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# taz.de -- Die Wahrheit: Not kostet Tod, Welle erobert Bars
> Sprachkritik: Journalisten geben die Widersprüchlichkeit der Wirklichkeit
> wieder – oder versuchen es zumindest recht bemüht.
Bild: Sprache durchbohrt so manchem Journalisten den Verstand
Die wichtigste Sprachnorm ist Verständlichkeit, ausgenommen in der
Wissenschaft. Und in der Lyrik. Sowie im Journalismus! „Der Film ist immer
wieder von schimmernden Begebenheiten durchsetzt“, verkündet die taz,
stottert: „Stromversorger sorgen Rechnungen“, und lallt von der
„Neuerfindung des Kaffeehauses als Pauschalierung für den
gesellschaftskritischen Teil der tschechischen Bevölkerung“.
Statt Kaffeehaus versteht man eher Bahnhof. Vielleicht ahnt man, was
gemeint ist; doch wenn die taz mäkelt: „Die Beckett-Inszenierung auf der
Dercon-Waagschale bringt im Vergleich zu Castorf nicht viel auf“, dann wird
es desto unklarer, je genauer man nachspürt. Besonders unklar wird es, wenn
der Nachricht ein Foto beigefügt ist mit der Bildunterschrift: „Clarence
Green vor seiner baptistischen Kirche in Greenville. Dort wurde gelegt“. Es
hilft dem Betrachter nicht unbedingt auf die Sprünge, dass eine Kirche weit
und breit nicht zu sehen ist.
Sprünge macht stattdessen die Grammatik. In einem Prospekt wird ein Buch
über Karl May gelobt, weil es zeigt, „wie er kolportierte Abenteuer zu
fantastischen Geschichten beflügelte“. Den einen taz-Kritiker beflügelt
seine fantastische Vorstellungskraft zu der Feststellung, ein Film habe
„die für Regisseur Burton so charakteristische Mischung aus süßlichen
Oberflächen mit dunklen Ausläufern“; der andere weiß, dass ein „Film als
sauertöpfischer Platzanweiser“ daherkommt – als wenn es für diese Aufgabe
nicht Sprachglossen gäbe!
Darum jetzt mal Lob, damit es nicht zu sauertöpfisch wird. Eine wesentliche
Aufgabe der Medien ist es, die widersprüchliche Wirklichkeit abzubilden.
Genau das können Journalisten „in der Regel immer“: unmerklich, wenn etwas
„gesichert scheint“ und „wohl gewiss“ der Fall ist; bemerkbarer, wenn d…
taz mitteilt, dass ein Fußballprofi „trotz mancher Nachlässigkeiten“ als
„absolut zuverlässiger Ersatzmann“ gilt. Warum auch nicht! Besonders im
Sport geht es ja „immer nie“ logisch und folgerichtig zu: „Nicht nur die
Niederlande werden bei diesem Turnier vermisst, auch das Fehlen anderer
Europameister der jüngeren Fußballhistorie, Griechenland oder Dänemark,
fällt nicht auf.“
## Am Boden zerstört
Nach so vielen taz-Zitaten auch mal „eins für euch“ Kinder, die singende
Madonna betreffend: „Sie sei am Boden zerstört, aber es gehe ihr nicht gut
genug, um aufzutreten“, meldet euer Fernsehsender One.
Gegensätze prägen die Welt, antagonistische treiben die geschichtliche
Entwicklung voran, was man seit Hegel und Marx weiß. Die Presse weiß es
auch: „Anand gilt sicher nicht als großer Open-Spezialist“, weiß
de.chessbase.com und setzt unter das Foto des Schachexweltmeisters die
Unterschrift: „Open-Spezialist Anand“. Genauso gut kann es das Göttinger
Tageblatt. Es stellt fest: „Nach der Welle um Craftbiere und verschiedene
Gin-Sorten erobert nun Korn die Szenebars.“ Untertitel des Beitrags: „Das
Traditionsgetränk Korn gilt in Szenebars als verpönt“.
## Alles ist richtig, auch das Gegenteil
Recht so! Denn die einen sagen so, die anderen so, und Journalisten müssen
so schreiben, um die Wirklichkeit wiederzugeben. Zu berücksichtigen ist
nur, dass die Medienwirklichkeit nicht immer die draußen ist. „Sicher
erscheinen Flüge ohne Ozean im Weg vermeidbarer als Inlandsflüge“, glaubt
die ökologisch tickende taz; ökonomisch ist sie nicht minder im Bilde: „Die
USA sind die größten Gläubiger der Volksrepublik China“ – alles ist
richtig, auch das Gegenteil, hat schon Kurt Tucholsky gesagt! Folglich
blickt 3sat auf die neunziger Jahre in Nordkorea zurück und berichtet über
die „Hungersnot, die Hunderttausenden den Tod kostete“. Wozu also
seinerzeit die Aufregung? Hunderttausende Nordkoreaner sind seither
unsterblich!
Zugegeben, über Nordkorea weiß niemand wirklich Bescheid. Aber genau
genommen gilt das für den Rest der Welt ebenso. Die Lage ist unklar, selbst
in Deutschland: „Die Verlagerung des politischen Diskurses auf die
Identität gehört zur Eroberung der rechten Hegemonie“ – sehr schön
formuliert, aber wer erobert wen oder wird erobert? Ist wurscht, will die
taz durch die Blume sagen, weil das Identitätsgeschwurbel sowieso
reaktionär ist. Damit liegt sie richtig.
Zwar liegt sie nicht jedes Mal richtig: etwa wenn ihr zufolge der Autor
eines Films, der von Anders Breiviks Massenmord an den Jugendlichen eines
sozialdemokratischen Ferienlagers handelt, „einen Vater des Massakers von
Otøya befragt“ – indes, auf diese Formulierung muss man erst einmal kommen,
ein Lob also für kreative Sprache! Außerdem weiß man doch, wie es gemeint
ist!
Und das wissen wahrscheinlich sicher und in der Regel immer auch zum
größten Teil alle Leser dieser Glosse.
20 Jun 2018
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Sprache
Kritik
Medien
Sprachkritik
Schwerpunkt Angela Merkel
Heimat
Sicherheitsgesetz
Elmar Brok
Donald Trump
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