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# taz.de -- „Feindeslisten“ von Rechtsextremen: Im Visier der Neonazis
> Seit 2011 fand die Polizei bei Ermittlungen im rechten Spektrum Listen
> mit insgesamt bis zu über 35.000 Namen. Wir erklären, worum es geht.
Bild: 10.000 Namen wurden auf Listen in der von Beate Zschäpe in Brand gesteck…
Um wie viele Listen und Namen handelt es sich?
Die aktuellen Zahlen stammen aus der Antwort des Justizministeriums auf
eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion. Dabei geht es um drei
verschiedene Listen. Bei der ersten handelt es sich um die Adresslisten,
die die Polizei in der von Beate Zschäpe in Brand gesteckten Wohnung in
Zwickau fand, in der sich die Terrorzelle Nationalsozialistischer
Untergrund (NSU) zuletzt versteckt hatte. Diese Listen umfassten etwa
10.000 Namen und stammen größtenteils von 2005. Ihre Existenz wurde kurz
nach Auffliegen des NSU im November 2011 bekannt. Viele der dort
gesammelten Namen gehören zu Menschen, die sich gegen rechts engagiert
haben.
Die zweite Liste wurde [1][bei dem rechtsextremen Bundeswehrsoldaten Franco
A.] gefunden, der im April 2017 festgenommen wurde. Sie umfasst 32 Namen
von Personen oder Orten. Dazu gehören der ehemalige Bundespräsident Joachim
Gauck, die Grünen-Politikerin Claudia Roth und weitere, zum Teil bekannte
PolitikerInnen sowie der Zentralrat der Juden, der Zentralrat der Muslime
und antifaschistische AktivistInnen.
Die dritte Liste ist keine Liste im engeren Sinne: Bei den Razzien in
Mecklenburg-Vorpommern im August 2017 und April 2018 gegen eine
Prepper-Gruppe, die sich in einem Chat namens „Nordkreuz“ organisiert
hatte, wurden verschiedene Datenträger und Aufzeichnungen sichergestellt,
auf denen sich insgesamt Angaben zu rund 25.000 Personen befinden. Diese
Zahl ist jetzt bekannt geworden.
[2][Prepper sind Menschen, die sich auf Katastrophen vorbereiten.] Zwei
Mitglieder der Chatgruppe sollen sich darüber ausgetauscht haben, im
Krisenfall die Macht übernehmen und politische Gegner ausschalten zu
wollen. Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts dauern noch an. Bisher
wurde keine Anklage erhoben.
In den letzten Jahren wurden also mehr als 35.000 Personen von
Rechtsextremen als potenzielle Anschlagsopfer geführt?
Das lässt sich nicht eindeutig beantworten. Insbesondere bei den in der
Prepper-Szene gefundenen Namen ist bislang nicht klar, zu welchem Zweck sie
gesammelt wurden. Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass es sich bei
der Chatgruppe um eine fest organisierte Struktur, gar eine schlagkräftige
Terrorzelle gehandelt habe. 25.000 Namen sind allerdings eine sehr große
Zahl, auch wenn unklar ist, wie viele davon gezielt gesammelt wurden und
wie viele etwa aus Telefonbüchern beschlagnahmter Handys stammen.
Der Umgang der Sicherheitsbehörden mit dem Prepper-Milieu, das sich nicht
nur mit Verschwörungstheoretikern, sondern auch mit der rechtsextremen
Szene überschneidet, ist nicht gerade beruhigend: In dem am Dienstag
veröffentlichten Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommern tauchen
die Ermittlungen gegen die Prepper nur in einem Nebensatz auf.
Wurden die Betroffenen informiert?
Bei der Liste von Franco A. hat das Bundeskriminalamt nach eigenen Angaben
in nur drei Fällen selbst Betroffene informiert. In einigen anderen Fällen
ist bekannt, dass das durch die Landeskriminalämter geschah. Laut der
Berliner Linken-Abgeordneten Anne Helm, die zu den Betroffenen zählte,
allerdings auf unzureichende Art: Man habe ihr nicht gesagt, welche
Informationen zu ihr genau auf der Liste standen, etwa ob ihre
Privatadresse dazu zählte.
Was die NSU-Listen angeht, gibt das BKA an, die Landeskriminalämter Ende
2011 über die vom NSU geführten Listen in Kenntnis gesetzt zu haben. Wie
viele von den Betroffenen dann auch wirklich informiert wurden, ist aber
nicht bekannt. Öffentlich geworden sind Fälle, in denen Betroffene damals
zwar Besuch von Beamten des polizeilichen Staatsschutzes bekommen haben,
allerdings ohne den Grund zu erfahren – erst aus Medienberichten erfuhren
sie später, dass sie auf der NSU-Liste standen.
Bei der Sammlung der Prepper gibt das BKA ebenfalls an, das Verzeichnis an
die Landesbehörden weitergegeben zu haben. Bislang ist aber kein einziger
Fall öffentlich geworden, in dem ein Betroffener informiert wurde. Möglich
ist, dass in der vom BKA erstellten und ebenfalls an die Länder
weitergegebenem Gefährdungsbewertung die Gefahr als so gering dargestellt
wurde, dass die Landesbehörden es nicht für nötig hielten, Betroffene zu
informieren.
Sind rechtsextreme Feindeslisten ein neues Phänomen?
Nein. Es gab auch immer wieder Fälle, in denen solche Listen von den
Neonazis selbst veröffentlicht werden. Das rechtsextreme Berliner Netzwerk
Nationaler Widerstand etwa veröffentlichte auf seiner Website bis 2011
immer wieder Namen von linken Personen und Institutionen. Eine ganze Reihe
von ihnen wurde zum Opfer rechtsextremer Anschläge.
1 Aug 2018
## LINKS
[1] /Potenzielle-Anschlagsliste-des-Franco-A/!5406580
[2] /Prepper-Szene-in-Deutschland/!5370717
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Rechtstextreme
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