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# taz.de -- Entschädigungen für Reisende: Immer mehr Flugausfälle
> Etliche Airlines lassen ihre Passagiere am Flughafen stranden. Doch beim
> Thema Entschädigungen schalten viele Firmen auf stur.
Bild: Nach Flugausfällen versuchen die Airlines immer wieder, die Ansprüche v…
Zürich, am vergangenen Sonntagabend: Der Berliner Arzt Matthias Roggen
steht im Flughafen vor dem „Ticket Point“ in der Nähe des Check-in 2. Die
Airline Easy Jet hat seinen Rückflug um 21.10 Uhr annulliert, einen
Ersatzflug der Linie gibt es an diesem Tag nicht mehr. Doch der Anästhesist
muss am nächsten Morgen im Krankenhaus sein, viele Operationen stehen auf
seinem Arbeitsplan. Kurzerhand bucht er um – für stolze 260 Franken. „Das
Geld hole ich mir zurück“, sagt er.
Das ist kein Einzelfall. Zwischen dem 1. Januar und dem 20. Juni 2018 sind
insgesamt 15.571 Flüge von, innerhalb oder nach Deutschland ausgefallen. Im
Vorjahr waren es im gleichen Zeitraum 8.826. Die Zahlen stammen von
EUClaims, einem Internetportal, dessen Geschäftsmodell das Eintreiben von
Entschädigungen für Fluggäste ist. Das Unternehmen beobachtet den Markt
genau, die Airlines selbst wollen keine Zahlen herausgeben. [1][Alleine der
Lufthansa-Ableger Eurowings hat EU-Claims zufolge 2.609 Flüge annulliert],
nach 200 im Vorjahr.
Die Zahl der Flüge hat sich in diesem Zeitraum verdreifacht, die der
Ausfälle mehr als verzehnfacht. Airlines schieben die vielen Annullierungen
vor allem auf fehlende Kapazitäten der Flugsicherung, die schlechte
Infrastruktur und immer wieder aufs Wetter. Oft haben sie aber einfach
nicht genug Vorkehrungen getroffen, um einen Ausfall zu verhindern, etwa
nicht genug Personal im Einsatz. Der Konkurrenzkampf in der Branche ist
hart, deshalb versuchen die Airlines die Kosten zu drücken.
Die Annullierungswelle ist auch eine Folge der Pleite von Air Berlin im
vergangenen Jahr. Das räumt Euro-Wings-Chef Thorsten Dirks in einem Brief
an Kunden ein. Lufthansa und Easy Jet haben Lande- und Startrechte von Air
Berlin übernommen – und sich dabei offenbar überhoben. „Durch den
sukzessiven Zulauf weiterer Flugzeuge erwarten wir einen wieder
zuverlässigeren Flugbetrieb. Der aufwendige Transfer früherer
Air-Berlin-Flugzeuge wird Ende Juli abgeschlossen sein“, kündigt Dirks an.
Easy Jet antwortete auf taz-Anfrage nicht.
## Eng getaktet
[2][Wird ein Flug annulliert, muss die Airline für zeitnahen Ersatz sorgen
oder den Ticketpreis erstatten.] Ist keine höhere Gewalt wie Unwetter oder
Streiks die Ursache für den Ausfall, haben Passagiere außerdem Anspruch von
Entschädigungen zwischen 250 Euro und 600 Euro, das hängt von der
Entfernung ab. Gibt es erst am nächsten Tag einen Ersatzflug, muss die
Linie ein Hotel zahlen. Bei Billigfliegern gibt es aber oft keine
Ansprechpartner vor Ort. Dann muss der Kunde versuchen, per Mail oder
Telefon Kontakt aufzunehmen.
„Oft meldet sich aber niemand“, sagt Sabine Fischer-Volk von der
Verbraucherzentrale Brandenburg. Dann bleibt Passagieren nichts anders
übrig, als sich selbst um ein Hotel zu kümmern und die Kosten von der
Fluglinie zurückzuholen.
Doch das ist nicht ganz einfach, denn die Airlines versuchen immer wieder,
die Ansprüche von Reisenden abzuwimmeln, [3][berichten
Verbraucherschützer]. Vor allem wenn es um Entschädigungen geht, versuchen
Fluglinien Forderungen abzuwehren. Entschädigungen gibt es zusätzlich zu
Ticketpreisrückerstattungen – aber eben nur, wenn der Flug nicht wegen
„höherer Gewalt“ wie Streik oder Unwetter ausgefallen ist. Auf höhere
Gewalt berufen sich Airlines aber gerne auch dann, wenn sie gar nicht
vorliegt. Für Reisende ist es schwer einzuschätzen, ob das stimmt oder
nicht.
Denn die Flugpläne sind so eng getaktet, dass Probleme an einem Ort zu
Ausfällen an einem anderen führen. „Gerade im Sommer versuchen die
Airlines, die Kapazitäten bis auf die letzte Maschine auszureizen“, sagt
Rebecca Tackenberg von EUClaim. Startet der Flieger wegen eines Unwetters
in Köln nicht, kann das in Berlin zu Ausfällen führen. Ob dann eine
Entschädigung fällig ist, hängt vom Einzelfall ab.
## Hohe Provisionen
Bei spezialisierten Internetanbietern können Reisende nach einer
Annullierung oder einer Verspätung kostenlos prüfen, ob sie einen Anspruch
auf eine Entschädigung haben – das Eintreiben der Forderung kostet aber.
Das geht zum Beispiel bei EUClaim, Flightright, fairplan oder
flug-erstattung. Die Reiserechtsexperten haben umfangreiche Datenbanken mit
Informationen über Flüge, das Wetter oder Streiks. Auch Matthias Roggen hat
schon einmal darüber sein Geld eingetrieben. „Das hat vier Monate
gedauert“, berichtet er. Und es hat fast 30 Prozent der Entschädigungssumme
gekostet.
Die Portale nehmen hohe Provisionen, das ist ihr Geschäftsmodell.
Verbraucherschützer raten, es erst bei der Fluglinie direkt zu versuchen
und bei einer Weigerung oder ausbleibenden Reaktion die Schlichtungsstelle
für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) anzurufen. Auch darüber können
Reisende an ihr Geld kommen, und zwar kostenfrei.
Matthias Roggen wird sich nach seinem Erlebnis in Zürich direkt an Easy Jet
wenden. „Nachdem ich einmal gute Erfahrungen mit einer Fluggesellschaft
gemacht habe und die Erstattung unkompliziert war, probiere ich es diesmal
bei der Airline direkt“, sagt er.
27 Jun 2018
## LINKS
[1] http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/eurowings-flugausfaelle-verzeh…
[2] /!5313161&s/
[3] /!5456447&s/
## AUTOREN
Anja Krüger
## TAGS
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