# taz.de -- Vor dem WM-Spiel um Platz Drei: Schöner scheitern | |
> Kaum jemand mag das Spiel um den dritten Platz. Wie schade. Die Schönheit | |
> des Verlierens sollte viel mehr geschätzt werden. | |
Bild: Einer der besten Verlierer der WM: Eden Hazard | |
Der Blick richtet sich meist nur aufs Finale am Sonntag, Frankreich und | |
Kroatien, die Champions. Der Blick verweigert sich wie stets dem anderen | |
Spiel am Wochenende, dem um den dritten Platz, auch kleines Finale genannt; | |
England und Belgien treten an. „Kleines Finale“ – ein lächerliches Label, | |
das nicht zufällig klingt wie Kindercup. | |
Der Blick aufs Finale der Champions aber ist trügerisch, denn es gibt keine | |
Champions. Es wird gespielt, bis einer heult, es wird nur einen Champion | |
geben, und er wird die anderen, die Verlierer, kaum trösten können. | |
Umso schöner, umso wichtiger ist das „Spiel um den dritten Platz“. Da kann | |
man auch gewinnen. Aber das spielt keine Rolle. Ob man Dritter oder Vierter | |
bei der WM wird, interessiert später allein Sporthistoriker*innen und | |
Statistiker*innen, den meisten Spielern und Fans aber wird das egal sein. | |
Deutschland wurde bei der WM 2006 und 2010 Dritter, erinnert sich wer? | |
Wie ein Mantra wird denn auch alle vier Jahre wieder die gleiche Diskussion | |
geführt: Ist das „kleine Finale“ Kunst – oder kann das weg? Es ist Kunst, | |
um es klar zu sagen und dabei doch zu wissen, dass die Debatte spätestens | |
nach dem Halbfinale [1][in Katar 2022] wiederkommen wird. | |
Zwei Verlierer treten gegeneinander an. Sie sind [2][im Halbfinale | |
gescheitert]. Am Gegner, an sich selbst, an Überlastung, an was auch immer. | |
Sie können nun noch einmal zeigen, was sie können, wie schön ihr Spiel ist, | |
offensiv oder defensiv oder beides. Sie können sich nach kräftezehrenden | |
Wochen der Konzentration und Fokussierung nun in Würde verabschieden. Und | |
sie können, ob sie wollen oder nicht, noch einmal verlieren. Das macht nun | |
erstmals während [3][dieser WM] nichts mehr aus. | |
## Vierter werden | |
Verlieren dürfen heißt nämlich, endlich aus dem Hamsterrad der stetigen | |
Leistungssteigerungen ausbrechen zu können, ins normale Leben | |
zurückzukehren, das ja eben nicht jeden Tag von Erfolgen gekrönt ist. Wo | |
Niederlagen zum Alltag gehören und wo man sie gelassen hinnimmt: Denn | |
morgen ist ein neuer Tag. | |
Im Sportbuch „Vierter“, einem sympathischen Sammelband über Niederlagen im | |
Sport aus dem Jahr 2005, heißt es: „Vierter ist das Synonym für alle, die | |
es nie aufs Siegertreppchen schaffen, für die Sport allerdings ein | |
wichtiger Fixpunkt in der Biografie ist. Ein Synonym für Begeisterung und | |
Leidenschaft am Sport, egal was am Ende dabei herausspringt.“ Ergänzen kann | |
man noch: Eine der letzten Gewissheiten des Linksseins ist es, Verlierern | |
beizustehen. | |
Nun denn: Feiern wir am Samstag mit England und Belgien das „Spiel um den | |
dritten Platz“ und hoffen auf ein von allen Erwartungen und übersteigertem | |
Leistungsdruck befreites Spiel. Harry Kane und Romelu Lukaku, Eden Hazard | |
und Dele Alli, [4][Jordan Pickford und Thibaut Courtois] haben uns mit | |
Toren, Pässen und Paraden viel Freude bereitet. Sie noch einmal in aller | |
Gelassenheit spielen zu sehen, ist ein Geschenk. | |
Und so ist die entscheidende Frage am Samstag nicht: Wer wird Dritter? | |
Sondern: Wer wird Vierter? Der Weltmeister erhält Ruhm und den Pokal, dem | |
Zweiten und Dritten sind Anerkennung und Plätze in den Annalen sicher. Dem | |
Vierten aber gehört unser Herz. | |
13 Jul 2018 | |
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## AUTOREN | |
Maik Söhler | |
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