# taz.de -- Nach dem Halbfinale Kroatien – England: Football's going home | |
> Kroatien hat gewonnen, England ist raus – endlich! Schluss mit den lahmen | |
> Geschichten über Elfmeter und das „Mutterland des Fußballs“. | |
Bild: Und raus bist du: Das war's für die englischen Fans | |
Das war es also dann für England. Wieder ist es nichts geworden mit dem | |
Einzug in ein großes Finale. [1][England ist raus. Kroatien ist im Finale]. | |
Am Ende haben die Mannen um Luka Modric das junge Team aus England | |
regelrecht an die Wand genagelt. | |
Es ist ein Segen. Endlich müssen wir nicht mehr die immer gleichen | |
Geschichten über die große [2][Sehnsucht der Engländer nach dem ersten | |
Titel seit 1966] wiederkäuen. Endlich können wir über Fußball sprechen und | |
müssen nicht mehr küchenpsychologisch daherschwafeln, wie es möglich werden | |
konnte, dass auch Engländer [3][ein WM-Elfmeterschießen gewinnen können]. | |
Endlich müssen wir den Ausdruck „Mutterland des Fußballs“ nicht mehr hör… | |
Endlich ist England raus. | |
Es ist erstaunlich, wie die Welt mit dem englischen Fußball umgeht. Bei | |
jedem Turnier ist das ähnlich. Kaum eine Mannschaft wird von der | |
internationalen Presse so intensiv bearbeitet wie das englische Team. Die | |
Wunschvorstellung der englischen Boulevardschreiber vom Fußball, der nach | |
Hause kehrt, hat uns in diesem Jahr einen Ohrwurm beschert, lange bevor wir | |
den 1996 für die Heim-EM in England komponierten Song „Football's coming | |
home“ bei der WM das erste Mal wieder gehört haben. | |
Und auch nach der Niederlage gegen Kroatien werden wir mit Bildern aus der | |
englischen Fankurve regelrecht zugeschissen. Dass die 7.000 Engländer, die | |
im Moskauer Luschniki-Stzadion waren, ihre Mannschaft nach der Niederlage | |
immer noch angeschmachtet und dabei diese nun wahrlich schwer zu ertragende | |
Oasis-Schnulze „Don't look back in Anger“ angestimmt haben, ist gewiss eine | |
nette Anekdote. Mehr aber auch nicht. | |
Aber schon wird sie allüberall erzählt, die Geschichte vom jungen | |
englischen Team, das sich in Russland aufgemacht hat, die Fußballwelt zu | |
erobern. Das diesmal vielleicht noch gescheitert ist. An dem aber in vier | |
Jahren kein Weg mehr vorbeiführen wird. Das auf dem Weg ist, sein | |
Turniertrauma (Achtung Küchenpsychologie!) endlich zu überwinden. Zu dem, | |
was das englische Team abgeliefert hat bei der WM in Russland, passen diese | |
Geschichten indes nicht so recht. | |
## Mangelnder Respekt vor Kroatien | |
Ja, es ist aller Ehren wert, mit dieser Mannschaft, in deren Mittelfeld | |
kein Kicker spielt, der wirklich das Spiel machen kann, ins Halbfinale | |
einer WM vorzustoßen. Es ist das Verdienst von Trainer Gareth Southgate, | |
dass er aus einer Truppe leidlich begabter Fußballspieler eine | |
funktionierende Mannschaft gebaut hat. Aber wer gesehen hat, wie schwer | |
sich die Engländer immer wieder getan haben, einen Angriff zu Ende zu | |
spielen, müsste um die Bedingtheiten in dieser Mannschaft eigentlich | |
wissen. | |
Neun der zwölf englischen Tore sind durch Elfmeter oder nach | |
Standardsituationen gefallen. Auch das sagt viel. Als alle Welt den neuen | |
englischen Fußball begonnen hat zu feiern, hätten wir beinahe übersehen, | |
dass England den Fußballsport wie ein Hockeyspiel inszeniert hat. Da fallen | |
die Tore schon lange vor allem nach Strafecken. Die englische Sportpresse | |
hat in ihrer Besoffenheit über das eigene Team die halbe Welt in ihren | |
Rausch hineingezogen. Am Ende waren viel zu viele Menschen infiziert von | |
diesem Englandvirus. | |
Der kroatische Kapitän, Luka Modric, ein Fußballer wie ihn die Engländer | |
sicher auch gerne hätten, war nach dem Finaleinzug immer noch ein wenig | |
angesäuert über die geringe Wertschätzung, die seinem Team vor dem Spiel | |
entgegengebracht worden ist. Das habe die Kroaten sogar umso mehr | |
motiviert, sagte er. „Englische Journalisten und TV-Experten plaudern | |
gerne. Sie haben die kroatische Mannschaft total unterschätzt. Da haben sie | |
einen Fehler gemacht. Wir haben eine Reaktion auf diese Worte gezeigt. Sie | |
sollten sich bescheidener verhalten und dem Gegner mehr Respekt zeigen.“ | |
Recht hat er. Und wir sollten jetzt erst einmal nicht mehr über das – | |
sorry! – Mutterland des Fußballs reden. Aus gutem Grund. England war gar | |
nicht so gut bei dieser WM. [4][Kroatien schon]. | |
12 Jul 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Halbfinale-Kroatien--England/!5521861 | |
[2] /England-vor-dem-WM-Halbfinale/!5516178 | |
[3] /Achtelfinale-Kolumbien--England/!5518896 | |
[4] /Kroatien-vor-dem-WM-Halbfinale/!5521562 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
## TAGS | |
Halbfinale WM 2018 | |
Frauen-WM 2019 | |
WM-taz 2018: Auf dem Platz | |
England | |
Kroatien | |
Fußball | |
Finale WM 2018 | |
Halbfinale WM 2018 | |
Frauen-WM 2019 | |
Halbfinale WM 2018 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Vor dem WM-Spiel um Platz Drei: Schöner scheitern | |
Kaum jemand mag das Spiel um den dritten Platz. Wie schade. Die Schönheit | |
des Verlierens sollte viel mehr geschätzt werden. | |
Halbfinale Kroatien – England: Eine neue Goldene Generation | |
Kroatien schlägt England 2:1 und zieht damit zum ersten Mal überhaupt in | |
ein WM-Finale ein. England könnte immerhin noch Dritter werden. | |
Kroatien vor dem WM-Halbfinale: Kühn und kühl | |
Der Star im Team der Kroaten ist Luka Modrić. Der Mann von Real Madrid | |
brilliert im Mittelfeld – und bleibt auch unter extremem Druck ganz ruhig. | |
England vor dem WM-Halbfinale: Southgate und die vielen Schlüssel | |
Englands Trainer arbeitet mit Erfolg daran, sein Team vom bleischweren Erbe | |
der Vergangenheit zu befreien: Nur ein WM-Titel 1966, seitdem Niederlagen. |