# taz.de -- Kolumne Der Zuckerberg Teil 15: Virtuelle Zigarettenpause | |
> Warum müssen Menschen 24/7 bei Facebook Kommentare schreiben? Ich nutze | |
> lieber lustige Prokrastinations-Apps. | |
Bild: Oh, guck mal, ein Hund! | |
„Find out how you’d look like as the opposite gender.“ Schonwieder so eine | |
Prokrastinierungshilfe auf Facebook! Die App funktioniert so, dass die | |
Ergebnisfrau in der Regel jünger aussieht als der Ausgangsmann und der | |
Ergebnismann älter als die Ausgangsfrau. Lade ich ein Jugendfoto hoch, | |
sehen beide Geschlechter fast gleich aus. Bei mittelalten Bildern machen | |
sie den Bart nicht richtig weg, doch dafür die Brille. In einer aktuelleren | |
Version ähnle ich meiner Schwester. Eine Aufnahme vom Badesee wiederum, mit | |
der ich sehen wollte, was die Technik aus meinen Hühnerbrust stylt, wird | |
von der App verweigert. „Couldn’t finde face“, kommentiert sie. Wer’s | |
glaubt | |
Es ist immer so: Ich kaspere nur rum, poste schräge Fotos, verlinke eigene | |
Artikel. Vermutlich munkelt man deshalb, ich hätte keine Ahnung oder | |
Meinung beziehungsweise wäre zu bequem oder feige, diese zu vertreten. | |
Dabei beweist mein Tittenexperiment doch, wie neugierig ich durchs Leben | |
gehe. Dennoch vermeide ich auf Facebook möglichst jede ernstzunehmende | |
Auseinandersetzung, besonders während der Arbeitszeit am helllichten Tag. | |
Natürlich gibt es seriösere Themen als Eulen, die am Kopf gekrault werden – | |
Krieg, Hunger, Rechtsruck sowie [1][avenidas y cocolores y un commentador.] | |
Nur habe ich dafür echt keine Zeit. Ich weiß nicht, wie die anderen das | |
machen. Die haben ja anscheinend sonst nichts zu tun. Sie säen nicht, sie | |
ernten nicht, dafür kommentieren sie 24/7. Sie sehen keinerlei Widerspruch | |
darin, weite Teile der Diskussion ihrer Abneigung gegenüber einem System zu | |
widmen, das sie doch ganz offensichtlich subventioniert. Anders ist es | |
nicht zu erklären, wie sie da den ganzen Tag neunmalklug rumsabbeln können, | |
während andere Menschen arbeiten. | |
## Von Dummschwätzern und Besserwissern | |
Erschwerend hinzu kommen die immanenten Schwächen dieser | |
Kommunikationsform: Wer schon mal versucht hat, per SMS verfahrene | |
Herzscheiße mit einer mit beiden Beinen auf der Leitung stehenden | |
Cholerikerin zu moderieren, weiß um die Kontraproduktivität des schnell | |
getippten Wortes. | |
„Warum sehen wir dich denn dann alle halbe Stunde in unserer Timeline“, | |
dürften jetzt die Ernsthaften fragen, „für eine Geschlechtsumwandlungs-App | |
hast du also schon Zeit?“ | |
Ja, habe ich. Für so etwas eben gerade noch, aber nicht für den Streit mit | |
Weisen und [2][Dummschwätzern], Philosophen und Besserwissern. Die meisten | |
davon notorische Monologisierer mit dem Fetisch Deutungshoheit. Facebook | |
ist für mich nur eine virtuelle Zigarettenpause, die die Arbeitszeit | |
strukturiert. Sie ist übrigens genauso schädlich. Kann zu Verstandeskrebs | |
führen. Verstopft Gehirnwindungen. Macht geistig impotent. Führt zu nicht | |
gelebtem Leben. | |
31 May 2018 | |
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## AUTOREN | |
Uli Hannemann | |
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