# taz.de -- Witwe von Friedensnobelpreisträger: Liu Xia ist frei | |
> Acht Jahre stand die Witwe des chinesischen Friedensnobelpreisträgers | |
> Lius Xiaobo unter Hausarrest. Nun darf sie nach Berlin ausreisen. | |
Bild: Liu Xia im Juli 2017 bei der Beerdigungsfeier ihres Mannes Liu Xiaobo | |
PEKING taz | Am Ende ging alles ganz schnell. Liu Xia saß auf gepackten | |
Koffern als sie am Dienstagmorgen von ihrer Wohnung abgeholt wurde, in der | |
sie seit mehr als acht Jahren im Hausarrest saß, und sie zum Pekinger | |
Flughafen durfte. Kurze Zeit später saß die Witwe des vor einem Jahr | |
verstorbenenen [1][chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo] auch | |
schon in einer Maschine der finnischen Fluggesellschaft Finnair auf dem Weg | |
nach Berlin. | |
Erst nachdem Liu Xia auch wirklich im Flieger saß, gab ihr Bruder Liu Hui | |
in dem sozialen Netzwerk WeChat bekannt, dass seine Schwester „ein neues | |
Leben beginnen“ könne. Kurze Zeit später bestätigte der ebenfalls von den | |
chinesischen Behörden drangsalierte Bürgerrechtsanwalt Mo Shaoping, dass er | |
mit Liu Hui gesprochen hat: „Liu Xia ist frei.“ | |
Damit findet ein jahrelanges Ringes um die Freilassung der 57-jährigen | |
Künstlerin und Dichterin ein Ende. Die USA, die Europäische Union, aber | |
allen voran die Bundesregierung in Person des scheidenden deutschen | |
Botschafters Michael Claus, hatten sich für ihre Freilassung eingesetzt. | |
Obwohl sie nie verurteilt wurde und sich auch sonst nichts zu Schulden | |
kommen ließ, steht sie seit acht Jahren de facto unter Hausarrest. „Mein | |
Verbrechen ist es, Liu Xiaobo zu lieben“, hatte sie vor einigen Monaten | |
unter Tränen in einem Telefonat mit dem im Exil in Berlin lebenden | |
Schriftsteller Liao Yiwu gesagt. | |
Ein Volksgericht hatte ihren Ehemann 2009 wegen „Untergrabung der | |
Staatsgewalt“ zu elf Jahren Haft verurteilt. Liu Xiaobo war Mitverfasser | |
der sogenannten „Charta 08“, mit der er und seine Mistreiter ein | |
demokratisches und rechtstaatliches China forderten. 2010 verlieh ihm das | |
Nobelkomitee den Friedensnobelpreis. Die Verleihung fand in seiner | |
Abwesenheit statt. Der leere Stuhl in der ersten Reihe wurde zum Symbol | |
seines Einsatzes für mehr Demokratie in der Volksrepublik. | |
Liu Xia lebt seitdem unter scharfer Polizeibewachung. Polizisten verwehren | |
jedem, der sie besuchen will, den Zugang zu ihr. Sie durfte ihren Mann nur | |
einmal im Monat eine halbe Stunde lang besuchen. Liu Xia hat selbst eine | |
Herzkrankheit und oft starke Schmerzen. Seit einigen Jahren leidet sie auch | |
[2][unter schweren Depressionen]. | |
## Unmittelbares Zugeständnis an Berlin | |
Am 13. Juli 2017 starb Liu Xiaobo in Haft an Leberkrebs. Ihre Ausreise am | |
Dienstag erfolgt damit nur drei Tage vor dem ersten Jahrestag des Todes | |
ihres Mannes. Seitdem war Liu Xia von der Außenwelt nahezu vollständig | |
isoliert. Bis zum Schluss bestritten die chinesischen Behörden das und | |
behaupteten, sie könne sich frei bewegen. Sicherheitskräfte in Peking haben | |
jedoch seit Monaten Unterstützern den Besuch verwehrt. Auch telefonisch war | |
sie nur sporadisch zu erreichen. | |
Die Bundesregierung hatte sich [3][besonders stark für ihre Freilassung | |
eingesetzt]. Zwei Mal wurde ihre Ausreise dem deutschen Botschafter schon | |
in Aussicht gestellt, zuletzt kurz vor dem Besuch von Bundeskanzlerin | |
Angela Merkel im Mai in Peking. Dass ihre Ausreise nun am letzten Tag des | |
Besuch des chinesischen Premierministers Li Keqiang in Berlin erfolgt, | |
dürfte als unmittelbares Zugeständnis der chinesischen Führung an Berlin | |
verstanden. Offiziell bestreitet sie das und bestätigte lediglich, dass sie | |
das Land in Richtung Deutschland verlassen hat. Zur Begründung hieß es nur, | |
Liu Xia wolle dort auf eigenen Wunsch medizinisch behandelt werden. | |
Neben den USA ist die Bundesregierung eine der wenigen Regierungen, die die | |
sich in den letzten Jahren wieder massiv verschärften | |
Menschenrechtsverletzungen in China überhaupt noch anspricht – wenn auch | |
nur hinter verschlossenen Türen. Immerhin gelingt es ihr auf diese Weise, | |
regelmäßig Dissidenten und Kritiker der chinesischen Führung ausreisen zu | |
lassen oder deren Bedingungen zu verbessern. Es ist denn auch kein Zufall, | |
dass sich Liu Xia und auch schon ihr Mann für Deutschland als Zufluchtsort | |
entschieden hatten. In Berlin sammeln sich eine Reihe von chinesischen | |
Dissidenten. | |
„Es ist eine wunderbare Nachricht, dass Liu Xia endlich frei ist und ihre | |
Verfolgung und rechtswidrige Inhaftierung durch die chinesischen Behörden | |
fast ein Jahr nach Liu Xiaobos frühem und würdelosem Tod ein Ende gefunden | |
hat“, sagte Patrick Poon von Amnesty International in Hongkong. Er forderte | |
allerdings, dass auch ihrem Bruder die Ausreise gestattet wird. Es wäre für | |
die chinesischen Behörden „äußerst gefühllos“, die Verwandten von Liu X… | |
dazu zu benutzen, Druck auf sie auszuüben, um zu verhindern, dass sie sich | |
in Zukunft äußert. „Jetzt muss die Schikanierung von Liu Xias Familie, die | |
in China bleibt, auch enden.“ | |
10 Jul 2018 | |
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## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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