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# taz.de -- Bauprojekt der katholischen Kirche: Skandal um Sankt Hedwig
> Das Erzbistum Berlin plant einen umstrittenen und teuren Umbau der
> St.-Hedwigs-Kathedrale in Mitte. Droht Berlin ein zweites Limburg?
Bild: Soll nach Umbau komplett anders aussehen: St. Hedwigs-Kathedrale in Berli…
Berlin taz | Wird Berlin das neue Limburg? Wir erinnern uns: Im hessischen
Limburg hatte der katholische Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst mit dem
Bau des dortigen Diözesanen Zentrums samt luxuriöser Bischofswohnung für
einen Skandal gesorgt, der den Kirchenmann 2014 sein Amt kostete. Die
Baukosten hatten sich mit über 30 Millionen Euro vervielfacht und die
bischöfliche Wohnung wurde selbst der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zum
„Denkmal eines blinden Ästhetizismus und maßloser Verschwendung“. Mit
Limburg geschah der katholischen Kirche in Deutschland ein großer
Imageschaden.
In Berlin plant das katholische Erzbistum nun ein ungleich größeres
Projekt, dessen Kosten schon vor Baubeginn auf rund 60 Millionen Euro
veranschlagt werden. Es handelt sich um Sanierung und Umbau der
St.-Hedwigs-Kathedrale in Mitte und den Neubau des noch aus DDR-Zeiten
stammenden Teils des Bernhard-Lichtenberg-Hauses direkt hinter der Kirche.
Zusammen mit einem benachbarten Altbau bildet das Gebäude-Ensemble das
sogenannte Kathedralforum.
Bereits seit März liegt dafür eine Genehmigung der Obersten
Denkmalschutzbehörde des Landes Berlin vor. Doch die Entscheidung von
Kultursenator Klaus Lederer (Linke) erfolgte entgegen dem Votum der eigenen
Fachbehörde. Das Landesdenkmalamt hatte sich gegen die Zerstörung der
Innengestaltung von St. Hedwig aus der Nachkriegszeit ausgesprochen, da die
vom Erzbistum Berlin geplante Neugestaltung der Kathedrale im Inneren eine
gesamte Zeitschicht vernichten würde.
Und nicht nur das: Mit Verschwinden des von Hans Schwippert 1963
vollendeten Modernismus im Innern der Kirche wäre auch ein Symbol für den
Selbstbehauptungswillen der katholischen Kirche in der DDR dahin.
Schwippert war im Übrigen Westdeutscher und Architekt des Bundestags in
Bonn. Der anmutige Modernismus in Pastellfarben bei St. Hedwig à la
Schwippert war also auch ein Bekenntnis der damaligen katholischen Kirche
zur Einheit Deutschlands.
## Kulturverwaltung sieht ihre Hände gebunden
Doch die geplante Neugestaltung der Kirche sei zwar „nicht nur für die
Berliner Denkmalpflege äußerst bedauerlich“, aber „aus
verfassungsrechtlichen Gründen hinzunehmen“, erklärte die
Senatskulturverwaltung. Das grundgesetzliche Recht der Kirche auf
Selbstbestimmung in Bezug auf „gottesdienstliche Belange“ wiege schwerer
als denkmalpflegerische Interessen.
Die angeführten „liturgischen Erfordernisse“, mit denen das Erzbistum seine
Umbaupläne begründet, haben Verfassungsrang und sind wegen der verbrieften
freien Religionsausübung nicht zu beanstanden. Eine „Nachprüfung auf
theologisch-dogmatische bzw. liturgische Richtigkeit“ sei den
Denkmalbehörden verwehrt, so die Senatskulturverwaltung.
Ob gottesdienstliche Notwendigkeiten nur vorgeschoben sind, bleibt
allerdings die Frage. Schließlich geht es dem Erzbistum nach eigenem
Bekunden mit St. Hedwig, die nicht nur „Hauptkirche des Erzbistums Berlin,
sondern zugleich für die ganze Katholische Kirche Deutschlands die zentrale
Kirche in der Bundeshauptstadt“ sei, um so etwas wie Repräsentation im
Sinne einer „Aufwertung des Ortes“.
## Plattenbau nicht mehr gefragt
Und hier kommt man doch dem Geist von Limburg gefährlich nahe. Das
Erzbistum möchte sich sozusagen nicht mehr in der Mode aus dürftiger alter
Zeit darstellen. Der Plattenbau-Teil des Bernhard-Lichtenberg-Hauses stammt
ja noch aus DDR-Tagen und ist dem Selbstverständnis der katholischen Kirche
im reichen Deutschland von heute offenbar nicht mehr angemessen.
