# taz.de -- Debatte Kreativität zu politischen Themen: Knoten auflösen und mo… | |
> Wie löst man Pflegenotstand, Wohnungsnot und Migrationsdruck in einer | |
> Win-win-win-Situation auf? Indem man kreative Synergien bündelt. | |
Bild: Läuft wie am Schnürchen, oder? | |
Tief im Inneren der Regierungsmaschine herrscht Unbehagen darüber, dass im | |
Schatten der Migrationskrise andere Aufgabenfelder der Koalition | |
verblassen, namentlich der Pflegenotstand und die Wohnungsnot. In diesem | |
Zusammenhang fand ein innerministerielles Papier, das uns zugespielt wurde, | |
unser Interesse. Es handelt sich offenbar um Vorüberlegungen nachgeordneter | |
Dienststellen und trägt die Überschrift „Strategische Synergien“. Wir | |
dokumentieren es im Folgenden in Auszügen: | |
„Oberste Prinzipien deutscher Entwicklungspolitik sind Hilfe zur | |
Selbsthilfe und die Entwicklung produktiver Beziehungen zwischen den | |
Kontinenten (,Entwicklungshilfe ist keine Einbahnstraße'). So sind in den | |
letzten Jahrzehnten von jedem Euro, den wir in Afrika investieren, rund 75 | |
Cent zurückgeflossen. Dieses Arbeitspapier skizziert eine kreative | |
Ergänzung beider Prinzipien und Möglichkeiten erweiterter Kooperation bei | |
der Bewältigung transkontinentaler Engpässe. | |
In ersten Überlegungen haben wir mit Unterabteilungsleitern aus | |
Wirtschafts-, Entwicklungs- und Gesundheitsministerium das Konzept einer | |
Komplexen Und Multilateralen Programmierung Anhaltender, Nachhaltiger, | |
Erweiterter Integration (KUMPANEI) entwickelt. So können wir aus | |
systembedingten Strukturschwächen durch sinnvolle Synergien sichere und | |
sanfte Sanierungsstrategien entwickeln. Im Folgenden verknüpfen wir damit | |
drei aktuelle Engpässe des Regierungshandelns und stellen erste | |
Überlegungen zu einen integrierten Lösungsstrategie an: | |
1. In Deutschland verschärft sich das Methusalemproblem: Die Pflege und | |
Unterbringung älterer Mitbürger belastet schon jetzt die Haushalte – eine | |
Verbesserung der Pflegeschlüssel und der generellen Ausgestaltung der | |
Pflege ist aus Kostengründen unwahrscheinlich. | |
2. Das Wohnraumproblem beruht zumindest teilweise darauf, dass ältere | |
alleinlebende MitbürgerInnen nach dem Auszug der Kinder und dem Verscheiden | |
von Partnern in ihren überdimensionierten Wohnungen bleiben. | |
3. Das Migrationsproblem entsteht nicht nur durch Asylbewerber und | |
Kriegsflüchtlinge. In den nächsten Jahrzehnten werden Millionen von | |
Eritreern, Somalis, Kenianern, Senegalesen nach Norden drängen, allein, um | |
der Armut zu entkommen. | |
Diese drei Problemlagen – Pflegenotstand, Wohnungsnot und Migrationsdruck – | |
ergänzen sich zu einer mehrdimensionalen Situation negativer | |
Komplementarität. | |
## Unterbringung auf afrikanischem Kontinent | |
Aber mit Hilfe kreativer Synergien könnte aus solchen negativen | |
Triplebilanzen ein dreiseitiger Gewinn werden, der Haushalte entlasten und | |
Humanität und Lebensqualität steigern kann: | |
Bürger, die altersschwach und einsam sind, leben hierzulande in | |
Pflegeheimen, in denen bestenfalls auf zehn Alte ein Betreuer kommt, bei | |
einem Durchschnittspflegekostensatz von 3.000 Euro. In ausgewählten Ländern | |
des afrikanischen Kontinents wären die Kosten einer Unterbringung in | |
Dorfgemeinschaften, Großfamilien und neu zu errichtenden Pflegestationen | |
deutlich geringer. Bei den dortigen Lebensverhältnissen kostete die | |
Rund-um-die-Uhr-Betreuung pro Kopf durch drei Pflegekräfte nach ersten | |
groben Schätzungen pro Monat ca. 300 Euro, dazu noch ein Arzt pro zehn | |
Pflegefälle, macht anteilig noch einmal 200, also 500 pro Kopf. Dazu kämen | |
gewisse Kosten für die einmalige Anschaffung von Hardware (Betten) und | |
Software (Bettwäsche) und die einmaligen Kosten für die Verbringung der | |
