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# taz.de -- Tom Cruise rettet weiterhin die Welt: Adrenalinspritze Nummer 6
> Welcher Tom Cruise ist der beste Tom Cruise? Reichlich
> Entscheidungsmaterial bietet „Mission: Impossible – Fallout“.
Bild: Da hängt er mal wieder im Hubschrauber irgendwo überm Meer: Tom Cruise …
Am Schluss von „Mission: Impossible – Fallout“, wenn die Welt für dieses
Mal wieder gerettet ist, bleibt eine entscheidende Frage offen: Wie viele
Filme werden sich noch rund um die Idee herum anlegen lassen, dass Tom
Cruise sich aus schwindelerregender Höhe in die Tiefe stürzt? „Fallout“ i…
diesbezüglich nicht nur der ultimative Titel für einen Tom-Cruise-Film, er
erreicht im Abfilmen des Cruise’schen Himmelfalls solche Höhen, dass eine
Steigerung fast schon nicht mehr wünschenswert erscheint. Obwohl …
Es begann vor 22 Jahren in einem weißen Raum, in dessen Mitte Cruise an
einem Seil hing, weil jeder Kontakt mit dem Boden einen Alarm auslösen
würde. Unvergessen die Schweißperle, die sich am Brillenrand bildete (und
herabzutropfen drohte), während Cruise nur Zentimeter über dem Boden seine
Balance zu halten versuchte. Brian de Palmas „Mission: Impossible“ von
1996, die Leinwandadaption der damals schon lang abgelaufenen
Fernsehserie, bildete samt seinem
Hubschrauber-verfolgt-Zug-im-Tunnel-Spektakel aber nur die Einstiegsdroge.
Vier Jahre später kam John Woos schwül-romantischer „Mission: Impossible
II“ und präsentierte mit seiner Auftaktszene erstmals einen legendären
Cruise-Stunt: Tom als Freeclimber an einem einsamen, sehr steilen Felsen.
Angeblich hielt Regisseur Woo es nicht aus, beim Dreh auch wirklich
hinzugucken. Was der Zuschauer wiederum in einem Woo-Film aushalten muss,
sind die fliegenden Tauben und die Zeitlupen: In einer der schönsten davon
wird ein Revolver aus dem Sand gekickt und landet in der Hand eines sich
umdrehenden Cruise, der damit den Bösewicht erschießt. Diese Art von
Eleganz hat das Franchise seither nicht mehr erreicht.
Auf „MI II“ folgte 2006 „MI III“ unter der Regie von J. J. Abrams, der …
Ganzen neuen Teamspirit einhauchte, indem er dem einsam gewordenen Helden
zusätzlich zu Ving Rhames’ treu-zynischem Luther noch Simon Peggs
hysterisch-scherzenden „Benji“ zur Seite stellte. Cruise sprang in einer
Sequenz zwischen chinesischen Hochhäusern hin und her, aber das war noch
nicht das wahre Ding (und angeblich im Studio vor Greenscreen gedreht).
Denn das kam dann 2011 mit „Phantom Protokoll“ (Regie: Brad Bird) und der
Szene, in der Tom Cruise außen an der Wand des höchsten Gebäudes der Welt
hängt, dem Burj Khalifa in Dubai.
## Ja, da hängt er, ohne Greenscreen oder Stunt-Double
Und ja, man sieht ihn da hängen, ohne Greenscreen oder Stunt-Double, und
der Schreck und der Thrill waren erst mal groß. So groß, dass Cruises
damalige Image-Probleme fast in Vergessenheit gerieten. So einschlägig,
dass noch die Einstiegsszene von „Rogue Nation“ (2015) dagegen verblasste,
und in der hängt Tom Cruise schließlich außen an der Tür eines startenden
Flugzeugs, das tatsächlich abhebt (ich hätte nicht der Pilot sein wollen).
„Fallout“ nun, der sechste Beitrag des Franchise und nach „Rogue Nation“
der zweite unter der Regie von Christopher McQuarrie, stellt den Zuschauer
gewissermaßen vor die Wahl: Welcher Tom Cruise ist der beste Tom Cruise?
Der Auto- und Motorradfahrer, der in waghalsigen Manövern seine Verfolger
hinter sich lässt? Der Helikopterflieger oder der Felsenkrabbler, der den
Bösewicht einfach nicht davonkommen lässt? Oder doch vielleicht Tom, der
rennt, wie es eben nur Tom kann, mit spitzen Ellenbogen das Tempo
steigernd?
