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# taz.de -- Strandbäder in Berlin: Badestelle mit Problemen
> Seit zwei Jahren ist das Strandbad Tegel geschlossen. Eine Initiative
> bemüht sich um Genehmigung für Zwischennutzung. Aber das ist nicht so
> einfach.
Bild: Nur noch das Gerippe der Rutsche steht im See
Der 222er-Bus hält in der Spechtstraße, dahinter warten geduldig SUVs,
Mercedessterne und ein Porsche. Im Blick eine Tankstelle, ein Imbiss, ein
Nahkauf, ein Café. Kleine Straßen, benannt nach anderen Vögeln, führen
durch ein gepflegtes Villenviertel bis an den Waldrand. Ab da, unter
Kiefern hindurch einen sandigen Pfad entlang, ist in vielleicht zwanzig
Minuten ein Waldparkplatz zu erreichen. Die Forstbetriebe haben die
Stellfläche reduziert, kaum jemand braucht sie hier.
Ein geschlossenes blaues Gittertor ist das Ziel. „Strandbad Tegel“ steht
darauf. Durch die teils wuchernde Buchenhecke am stacheldrahtbewehrten Zaun
ist der gepflegte Rasen zu sehen. Verlassene, aber nicht völlig
verwahrloste Wirtschaftsgebäude stehen da, der Tegeler See glänzt. Eine
Wasserrutsche wartet auf Besucher. Das Bad ist bereits im zweiten Jahr
geschlossen.
Das will eine Bürgerinitiative ändern. „I love Tegel“ heißt der Verein, …
sogar konkrete Vorschläge für die Öffnung hat, aber bislang keine
Genehmigungen. Eine Zwischennutzung ist angestrebt, bis es einen neuen
Pächter gibt. Die Sache ist allerdings kompliziert, das Areal liegt im
Wasserschutzgebiet. In der vergangenen Woche traf sich der Sprecher der
Initiative, Felix Schönebeck, mit Andreas Scholz-Fleischmann, Vorstand der
Bäderbetriebe, um die Bedingungen für eine kurzfristige Öffnung zu
diskutieren. Presse war zu dem Gespräch gleich mit eingeladen.
Der 28-jährige Schönebeck, eloquent und sachkundig, war sichtlich zufrieden
mit dem Treffen auf höchster Ebene. Überraschend war der Zugang jedoch
kaum. Schönebeck ist Bezirksverordneter der CDU. Sein Verein und die
Initiative werden unter anderem vom Bezirksbürgermeister Frank Balzer und
dem Reinickendorfer Bundestagsabgeordneten Frank Steffel (beide ebenfalls
CDU) unterstützt.
## Zu wenige Besucher
Ein knappes Dutzend Strandbäder gehört zum Bestand der Berliner
Bäderbetriebe. Bis auf das touristische Aushängeschild Wannsee sind alle
verpachtet. Scholz-Fleischmann erklärt mit süffisantem Grinsen: „Pächter
können ihre Leute auch mal nach Hause schicken, wenn das Wetter schlecht
ist.“ Der Landesbetrieb hingegen ist an ein Mindestmaß tariflicher
Absicherung gebunden. Selbst die unternehmerischen Freiheiten privater
Pächter jedoch ermöglichen derzeit offenbar keinen wirtschaftlichen Betrieb
des Strandbads Tegel. Zu wenige Besucher und mit fünf Jahren eine zu kurze
Laufzeit der Pachtverträge rechnen sich schlicht nicht.
Der Investitionsbedarf an Grundstück und Gebäuden geht in die Millionen.
Dabei geht es nicht nur um Schönheitsreparaturen, sondern auch um Auflagen
der Senatsverwaltung für Umwelt: Im Wasserschutzgebiet müssten zum Beispiel
die Abwasserrohre mit einer Doppelwand ausgerüstet sein. Bis 2016 hatte der
Senat jährlich eine Ausnahmegenehmigung für den Betrieb erteilt. Matthias
Tang, Sprecher der zuständigen Verwaltung, betont gegenüber der taz, dass
diese Genehmigung nur unter der Maßgabe erteilt wurde, dass die
umweltgerechte Sanierung erfolgen würde. Der Aufsichtsrat der Bäderbetriebe
entschied sich jedoch dagegen. Seit dem Ende der Saison 2016 bleibt das
blaue Tor deshalb geschlossen.
Im Gespräch mit Schönebeck führt Scholz-Fleischmann aus, dass während des
Ausnahmebetriebs lediglich an zwei Tagen mehr als Tausend Gäste das Bad
besucht hätten. Das klingt erst einmal viel, ist im Vergleich zu anderen
Objekten, die mindestens die dreifache Besucherzahl anziehen, aber
entschieden zu wenig, um den aufwendigen Betrieb als Strandbad zu
rechtfertigen. Nicht zuletzt das Vorhalten von Rettungsschwimmern
verursacht Kosten, die unabhängig von der Besucherzahl zu begleichen sind.
## Eine Frage der Haftung
Als reine Badestelle können die Bäderbetriebe das Bad nicht öffnen. Als
Eigentümer der Liegenschaft gibt es kaum einen Weg, der Haftung bei
Badeunfällen oder Wasserverschmutzung aus dem Weg zu gehen. Ob eine
Bürgerinitiative in eigener Verantwortung mit weniger drastischen Auflagen,
gegebenenfalls auch ohne Eintritt, den Strand wieder zugänglich machen
könnte, ist unklar. Felix Schönebeck wird es versuchen und bei der
Senatsverwaltung für Umwelt entsprechende Anträge stellen.
Die gibt sich derweil salomonisch. „Neue Anträge bedeuten neue Prüfungen“,
erklärt Matthias Tang. Die Bäderbetriebe schauen derweil in die Zukunft.
Die Pacht für das Strandbad wird über die Berliner Immobilienmanagement
GmbH neu ausgeschrieben, mit längerer Laufzeit, in der Hoffnung, dass damit
die Wirtschaftlichkeitsrechnung für potenzielle Pächter besser aussieht.
Ob bis dahin das Konzept Schönebecks eine Chance hat, steht in den Sternen.
Verlieren kann der junge CDU-Politiker hier kaum. Klappt eine
Zwischennutzung, ist er der strahlende Gewinner, klappt es nicht, sind die
Bäderbetriebe schuld oder der rot-rot-grüne Senat, nicht jedoch seine
Förderer im Bezirksverband Reinickendorf der CDU.
Und wer so lange in Tegelort das Baden nicht lassen will, geht einfach
einen Steinwurf neben dem geschlossenen Strandbad an den sogenannten
Arbeiterstrand – auch ohne Gastronomie und Rettungsschwimmer, dafür aber
mit einem Toilettencontainer.
23 Jul 2018
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
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