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# taz.de -- Umarmung auf dem EU-Gipfel in Brüssel: Wer ist der Mann, der Merke…
> Nach der Einigung über die Flüchtlingspolitik fällt die Kanzlerin einem
> unscheinbaren Brillenträger in die Arme. Was will der Kerl?
Bild: Pragmatischer Merkelfan mit konservativem Zuschnitt und gepunkteter Krawa…
Stockholm taz | „Merkel happy“ ist ein kurzes Video vom EU-Gipfel in
Brüssel betitelt, das ein ZDF-Korrspondent am Freitagmorgen [1][getwittert
hat]. Es zeigt die Kanzlerin, wie sie [2][nach der nächtlichen Einigung
über die Flüchtlingspolitik] von einem Mann aufs Herzlichste gedrückt wird.
Kurz lehnt sie sich an seine Schulter. Aber wer ist der Merkelfan mit der
auffälligen Brille?
Es ist Juha Sipilä, Ministerpräsident von Finnland. Er schätzt Angela
Merkel schon seit längerem. „Eine der weltweit einflussreichsten Personen“
nannte er die deutsche Bundeskanzlerin, als er ihr im Dezember als erster
Preisträgerin den von seiner Regierung neu gestifteten „Gender Equality
Prize“ verlieh: „Ein Vorbild für viele Frauen und Mädchen.“
Und auch Merkel schätzt den „lieben Juha“, wie sie ihn im letzten Jahr bei
einem Besuch in Berlin begrüßte: Denn international und auf EU-Ebene
kämpften seine und ihre Regierung traditionell für „gemeinsame Lösungen“.
Allzu schwer dürfte es Sipilä nicht gefallen sein, die in Brüssel
getroffenen Vereinbarungen mitzutragen. Anders als 2015, als mehr als
30.000 Asylsuchende nach Finnland gekommen waren, beherrscht das
Flüchtlingsthema nicht mehr die politische Tagesordnung des Landes. Was zum
einen an den bloßen Zahlen liegt: Nur noch 2.100 Asylsuchende waren 2017
ins Land gekommen.
Zum anderen wurden Aslyrecht und -praxis in den Jahren der Regierung Sipilä
so verschärft, dass sogar die rechtspopulistische „Blaue Zukunft“, eine
Abspaltung der „Wahren Finnen“, die in Sipiläs Koalitionsregierung
eingehen, damit zufrieden ist.
## Ein Pragmatiker durch und durch
Nicht umsonst hat der 57-jährige den Ruf, ein ausgesprochener Pragmatiker
zu sein. Außerhalb seiner liberal-konservativen Zentrumspartei hatte ihn
kaum jermand gekannt, als er – gerade ein Jahr im Parlament und ohne
längere Erfahrung in der Politik – 2012 überraschend zu deren
Parteivorsitzenden gewählt wurde.
Drei Jahre später führte er das Zentrum zum Wahlsieg und bildete eine
Regierungskoalition, die neben der konservativen Sammlungspartei erstmals
die Rechtspopulisten einschloss. Ideologische Unterschiede seien doch eher
zweitrangig, betonte er – „wir haben schon vergessen, welchen Parteien wir
angehören“ – und kündigte an, Finnland wie ein Unternehmen führen zu
wollen.
Darin hat er Erfahrung. Bereits mit 35 Jahren war der studierte Ingenieur
dank erfolgreicher IT-Geschäfte Multimillionär geworden und engagierte sich
auch in grüner Energieerzeugung. Auslöser war die Rechnung des
Elektrizitätsversorgers, der für den Stromanschluss seines Freizeithauses
ans nationale Netz 70.000 Euro haben wollte – mehr als das Haus gekostet
hatte. Worauf Sipilä sich ein eigenes Holzgaskraftwerk bauen ließ, das dann
gleich einen ganzen Ortsteil autark von der zentralen Stromversorgung
machte.
## Grüne Arbeitsplätze und Atomkraft
Dezentralisierung sei die Zukunft, verkündete der bei den strenggläubigen
lutherischen Laestadianern aktive Sipilä damals: Finnland könne mit
ähnlichen Projekten 200.000 „grüne Arbeitsplätze“ schaffen. Dass er
gleichzeitig auch das umstrittene Mamutprojekt eines AKW-Neubaus oder die
Umwelt zerstörende Minenprojekte unterstützt – darin sieht er keinen
Widerspruch. Sie bringen ja auch Arbeitsplätze.
Bei den FinnInnen kann Sipilä damit punkten, dass er als bodenständig gilt
und recht sympathisch über die Mattscheibe kommt. Und falls er im kommenden
Jahr nicht wiedergewählt werden sollte? „Dann verabschiede ich mich wieder
aus der Politik und tüfftle weiter am Holzvergaser meines Pick-up herum.“
29 Jun 2018
## LINKS
[1] https://twitter.com/StefanLeifert/status/1012610912182849536
[2] /EU-Gipfel-zum-Umgang-mit-Fluechtlingen/!5516971/
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Schwerpunkt Angela Merkel
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Schwerpunkt Flucht
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