„Fallout“ gibt dem Zuschauer reichlich Material an die Hand, um sich zu
entscheiden: Da gibt es eine großartige Verfolgungsjagd durch Paris, die in
einem Lieferwagen beginnt, dann auf einem Motorrad an den zentralen
Sehenswürdigkeiten vorbeiführt, einschließlich des Kreisverkehrs um den
Triumphbogen herum, und dann, fast beschaulich, in einem Boot in
unterirdischen Kanälen endet.
Es gibt einen Parcour-artigen Lauf durch London, mit dem besten Witz des
Films, als Simon Peggs Benji entdeckt, dass er Cruise statt durch die
Straßen der Stadt über die Dächer navigiert: „Oh sorry, I had you in 2D!“
Später hängt Cruise sich an das Ladeseil eines Hubschraubers, liefert sich
als Pilot mit seinem Widersacher ein Luftgefecht, klebt an Felsen, die wie
gehabt vertikal in die Tiefe führen – und er stürzt vom Himmel, aus 7.500
Meter Höhe herab, mit einem Fallschirm, Gott sei dank.
## Cruise, der letzte noch wirklich selbst arbeitende Filmstar
Dabei sind die Legenden um die Stunts das eine: Ja, Cruise hat sich den
Knöchel verletzt beim Über-die-Dächer-Hüpfen und ja, für die
Fallschirm-Sequenz ist er ganze 106 Mal aus dem Flugzeug gesprungen, mit
noch nicht ganz geheiltem Knöchel! Solche Geschichten bilden die
Nebenerzählung zum Franchise, mit der auf mittlerweile etwas nervende Weise
behauptet wird, dass Cruise der letzte noch wirklich selbst arbeitende
Filmstar sei, der für „unsere Unterhaltung“ sein Leben riskiert. (Wollen
wir hoffen, dass er das nicht wirklich tut.)
Viel wichtiger an den Cruise-Stunts ist aber das Ergebnis auf der Leinwand,
die primitive Tatsache, dass man den Schauspieler in all den Szenen
tatsächlich sieht. Für den Fallschirmsprung wurden eigens Helme entworfen,
die das Gesicht von Cruise erkennbar machen, damit sich die Mühe überhaupt
lohnt. Aus dieser Sichtbarkeit nämlich entsteht eine neue Qualität. Nicht,
dass so viel weniger getrickst wird in den „Mission: Impossible“-Filmen,
schließlich werden die ganzen Drähte und Netze, die Toms Leben versichern,
digital entfernt.
Die einzelnen Action-Szenen funktionieren anders, weil sie um Cruise’
Erkennbarkeit herumgebaut sind. Man weiß als Zuschauer: Tom war da, im
Verkehr am Triumphbogen, auf dem Dach von St. Paul’s, in der Luft in 7.000
Meter Höhe – und das verleiht den Bildern einen Sog, eine Unmittelbarkeit,
die kein noch so raffinierter Schnitt nachträglich herstellen kann.
## Mit dem Taxi nach Paris
Zum Erfolgsrezept gehört auch das paradoxe Moment, dass Cruise für seine
Figur des Agenten Ethan Hunt die Schauspielerei auf ein Minimum
zurückfährt. Hunt bleibt auch im sechsten Teil eine Leerstelle, fast ohne
eigene Persönlichkeit, reine Projektionsfigur für allerlei männliche
Tugenden, zu der auch die präpubertäre Vorstellung gehört, Frauen besser
von sich fernzuhalten, weil es in seiner Nähe zu gefährlich sei.
Mit der herausragenden Rebecca Ferguson als Spionin Ilsa Faust wurde dafür
die perfekte Gegenspielerin gefunden, weil sie im Schwanken zwischen „Femme
fatal“ und „Damsel in distress“ eine Autonomie ausstrahlt, die man
Frauenfiguren in Blockbustern erst seit Kurzem zugesteht.
Dass „Fallout“ dieser Tage einen kritischen Zuspruch erlebt, wie er für den
6. Teil einer Reihe selten ist, verdankt sich letztlich aber weniger dem
der Digitaleffekte überdrüssigen Zeitgeist als vielmehr der Sorgfalt, mit
der die Filmemacher hier Bewährtes mit Neuem, das Altmodische und das
Innovative verbinden.
Merkt man dem Film an, dass er um die Stunts herum geschrieben ist?
Jedenfalls nicht während des Films, denn da macht das eigene Adrenalin es
unmöglich, sich Dinge zu fragen wie, ob der Fallschirmsprung denn wirklich
sein muss. Wahrscheinlich hätte Cruise auch mit dem Taxi nach Paris fahren
können, aber wir würden ihn dabei kaum erkennen.
2 Aug 2018
## AUTOREN
Barbara Schweizerhof
## TAGS
Tom Cruise
Actionfilm
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Tom Cruise
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