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# taz.de -- Wendland-Aktivist zur Aktion in Hitzacker: „Es geht hier um Stimm…
> Sechzig Autonome haben das Grundstück eines Polizisten gestürmt? Ganz und
> gar nicht, sagt der 74-jährige Hans-Erich Sauerteig, der auch dabei war.
Bild: Eine Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit der Polizei. Eine solche war …
taz: Herr Sauerteig, seit dem Wochenende gibt es bundesweit Empörung
[1][über Berichte], wonach 60 Autonome am vergangenen Freitag das
Privatgrundstück eines Polizisten im wendländischen Hitzacker gestürmt
hätten. Sie waren bei der Aktion dabei – können Sie die Berichte
bestätigen?
Hans-Erich Sauerteig: Gestürmt haben? (Lacht.) Absolut nicht. Es war
folgendermaßen: In dieser Siedlung dort gibt es einen Wendeplatz mit einer
Linde, dort haben sich etwa 60 Menschen hingestellt und musiziert.
Vielleicht ein Viertel davon hatte sich vermummt. Von dort aus sind dann
drei oder vier Personen zu dem Carport auf dem Grundstück des Beamten
gegangen und haben dort an der Holzwand zwei Wimpel angetackert, einer in
schwarz-rot, einer mit dem Symbol der kurdischen YPG. Außerdem wurde in dem
Baum vor dem Haus eine Holzstange mit einem weiteren YPG-Wimpel angebracht.
Was ist dann passiert?
Die drei oder vier Personen sind dann wieder zurück zu den anderen Personen
bei der Linde gegangen, etwa 25 Meter vom Haus entfernt. Dort wurden vier
Lieder gespielt. Nach etwa 10 Minuten kam eine Polizeistreife, die
klingelte am Haus, kam nach wenigen Minuten wieder heraus und blieb dann
vor dem Haus stehen, ohne irgendetwas zu uns zu sagen oder uns zu etwas
aufzufordern.
Die Konfrontation mit der Polizei geschah auf dem Rückweg?
Genau. Nach ungefähr 500 Metern des Weges kamen uns auf einmal sieben
Wannen entgegen, mit einem Affenzahn. Die bremsten ab, die Einheit sprang
heraus und schlug uns zu Boden. Geboxt, getreten, auf mich sind sie
draufgesprungen. Ich bin 74 Jahre alt, also nicht mehr der Sportlichste.
War der Beamte, gegen den sich die Aktion richtete, dabei?
Ja. Bebend stand er vor mir und sagte: „Herr Sauerteig, das werden Sie mir
büßen.“
Sie kennen sich?
Natürlich. Ich bin hier seit Jahrzehnten Aktivist, und dieser Herr ist uns
seit 30 Jahren als besonders eifriger Staatsschützer bekannt. Er ist dann
zu anderen Leuten gegangen, die bereits am Boden fixiert wurden von
Beamten, und hat sie noch in die Seite getreten. Das zu der beispiellosen
Gewalt, die da losgebrochen ist.
Ihre Schilderung unterscheidet sich stark von der der Polizei. Wie erklären
Sie das?
Ich denke, dass es hier ganz bewusst um Stimmungsmache geht. Fast überall
in Deutschland werden gerade die [2][Polizeigesetze verschärft], begründet
wird das häufig mit der angeblich gewachsenen Gefahr für Polizisten. Dieses
Bedrohungsszenario wird durch solche Meldungen aufgebaut, und so lassen
sich dann später Maßnahmen wie Präventivhaft oder Onlinedurchsuchungen
rechtfertigen.
Welchen Hintergrund hatte denn Ihre Aktion am Grundstück des Beamten?
Im Februar ist dieser Herr mit 80 vermummten und mit Maschinengewehren
bewaffneten Polizisten hier zu uns in den Gasthof Meuchefitz gekommen, um
ein Transparent mit dem Symbol der YPG vom Balkon abzuhängen. Das ist ja
inkriminiert und darf nicht gezeigt werden. Wir haben dann gesagt: Dann
machen wir mal einen Spaß, nehmen solche Wimpel und dekorieren damit sein
Grundstück.
Aus Ihrer Sicht war das nur Spaß?
Ich habe jetzt selbst einen Brief an eine Zeitung sowie die Ehefrau
geschrieben und dort gesagt, dass wir uns der Auswirkungen, die diese
Aktion auf sie und die Kinder haben könnte, vielleicht nicht genug bewusst
waren und dass wir uns dafür entschuldigen. Wir dachten auch eigentlich,
dass wir da zehn oder zwölf Leute sind, dass da auf einmal 60 Leute stehen
war gar nicht so geplant.
Wie stehen Sie denn grundsätzlich zu der Kritik, dass Aktionen an
Privatgrundstücken tabu sein sollten?
Ich finde, das ist eine ganz schwierige Frage, die wir auch noch nicht zu
Ende diskutiert haben. Ich wende mich mit aller Schärfe dagegen, wenn
Neonazis Gewerkschafter oder Bürgermeister besuchen, um denen Angst zu
machen. Ich sehe aber auf der anderen Seite etwa das Zitat von Brecht: „Das
Unrecht hat Namen und Adressen.“ In Argentinien ist es absolut üblich, bei
besonders reaktionären Richtern oder Polizeioffizieren vor der Türe zu
erscheinen und, auch vollkommen defensiv und gewaltfrei, zu demonstrieren.
Sehen Sie denn keine Trennung zwischen der Privatperson und der beruflichen
Aktivität?
Ich habe da auch etwas Bauchschmerzen, das gebe ich gerne zu. Aber ich muss
schon sagen: Dieser Herr ist eben nicht nur dieser Herr, er ist auch
Staatsschützer, und zwar ein übereifriger. Dass solche Menschen, die uns
ständig bespitzeln, hier zum Teil mehrmals die Woche auftauchen, die hier
einfallen – dass die auch damit rechnen müssen, mal in die Öffentlichkeit
gezerrt zu werden, finde ich schon richtig.
Sind solche Aktionen strategisch klug?
Wir haben etwas ähnliches schon mal vor 15 Jahren bei den
Anti-AKW-Protesten gemacht, und man muss sagen, das hat auch kein gutes
Echo bekommen. Wobei es jetzt in dieser Woche ja auch besser wurde, seit
die Medien nicht mehr einfach nur die Polizeimeldung abschreiben.
Dennoch sehen Sie darin einen politischen Sinn?
Ich glaube schon, dass man auch einen wunden Punkt damit trifft wenn man
sagt: Wenn man weiß, wer verantwortlich ist, lässt man den nicht in Ruhe.
Der Polizeichef von Lüchow-Dannenberg wollte ja auch mal bei uns hier in
der Kneipe Bier trinken. Wir haben gesagt: Mensch, das geht doch nicht,
jetzt gehen Sie doch raus, das ist doch Unsinn. Da hat der gesagt: Wieso?
Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Da denke ich, nein, das kann man
vielleicht nicht so trennen in so ganz exponierten Fällen.
23 May 2018
## LINKS
[1] /Kommentar-Protestaktion-gegen-Polizisten/!5504221
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## AUTOREN
Malene Gürgen
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Wendland
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Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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