# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Immer was zu meckern und zu hoffen | |
> Es gibt Leute in der Ökoszene, die haben es sich in ihrer privaten | |
> Apokalpyse bequem gemacht. Wehe, man kommt ihnen mit etwas Zuversicht. | |
Bild: Monster-Erfolg: Biblis wird irgendwann zur grünen Wiese | |
Sonntagabend, Kino Moviemento 2, Berlin-Kreuzberg. Das Licht geht an, der | |
Film ist aus. „Guardians oft he Earth“ hat uns vor Augen geführt, wie | |
heikel, ermüdend und erhebend es sein kann, die Welt zu retten. Die | |
Dokumentation des Regisseurs Filip Antoni Malinowski zeigt, wie hinter den | |
Kulissen das Pariser Abkommen zum Klimaschutz zustande kam: Wie Öl- und | |
Kohlestaaten alles bremsten, wie der Konferenzpräsident Laurent Fabius die | |
Fäden zog, wie sich die Inselstaaten völlig überraschend ihr Ziel | |
durchsetzten, den Klimawandel auf 1,5 Grad beschränken zu wollen. Es ist | |
ein optimistischer Film, zumindest teilweise. Der Untertitel: „Als wir | |
entschieden, die Erde zu retten.“ | |
Es folgt: Die Diskussion mit Experten und Publikum. Tenor: Alles Mist. | |
Klimaschutz? „Steht alles nur auf dem Papier“, „in der Realität hat sich | |
nichts getan“, „die Versprechen gebrochen“ und Trump hat sowieso den | |
Stecker gezogen. | |
Die dunkle Wolke der Depression in Kino 2 wird so dicht, dass ich zusehe, | |
wie mein Arm sich zu einer Wortmeldung hebt. Und ich mir erstaunt zuhöre, | |
wie ich vor „typisch deutschem Pessimismus“ warne. Das Abkommen sei ein | |
historischer Erfolg, wenn auch nicht ausreichend, und bei den Investoren in | |
der Realwirtschaft sehr wohl angekommen. | |
Das Publikum hört das nicht gern. „Wir sind keine Kinder, uns kann man | |
Realismus zumuten“, sagt jemand. Und zischt mir beim Rausgehen zu: „Das war | |
ja mal wieder ganz schwach von der taz“. | |
## Linke und Ökos reden ihre Erfolge gern klein | |
Tja. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich mal gegenüber einem | |
Öko-Publikum die Kapitalinteressen als Fortschritt preisen würde. Aber ich | |
hätte auch nicht vermutet, wie hartnäckig sich die Kreuzberger Mischung | |
dieses Abends an ihre selbstgeschneiderte Vorstellung der Apokalypse | |
klammert. | |
Linke und Ökos sind traditionell ganz groß darin, ihre Erfolge | |
kleinzureden. Kein Wunder. Es gibt ja immer was zu meckern. Selbst | |
Etappensiege werden nicht gefeiert, weil die Gesamtrettung der Gesamtwelt | |
noch auf sich warten lässt. Atomausstieg? Zu langsam. Revolution der | |
Erneuerbaren? Da fehlt ein Masterplan. Mülltrennung? Deutsche Spießigkeit. | |
Luft wird sauberer? Diesel stinken immer noch. Badeseen haben gutes Wasser? | |
Trinken kann man es trotzdem nicht. | |
Wir Journalisten sind kräftig dabei. Immer auf der Suche nach dem Haar in | |
der Suppe. Und es ist schwer, die Balance zwischen Realismus und | |
Pessimismus zu halten. Eine aktuelle Studie in „Nature Energy“ argumentiert | |
etwa, dass das 1,5-Grad-Ziel, das inzwischen als praktisch unmöglich gilt, | |
durchaus machbar wäre: Wenn sich nur in großem Stil hocheffiziente | |
E-Mobile, neue Smartphones und „Teilen statt Herrschen“ bei Autos und | |
Geräten durchsetze. Was machen wir mit so einer Meldung? Ist das nun | |
unrealistischer Optimismus oder sind wir visionslose Pessimisten, die sich | |
dem „Yes, we can!“ verweigern? Hat es schon mal eine Revolution gegeben | |
ohne die Hoffnung auf eine bessere Welt? | |
Zu Beginn der Öko- und Friedensbewegung hieß es oft: „In diese Welt kann | |
man keine Kinder setzen!“. Schaue ich mich heute um, haben sich viele | |
Umweltbewusste daran nicht gehalten. Ab und zu tut eine leicht rosa getönte | |
Brille offenbar ganz gut. | |
Man muss es ja nicht so plump machen wie letztens der EU-Klimakommissar | |
Miguel Canete: Bei der Vorstellung der neuen Klimaschutzmaßnahmen im | |
Verkehr sagte er: „Manche werden finden, das Glas ist halb voll, andere | |
werden sagen: halb leer.“ Und er hob sein Wasserglas. Das war höchstens zu | |
20 Prozent gefüllt. | |
9 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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