| # taz.de -- Kolumne Der Zuckerberg Teil 16: Im Erklärbären-Gehege | |
| > Die Jugend hat sich aus dem Staub gemacht. Facebook ist zur Welt der | |
| > mittelalten Klugscheißer geworden. Auch Männer sind unter den Opfern. | |
| Bild: Dem Erklärbär geht es um das eigene Team und er verachtet das Bauchgef�… | |
| Die Jungen sind längst fort: Instagram, Finstagram, Real Life – Hauptsache, | |
| weg. Facebook ist heute ein Eldorado der „Scharfsinnigen“, wie ich sie | |
| nennen möchte. Sympathisch duftende Mittelalte, so wie ich. Es ist, als | |
| wäre das Medium für sie erfunden worden. | |
| Vielleicht hat sich Zuckerberg gedacht: „Wir können sie nicht einfach alle | |
| töten. Doch wir müssen ihren pathologischen Drang zur Klugscheißerei | |
| gesellschaftsverträglich eindämmen. Ich werde ihnen eine virtuelle | |
| Kampfarena schaffen, in der sie ihre Neigung ausleben können. Und da ihre | |
| Gesichter oft wie Brote oder Bücher aussehen, werde ich die Erfindung | |
| ‚Breadbook‘ nennen. Yo, hoho, low five! Oder ‚Facebook‘ – je nachdem … | |
| ich morgen drauf bin. Ach, wenn bloß diese wahnsinnigen Kopfschmerzen nicht | |
| wären!“ | |
| Auch Männer sind unter den Opfern der Erklärbären, oft sogar ehemalige | |
| Scharfsinnige, die nach tagelanger Kommentarschlacht im Titanenkampf mit | |
| Ihresgleichen aufgegeben haben. Also aus der Not Konvertierte, denn | |
| irgendwann gehen auch dem Letzten mal Wasser, Nahrung, Strom und Argumente | |
| aus. | |
| Die Methode der Scharfsinnigen erinnert an Russia Today: „Aus einzelnen, | |
| unsauberen Argumenten oder nicht beispielhaften Extrempositionen einen | |
| Schluss aufs Ganze zu basteln, dass alles gelogen und falsch sei“ (Sascha | |
| Lobo). Dabei geht es ihnen gar nicht um Propaganda für die andere Seite. So | |
| weit ich sie zu kennen glaube, wären sie theoretisch sogar auf der | |
| „richtigen“, sprich selbstverständlich meiner Seite. | |
| ## Bitte, erklärt mir die Welt! | |
| MeToo oder MeMee, Israel oder Palästina, Russland oder Ukraine – | |
| vermeintlich intelligente Menschen ergreifen Partei, als handelte es sich | |
| um Fußballteams. Man schläft in Bettwäsche in deren Farben und verhöhnt den | |
| jeweiligen Gegner mit Fangesängen („Ihr seid Putinstreichler/Swobodisten, | |
| asoziale Siedler/Islamisten, ihr schlaft unter Brücken oder in der | |
| Bahnhofsmission …“). Bloß mit dem Unterschied, dass die Gesänge Kommentare | |
| sind. | |
| Ja, bitte, erklärt mir die Welt, scheißt mich zu mit euren Lügen, scheißt | |
| so gleich noch meine eigenen Lügen mit zu und die der Medien, die zu meinen | |
| geworden sind! Als gäbe es nicht auf beiden Seiten Täter und Opfer, | |
| Draufgänger und Angsthasen, Mitläufer und Gerechte, Dumme und Schlaue. | |
| Aber es geht ja um Distinktion. Die Sache selbst ist meist relativ wumpe. | |
| Um ihre eigene Geistesschärfe in Abgrenzung zum plappernden Plebs | |
| herauszustellen, würden Antifaschisten den Holocaust leugnen, wo ihnen nur | |
| ein ungenauer Halbsatz des Feindes erlaubte, einen Keil in dessen | |
| Argumentation zu treiben. | |
| Die Scharfsinnigen verachten nämlich das Bauchgefühl. Noch bei Hitler | |
| müsste man jeden Satz auf seine buchstabengetreue Intention hin abklopfen – | |
| der Kontext seiner sonstigen Performance gilt als irrelevant. Die Welt ist | |
| ein weißes Blatt, das jedes Mal solange vorurteilsfrei angestarrt wird, bis | |
| dort – „Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand …“ – womöglich… | |
| noch eine neue Erkenntnis erscheint. | |
| 23 Jun 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Uli Hannemann | |
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