Pflegeberechtigten in die Drittländer. Erste Modellrechnungen für einige | |
zentralafrikanische oder westafrikanische Staaten ergeben unter dem Strich | |
eine Kostensenkung von 66,3 % – und damit eine fundamentale Entlastung | |
unserer Lohnnebenkosten. | |
Ein weiterer Gewinn bestünde darin, dass bei flächendeckender | |
Implementierung des Programms Wohnraum in einer Größenordnung von mehreren | |
Millionen Einheiten frei würde, und zwar vor allem in Ballungsgebieten, in | |
denen das Fehlen der ländlichen Familiensolidarität einsam allein lebende | |
Menschen im Übermaß produziert. Junge Familien fänden hier eine Basis für | |
Existenzgründung und Familienwachstum. | |
## Mehr Humankapital, also Menschlichkeit | |
Darüber hinaus wäre eine ganze Reihe beschäftigungs- und | |
wachstumssteigernder Impulse zu erwarten: Unsere Bauindustrie könnte in den | |
Zielländern nicht nur den Aufbau der dortigen Pflegeheime übernehmen, | |
sondern auch Asphaltpisten für Geh-Hilfen und Rollstühle errichten. | |
Arbeitslose Deutschlehrer können den eingeborenen Seniorenbetreuern und den | |
Gastfamilien Intensivkurse geben. Nicht zuletzt würde der Flugtourismus | |
einen gewaltigen Aufschwung erleben durch die zu erwartenden Reisen von | |
Millionen von Kindern und Enkelkindern, die zu den christlichen Festen | |
einen Badeurlaub mit einem Besuch bei den Altersmigranten kombinieren | |
können. | |
Das Programm wird im Süden durch den Geldtransfer neuen Reichtum und | |
millionenfache Beschäftigung schaffen. Das wird die Motivation zur | |
Migration mindern. Und es wird unsere pflegebedürftigen Senioren mit mehr | |
Humankapital durch die letzten Jahre begleiten, das heißt: mit mehr | |
Menschlichkeit. Es würde Kontinente zusammenrücken lassen. Bei einer | |
gesamteuropäischen Lösung könnte der Effekt erheblich größer sein; auch die | |
Abwanderung der in den mittel- und osteuropäischen Ländern dringen | |
benötigten Pflegekräfte in den zahlungsstärkeren Westen wäre damit | |
zumindest abgeschwächt. | |
Insgesamt ergibt sich hieraus eine Win-win-win-Strategie. Ein solches | |
Programm würde die Dynamik unserer solcherart verjüngten Gesellschaft und | |
damit unsere Konkurrenzfähigkeit im Wettbewerb mit China und Indien | |
steigern. Wir empfehlen, diesen Gedanken in einer innerministeriellen | |
Arbeitsgruppe weiter zu bearbeiten. Für diese Gruppe schlagen wir den Namen | |
„Humanes Alter Und Transformation Afrikanischer Beschäftigungsverhältnisse�… | |
vor (HAUT AB).“ | |
13 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Mathias Greffrath | |
## TAGS | |
Migration | |
Wohnungsnot | |
Pflege | |
Schlagloch | |
Pflegekräftemangel | |
Migration | |
taz.gazete | |
Baukindergeld | |
Spielfilmdebüt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Fachkräftemangel in der Altenpflege: Ein Beruf mit Zukunft | |
Ethan Quaißer will Altenpfleger werden. Für den 18-Jährigen sein | |
Traumberuf. Die taz hat ihn in der Berufsfachschule und beim Arbeiten | |
begleitet. | |
Sicherheit und Migration: Die große Vergrenzung | |
Europa sperrt Menschen in Lager und beansprucht das Privileg der | |
Bewegungsfreiheit für sich. Mit welchem Recht eigentlich? | |
Virtuelles Migrationsmuseum: Die Menschen hinter den Zahlen | |
Im Virtuellen Migrationsmuseum wird die Geschichte von Einwanderung in | |
Deutschland dokumentiert. Ziel ist die Eröffnung eines physischen Museums. | |
Kommentar Baukindergeld: Gegen Wohnungsnot hilft es nicht | |
Eine Bezuschussung des Wohnungskaufs unterstützt auch Menschen, die es gar | |
nicht benötigen – und treibt die Immobilienpreise in die Höhe. | |
Arte-Spielfilm „Jonathan“: Soviel zum Pflegenotstand | |
„Jonathan“ ist der Debütfilm von Autorenfilmer Piotr J. Lewandowski. Er | |
zeigt deutschen Wald und das Sterben eines Mannes. |