| # taz.de -- Proteste in Georgien: Zusammen tanzen und kämpfen | |
| > Tausende gehen seit Samstag in Tiflis auf die Straße. Sie demonstrieren | |
| > gegen Polizeigewalt bei einer Club-Razzia und für eine liberale | |
| > Drogenpolitk. | |
| Bild: Demo gegen Polizeigewalt am Sonntag im Zentrum von Tiflis | |
| Berlin taz | Bengalische Feuer zu Technomusik oder Gebete bei Kerzenschein: | |
| Etwas dazwischen scheint es derzeit in Georgien nicht zu geben. Seit dem | |
| vergangenen Samstag demonstrieren zehntausende Georgier gegen Polizeigewalt | |
| und für liberalere Drogengesetze vor dem Parlament in der Hauptstadt | |
| Tiflis. | |
| Unter dem Motto „Wir tanzen zusammen, wir kämpfen zusammen“ protestieren | |
| die Teilnehmer zu wummernder Technomusik und fordern den Rücktritt des | |
| amtierenden Ministerpräsidenten Giorgi Kvirikashvili und des Innenministers | |
| Giorgi Gakharia. | |
| Auslöser der Proteste waren zwei Razzien in den beiden international | |
| bekannten Techno Clubs Bassiani und Café Gallery. In der Nacht zum Samstag | |
| durchsuchten bewaffnete Polizisten die Clubs und ihre Besucher nach Drogen | |
| und nahmen, teils gewaltsam, bis zu 60 Menschen fest. | |
| Laut Mamuka Chelidze, Chef der Kriminalpolizei, gingen den Razzien | |
| dreimonatige Untersuchungen des Innenministeriums voraus, die die beiden | |
| Clubs mit Drogenhandel in Verbindung gebracht haben sollen. | |
| ## Sowjetische Vergangenheit | |
| Die Club Community sieht in den Razzien hingegen einen weiteren Versuch | |
| ihren liberalen Lebensstil zu unterdrücken. Mariam Murusidze, ehemalige | |
| Mitarbeiterin des Clubs Café Gallery, stellt die Durchsuchungen in einen | |
| größeren Kontext: „Die Ereignisse von gestern haben nicht nur mit den Clubs | |
| zu tun. Unsere sowjetische Vergangenheit, die Diktatur und der | |
| Polizeistaat, den wir in diesem Land hatten, kämpfen gegen die Zukunft, die | |
| wir für dieses Land wollen.“ | |
| Seit 2015 hat sich in der Südlaukasusrepublik eine Clubkultur entwickelt, | |
| die auch international immer mehr Aufmerksamkeit bekommt. Anders als in | |
| vielen westlichen Ländern ist das Nachtleben in Tiflis eng mit sozialem | |
| Aktivismus verknüpft. Der Besuch bestimmter Clubs gilt als politisches | |
| Statement für eine höhere Akzeptanz der LGBTQ-Community und gegen die | |
| unverhältnismäßig hohen Strafen für Drogenbesitz. | |
| Außer bei Marihuana wird der Besitz von Drogen, egal in welcher Menge, mit | |
| sieben bis 20 Jahren Haft geahndet. Ein Gesetzesentwurf zu | |
| Entkriminalisierung aller Drogen liegt bereits seit Ende vergangenen Jahres | |
| dem Parlament zur Abstimmung vor. Die Debatten wurden bisher jedoch immer | |
| wieder verschoben. | |
| Den Aktivisten für ein liberaleres Georgien stehen jedoch 80 Prozent der | |
| Gesellschaft gegenüber, die sich als streng religiös bezeichnen. Die | |
| orthodoxe Kirche hat großen Einfluss auf die Bevölkerung und spricht sich | |
| vor allem gegen Homosexualität aus. In diesem Zusammenhang kam es bereits | |
| am 17. Mai 2012 zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. | |
| ## Demonstranten eingekesselt | |
| Auch am vergangenen Wochenende wurden die friedlichen Demonstrationen vor | |
| dem Parlament ab Sonntagnachmittag von Gegendemonstranten eingekesselt. | |
| Angeführt von der konservativen „Georgian March Partei“ und anderen | |
| rechtsextremen Gruppierungen zündeten sie Kerzen an und riefen „Es lebe die | |
| Nation, Tod ihren Feinden“. | |
| Im Verlauf des Abends wurden die Teilnehmer zunehmend aggressiv und | |
| versuchten mehrmals, die Polizeiblockaden zu durchbrechen. Die friedlichen | |
| Demonstranten vor dem Parlament konnten jedoch mit Bussen in Sicherheit | |
| gebracht werden. | |
| Innenminister Gakharia entschuldigte sich, die Demonstranten in Gefahr | |
| gebracht zu haben. Zudem kündigte er an, das Vorgehen bei den Razzien | |
| untersuchen und an der Liberalisierung des Drogengesetzes arbeiten zu | |
| wollen. Am Sonntagabend rief Regierungschef Giorgi Kvirikashvili die | |
| Bevölkerung in einer TV-Ansprache zur Ruhe auf. Die Behörden täten ihr | |
| Bestes, um Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten sowie das Recht auf | |
| Versammlungsfreiheit zu schützen. Die Behörden würden gegenüber | |
| Drogendealern eine harte, gegenüber Drogenabhängigen jedoch eine humane | |
| Position einnehmen. | |
| 14 May 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Pola Kapuste | |
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