Außerdem kann es sich das Erzbistum inzwischen leisten, viel Geld
auszugeben. Der Haushalt 2018 weist allein bei der Kirchensteuer Einnahmen
von knapp 146 Millionen Euro aus. Und das ist nur etwas mehr als die Hälfte
aller Einnahmen. Das Vermögen des Erzbistums gemäß seinem letzten
Jahresbericht von 2016 beläuft sich auf stolze 646 Millionen Euro. Die
Verhältnisse der katholischen Kirche im ehemaligen Ostteil Berlins haben
sich inzwischen nicht nur finanziell deutlich verändert.
Erzbischof Heiner Koch will offenbar eine bauliche Hauptstadtrepräsentanz,
die in der Bundeshauptstadt gegenüber ihren Nachbarn aus Staat und
Wirtschaft an Glanz nicht zurücksteht. Die nun geplante Neufassung von St.
Hedwig versinnbildlicht eine Haltung, mit der kargen Nachkriegszeit
abzuschließen.
## Geist der NS-Widerständler
Der neue Entwurf für St. Hedwig sieht deshalb vor, die vorhandene zentrale
Öffnung zur Unterkirche zu schließen. Schwippert hatte diese mit einer
Freitreppe versehene Verbindung zum Ort der hier versammelten Märtyrer
nicht umsonst ins Zentrum der Kirche gerückt. Die Kirche ruht hier
symbolisch auf den durch ihre Gebeine repräsentierten Geist der
Widerständler im Nationalsozialismus. Bernhard Lichtenberg ist wohl der
prominenteste von ihnen.
Der Domprobst von St. Hedwig hatte sich in der Nazi-Zeit öffentlich für
staatlich Verfolgte eingesetzt. 1941 wurde er von der Gestapo festgenommen.
1943 starb er auf dem Weg ins Konzentrationslager Dachau. Der Altar in der
Schwippert’schen Fassung reicht vom Zentralraum bis in die Unterkirche
hinab und schafft so symbolisch noch einmal eine Gründung auf diesem Geist
eines Bernhard Lichtenberg.
Die liturgischen Belange von heute wollen dagegen die Vergangenheit
buchstäblich unter dem Deckel halten. Die Öffnung zur Unterkirche soll
verschwinden, darüber wird der Altar gerückt, der dann im Zentrum der
ringsum versammelten Gemeinde stehen wird. Die vertikale Achse in der
geplanten Neufassung wird komplettiert durch eine verglaste Himmelsöffnung
über dem Altar in der Kuppel und dem – von der Oberkirche allerdings
unsichtbaren – Taufstein direkt unter dem Altar in der Unterkirche.
## Nicht protzig, aber zeitgeistig
Das alles mag liturgisch plausibel sein. Doch es ist dann eben ein neuer
und anderer Geist, der sich in St. Hedwig darstellen wird. Von der
ästhetischen Anmutung gar nicht einmal protzig (das war in Limburg auch
nicht das Problem), aber eben zeitgeistig. Dieser Geist der Zeit verbietet
es der katholischen Kirche in Deutschland offenbar, in Sack und Asche zu
gehen und wie der Papst im fernen Rom demonstrativ Sparsamkeit walten zu
lassen. Eine Renovierung der Schwippert’schen Gestaltung würde ja ungleich
billiger ausfallen als jene edel-minimalistische Neufassung, die jetzt ins
Auge gefasst wird.
Der Beschluss zur Auslöschung der Nachkriegsepoche in St. Hedwig wird
allerdings von massivem Protest sowohl von Denkmalschützern als auch von
katholischen Laien begleitet. Ändern wird das vermutlich nicht viel. In der
katholischen Kirche herrscht das Führerprinzip: Erzbischof Koch darf allein
entscheiden (oder bestenfalls mittels Zwiesprache im Gebet).
Der Skandal über die Entscheidung Kochs betrifft also nicht nur die
Zerstörung eines Denkmals und die Verschwendung von Geldern für
repräsentative Zwecke – darunter übrigens bislang auch Fördermittel von
Bund und Land in Höhe von zwölf bzw. acht Millionen Euro. Zudem gibt es
eine weitere dunkle Ahnung: Wer weiß in Berlin denn schon, wie teuer das
Bauen am Ende wirklich wird? Bei der benachbarten Staatsoper versickerten
immer neue Millionenbeträge buchstäblich im Berliner Sumpf.
Die Initiative „Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale“ aus Kritikern des
kirchlichen Bauprojekts spricht schon jetzt von „Limburg 2.0“. Ihr
Kommentar zur Causa St. Hedwig: „Ähnlich wie in Limburg haben die
zuständigen, milieubedingt obrigkeitsorientierten Gremien zugestimmt. Und
diese werden nach der zwangsläufigen Kostenexplosion von allem nichts
gewusst und geahnt haben.“ Als Baubeginn ist übrigens „Frühjahr bzw. Somm…
2019“ vorgesehen. Wann alles fertig wird, weiß Gott allein.
27 Jul 2018
## AUTOREN
Ronald Berg
## TAGS
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