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# taz.de -- G7 und Schwangerschaftsabbrüche: Trump knebelt Beratung weltweit
> Die USA entziehen Entwicklungsprojekten Geld, wenn sie über Abtreibung
> aufklären. Das trifft am Ende auch die anderen G7-Staaten.
Bild: Oxfam-Aktivisten als Trump, Trudeau, Macron & Co. maskiert
Berlin taz | Ein Streit entzweit die G7 – und es ist nicht der um die
Strafzölle. Es geht um Frauenrechte. Beim Gipfel der sieben führenden
Wirtschaftsmächte ab Freitag im kanadischen La Malbaie sind sich die
Staaten zutiefst uneins, wenn es um die Frage geht, ob Frauen über ihren
Körper entscheiden und Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen haben
sollen.
Auch hier sind es die USA, die spalten. US-Präsident Donald Trump hatte
bereits an seinem ersten Tag im Amt die sogenannte „Mexico City Policy“
wiedereingeführt. Demnach dürfen keine Finanzmittel des Bundes an
internationale Nichtregierungsorganisationen gehen, die Abtreibungen
vornehmen oder auch nur Informationen darüber zur Verfügung stellen.
Die USA sind mit Abstand der größte Geber von Entwicklungshilfe – wenn die
Vereinigten Staaten ihr Vergabeverhalten ändern, müssen sich
Hilfsorganisationen und Behörden überall auf der Welt zwangsläufig damit
befassen – auch das deutsche Bundesentwicklungsministerium (BMZ).
Es seien „einige Partner des BMZ betroffen“, erklärte ein Sprecher des
Ministeriums der taz. „Wir stehen mit diesen Organisationen zu den
Auswirkungen der Mexico City Policy in engem Kontakt.“
Eine dieser Partnerinnen ist die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW),
eine NGO, die sich mit Gesundheitsfragen in der Entwicklungszusammenarbeit
beschäftigt, insbesondere in sexueller Hinsicht und was „reproduktive
Gesundheit und Rechte“ angeht. Mit dem sperrigen Begriff wird etwa die
Möglichkeit bezeichnet, über die individuelle Familienplanung zu
entscheiden. Die NGO bietet selbst keine Abtreibungen an, sie informiert
nur und klärt auf. Genau das wurde ihr nun in Kenia zum Verhängnis, wo die
Stiftung in drei Projekten gemeinsam mit anderen NGOs etwa mit Aids-Waisen
arbeitete.
## „Perversion der Politik“
Hätte die DSW ihren Vertrag in Kenia verlängern und so wieder Zuschüsse bei
der US-Entwicklungsbehörde USAID beantragen wollen, hätte sie unterzeichnen
müssen, nicht nur keinerlei Aufklärung in Kenia zu leisten, sondern das
auch in allen anderen Projekten und Vorhaben, sagt DSW-Geschäftsführerin
Renate Bähr. „Wir hätten unsere feste Überzeugung verleugnen müssen, wenn
wir das unterschrieben hätten“, sagt sie. Die Mexico City Policy wird nicht
ohne Grund auch „Global gag rule“ genannt – sie beinhaltet nämlich eine …
Diskussions- oder Sprechverbot.
„Wir dürften dann etwa in Äthiopien, wo Schwangerschaftsabbrüche legal
sind, junge Frauen in Notsituationen nicht einmal darüber informieren“,
sagt Andreas Hübers, der bei der DSW die internationale politische Arbeit
leitet. Politisch hätte die Organisation sogar überhaupt nicht mehr für
sichere Schwangerschaftsabbrüche eintreten können.
Konkret bedeutet das nun für die DSW, dass sie auf 620.000 US-Dollar von
USAID verzichten muss, die sie als Budget für die kenianischen Projekte
eingeplant hatte. Als klar wurde, dass diese Gelder nicht kommen, hat die
Stiftung ihre Aktivitäten zurückgefahren. Sie bleibt nach eigenen Angaben
aber auf einer 180.000 US-Dollar großen Finanzierungslücke sitzen – wegen
längerfristiger Verpflichtungen, etwa für MitarbeiterInnen, die sie
bezahlen musste.
Unter Entwicklungs- und GesundheitsexpertInnen ist es gängige Meinung, dass
die Mexico City Policy kontraproduktiv ist. Auch Renate Bähr sagt: „Das ist
die Perversion dieser Politik: Schwangerschaftsabbrüche, die ja bekämpft
werden sollen, werden nicht weniger, aber sie werden immer mehr in die
Illegalität getrieben und so unsicherer.“
## Leidtragende sind Frauen und Mädchen
Das Bundesentwicklungsministerium äußert sich ebenfalls deutlich: Man
bedauere die Wiedereinführung der Mexico City Policy, so ein Sprecher.
„Leidtragende sind vor allem Frauen und Mädchen, denen der Zugang zu
essenziellen Leistungen verwehrt bleibt, zum Beispiel zu professioneller
Geburtshilfe oder modernen Verhütungsmethoden.“
Dabei hätte es eigentlich ein guter G7-Gipfel für die Verfechter von
körperlicher Selbstbestimmung und reproduktiven Rechten werden können: In
den Fokus setzte Kanadas Pemier Justin Trudeau die
Geschlechtergerechtigkeit und die Stärkung von Frauen. Trudeau selbst hat
nie einen Hehl daraus gemacht, dass er den Zugang zu sicheren Abtreibungen
befürwortet – ganz im Gegenteil.
Aus dem BMZ heißt es nun, Deutschland setze sich „im Rahmen der G7, aber
auch in anderen internationalen Prozessen für den Zugang zu Leistungen der
sexuellen und reproduktiven Gesundheit und die hiermit verbundenen Rechte
ein“.
Mit dieser Meinung konnte sich die Bundesrepublik aber offenbar nicht
durchsetzen: Die „reproductive rights“ tauchen in der gemeinsamen Erklärung
der G7-EntwicklungsministerInnen nicht auf, lediglich in einer
Zusammenfassung ihres Treffens von der kanadischen Entwicklungsministerin
Marie-Claude Bibeau. Das Entwicklungs-Branchenmedium devex will aus
Diplomatenkreisen erfahren haben, dass die USA sich dagegen gesperrt haben.
8 Jun 2018
## AUTOREN
Eva Oer
## TAGS
Schwerpunkt Abtreibung
Donald Trump
G7
G7-Gipfel
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Lesestück Interview
G7
Schwerpunkt Klimawandel
Richard Grenell
Justin Trudeau
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