstrojaner jetzt zum Einsatz | |
kommen können, durchaus auch Informanten in meinem Arbeitsgebiet betreffen. | |
Zum Beispiel gibt es Leute, die als Whistleblower auspacken, aber selbst | |
aus einem bestimmten Milieu stammen. Mir ist bewusst, dass meine Arbeit als | |
Journalist unter besonderem Schutz steht. Aber es geht ja nicht um mich | |
dabei, sondern in erster Linie darum, die Menschen zu schützen, die sich | |
einem Journalisten als Informanten anvertrauen. Denn der Informantenschutz | |
ist das A und O in unserem Job. | |
Wissen Sie, ob Sie schon einmal Ziel von Angriffen durch eine | |
Überwachungssoftware geworden sind? | |
Ich kann es natürlich nie ausschließen, aber zum jetzigen Zeitpunkt habe | |
ich keine Anhaltspunkte dafür. Dennoch möchte ich nicht, dass der deutsche | |
Staat womöglich der Versuchung unterliegt, etwas zu tun, was der russische | |
Staat schon die ganze Zeit tut – im Berichterstattungsgebiet, in dem auch | |
ich unterwegs bin, oder auf anderen Feldern –, nämlich vertrauliche | |
Kommunikationswege zu infiltrieren. Ich habe mich in den vergangenen Jahren | |
oft mit russischem Doping beschäftigt. Da gab es zahlreiche Aggressionen, | |
im Internet oder woanders. Und es besteht zudem nicht mehr nur allein die | |
Gefahr – es gab auch schon konkret Fälle, in denen bei Personen, die sich | |
mit Dopingermittlungen im Sport beschäftigen, auf digitalem Weg | |
Informationen abgeschöpft wurden. So wurde das System der | |
Welt-Anti-Doping-Agentur gehackt, nach allem, was wir zum jetzigen | |
Zeitpunkt wissen, von Hackern zumindest mit einer gewissen Nähe zu | |
Russlands Behörden. Der Verdacht besteht, dass im Auftrag des russischen | |
Geheimdiensts so etwas immer wieder versucht und praktiziert wird. Und weil | |
wir bei anderen Staaten den massiven Eingriff in die Privatsphäre nicht | |
tolerieren, sollten wir auch bei uns in Deutschland vorab genau hinschauen, | |
wo die Grenzen zu ziehen sind. Der Rahmen des Möglichen und zugleich des | |
Nötigen bedarf aus meiner Sicht ganz klar einer verfassungsrechtlichen | |
Prüfung. | |
Das betonen Sie wiederholt. Erhoffen Sie sich davon eine eindeutige Lösung? | |
Ich sehe das durchaus differenziert. Es geht schlicht um die Frage, wie | |
hoch rechtliche Hürden sein müssen. Denn: Was soll einerseits eine Polizei | |
machen, die nicht den Zugriff hat auf den WhatsApp-Nachrichtenverkehr von | |
potenziellen oder tatsächlichen gefährlichen Straftätern? Es ist doch klar, | |
dass sie hier Zugriff bekommen möchten – das kann ich nachvollziehen. Aber | |
die Verhältnismäßigkeit muss stimmen. Ob das andererseits zum Beispiel der | |
Fall ist, wenn etwa Sportwettbetrug oder Dopingdelikte die Ausspähung der | |
privaten Kommunikation auf dem Handy oder dem Computer rechtfertigt – und | |
das womöglich unter Ausnutzung von digitalen Sicherheitslücken –, dann | |
stellen sich mir Fragen, wo Grenzen gezogen werden müssen. | |
Sicherheitslücken sollten weder vom Staat noch von anderen, die davon | |
erfahren, ausgenutzt, sondern erkannt und beseitigt werden. Ich finde es | |
wichtig, dass man sich all das genauer anschaut – am besten eben in | |
Karlsruhe. | |
Sie sagten, Ihre Arbeit, Ihre Informanten könnten theoretisch vom Einsatz | |
solcher Trojaner auch betroffen sein. Was raten Sie da Menschen, mit denen | |
Sie in Kontakt sind beziehungsweise wie gehen Sie damit um? | |
Das Beste ist aus meiner Erfahrung, dass man sich mit Menschen, die | |
Vertrauliches zu berichten haben, persönlich trifft. Und auch den | |
verschlüsselten Verkehr, der offensichtlich letztlich oft nicht so | |
allumfassend sicher ist wie man zunächst annahm, auf ein gewisses Maß | |
begrenzt. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nie. | |
14 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Meike Laaff | |
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