| # taz.de -- British Invasion Revisited: Zwischen Beach Boys und Schubert | |
| > Die englische Band The Zombies spielt beim Wassermusik-Festival im Haus | |
| > der Kulturen der Welt ihr Meisterwerk „Odessey and Oracle“. | |
| Bild: Digital gesichert: Zombies-Sänger Colin Blunstone beim Konzert im HKW | |
| Dass man an diesem Sonntagabend auf der prachtvoll von der Sonne | |
| ausgeleuchteten Dachterrasse des Hauses der Kulturen der Welt (HKW) als | |
| Pausenmusik einige Beatles-Lieder hören durfte, liegt natürlich daran, | |
| dass man an den Beatles eben nicht vorbeikommt. Schon gar nicht beim | |
| diesjährigen Wassermusik-Festival. Das steht nämlich – mit Blick auf den | |
| Brexit – unter dem Motto „Goodbye UK – and Thank You for the Music“. | |
| Womit gleich die Fab Four im Spiel sind. Denn dass es da überhaupt ein | |
| Dankeschön in Richtung Großbritannien zu geben hat und man beim Pop immer | |
| auf die Insel schauen muss, das hat im Wesentlichen mit ihnen zu tun, mit | |
| der „Beatlemania“, in deren Folge schließlich auch die vielen anderen | |
| UK-Bands in den Frühsechzigern den maßgebenden US-amerikanischen Markt | |
| knackten. Die „British Invasion“ nannte man das. | |
| Davor war Großbritannien im Popkosmos eben so peripher wie, sagen wir mal, | |
| Deutschland. Also irrelevant. Und dann, fast aus dem Nichts und über Nacht, | |
| war das Vereinigte Königreich der Schrittmacher der Sixties mit dem | |
| Swinging London als Nabel der Popkultur. | |
| Zum Abschluss des ersten Wassermusik-Wochenendes stand nun eine Band der | |
| British Invasion auf der Bühne. Nicht die Beatles (die verhindert sind ohne | |
| John Lennon und George Harrison), nicht die Rolling Stones (die aber | |
| sowieso vor wenigen Wochen erst für ein Konzert in der Stadt weilten). Aber | |
| immerhin die Zombies. | |
| ## Erstaunlich wenig Doppelkinn | |
| Wobei man sich dieses „immerhin“ vielleicht sparen sollte, denn bei den | |
| Zombies hat man es keineswegs mit einer Zweite-Reihe-Band zu tun, nur weil | |
| sie nach ihrem ersten Hit „She’0s Not There“ aus dem Jahr 1964 eher | |
| übersehen wurde. 1968 löste sich die Gruppe erst einmal auf, wegen | |
| mangelnden Erfolgs – es musste wohl damit zu tun haben, dass es damals so | |
| eine Menge an eindrücklichen Liedern gab, dass man schlicht überhörte, wie | |
| toll die Lieder der Zombies sind. | |
| Eigentlich war der Auftritt am Sonntag ein Doppelkonzert der Zombies, die | |
| in den vergangenen Jahren immer mal wieder die Arbeit aufgenommen haben. Im | |
| ersten Teil präsentierten sie sich mit den den beiden Gründungsmitgliedern | |
| Rod Argent und Colin Blunstone als eine Rhythm-&-Blues-Band. Gespielt | |
| wurden neben den alten Songs auch ein paar neue Lieder, weil man halt nicht | |
| nur eine Oldieband sein will, die nur noch das alte Repertoire verwaltet. | |
| Rod Argent orgelte mit Feinsinn und Schmackes, Sänger Colin Blunstone | |
| zeigte sich stimmlich in beeindruckender Form. Das war alles schon sehr | |
| okay und mit erstaunlich wenig Doppelkinn, nicht nur musikalisch. Das | |
| machte dem Publikum Spaß – und augenscheinlich auch der Band. Eine | |
| gutgelaunte Musik, die allerdings wohl auch bei einer Fête de la Musique | |
| nicht sonderlich aufgefallen wäre. | |
| ## Die Feinsinnigkeiten des Beat | |
| Aber das war ja noch nicht alles. Das war nur das Aufwärmprogramm für das | |
| eigentliche Ereignis an diesem Abend auf der mit etlichen hundert Besuchern | |
| gut gefüllten Dachterrasse des HKW. Schließlich sollten die Zombies im | |
| zweiten Teil des Konzertes noch ihr Album „Odessey and Oracle“ spielen. Ihr | |
| Meisterwerk. 1968 ist es erschienen – und wurde damals schmählich überhört. | |
| Für dieses konzertante Reenactment (so muss man das schon nennen) kamen mit | |
| dem Schlagzeuger Hugh Grundy und dem Bassisten Chris White noch zwei | |
| weitere Originalmitglieder der Zombies auf die Bühne. Gespielt wurde das | |
| Album von A bis Z, alles von „Care of Cell 44“ weg bis zu dem | |
| abschließenden „Time of the Season“, und alles möglichst originalgetreu, | |
| wie man die Lieder eben auch auf Platte hören kann. | |
| Es sind Songs mit feinen Melodien, so wie sie damals sonst nur die Beach | |
| Boys und natürlich die Beatles hinbekommen haben, manche so bittersüß wie | |
| Schubert-Lieder. Da stand nicht mehr die durchaus rustikale | |
| Rhythm-&-Blues-Band auf der Bühne, da zeigten sich die ganzen | |
| Feinsinnigkeiten, die der Beat eben dazu im Programm hatte. | |
| ## Der Hüftschwung der Sixties | |
| Es war wunderbar. Es war anrührend. Gerade weil da im anspruchsvollen | |
| Satzgesang manches verrutschte bei den doch schon vom Alter angegriffenen | |
| Stimmen. Aber schließlich wurde auf der Bühne ja überhaupt keine | |
| jugendliche Frische behauptet, und im Publikum wusste man natürlich, dass | |
| London längst anders swingt. | |
| Dennoch gönnte man sich den Hüftschwung der Sixties. Was auch mit Respekt | |
| zu tun hat, so wie auch die Band respektvoll mit der eigenen Geschichte | |
| umging. Zum Beispiel würdigte man nachdrücklich das bereits verstorbene | |
| Bandmitglied Paul Atkinson. So etwas macht nicht jede Band. | |
| Und gleich am nächsten Wochenende hat man bei dem bis Mitte August | |
| dauernden Wassermusik-Festival eine weitere vielversprechende | |
| Geschichtsstunde – wenn das Werk von The Smiths gespielt wird nämlich. Und | |
| zwar von der Band Mexrrissey, die Morrissey samt Mariachi-Trompeten in die | |
| spanische Sprache überträgt. Weil Pop aus Großbritannien eine weltweite | |
| Angelegenheit ist. | |
| 30 Jul 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Mauch | |
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