# taz.de -- Prozess um Rigaer Straße 94 in Berlin: Besetzerkneipe darf bleiben | |
> Die „Kadterschmiede“ darf nicht geräumt werden, urteilt das Berliner | |
> Landgericht. Der Grund: Es bleibt weiter unklar, wer der wahre Eigentümer | |
> ist. | |
Bild: Eingang zur Rigaer 94 | |
BERLIN taz | Mit einem kaum zu verhehlenden Lächeln auf den Lippen folgt | |
der junge Bewohner der Rigaer Straße 94 den Ausführungen des Richters | |
Martin Hülsböhmer. Minutenlang spricht Hülsböhmer am Montagmorgen im Saal | |
100 des Berliner Landgerichts über „ordnungsgemäße Vertretung“, „notar… | |
Bescheinigung“ und „Vollmachten“. | |
Selbst für juristische Laien wird deutlich: Hier geht es nicht darum, ob | |
die BewohnerInnen die Autonomenkneipe „Kadterschmiede“ in Berliner | |
Stadtteil Friedrichshain rechtmäßig nutzen oder nicht. Hier geht es darum, | |
ob die Seite des Hauseigentümers überhaupt befugt ist, zu klagen. | |
Nach einer kurzen Pause fällt 40 Minuten nach Prozessbeginn das Urteil. Es | |
bestätigt den Eindruck aller Anwesenden im Gerichtssaal: Der Versuch der | |
britischen Briefkastenfirma „Lafone Investments Limited“, einen | |
Räumungstitel für die „Kadterschmiede“ und einen Werkstattraum im gleichen | |
Gebäude zu erwirken, wird abgeschmettert. | |
Zum wiederholten Mal geht das linksradikale Berliner Symbolprojekt damit | |
als Sieger aus dem Gerichtssaal: Für die zahlreich im Gericht erschienenen | |
UnterstützerInnen, skeptisch beäugt von ebenso vielen Polizisten, ist es | |
ein weiterer kleiner Sieg über den Finanzkapitalismus. | |
## Riskantes Firmenkonstrukt | |
Lukas Theune, Anwalt des Hausvereins, spricht nach dem Urteil voller | |
Genugtuung über das „riskante Firmenkonstrukt“, hinter dem sich der wahre | |
Eigentümer der Rigaer Straße 94 verbirgt. Eine Firma, mit einem Kapital von | |
einem Pfund, einer Adresse in einem nordenglischen Businesspark, einem | |
unbekannten Gesellschafter und einem Strohmann-Geschäftsführer; für | |
niemanden, am wenigsten die MieterInnen des Hauses zu erreichen. | |
Dennoch hatte Theune seine Zweifel gehabt, ob seine Mandanten erneut | |
davonkommen, allein weil die Klägerfrma nicht darlegen kann, dass sie | |
ordnungsgemäß geführt wird. Doch wie schon beim ersten Prozess im Februar | |
2017 beanstandete Theune erfolgreich, dass es keinen Nachweis dafür gebe, | |
dass die Lafone von dem angegebenen Geschäftsführer geleitet werde. Ein | |
Eintrag in einem britischen Handelsregister sei kein ausreichender Beweis, | |
denn dieser unterliege keinen Prüfungen. | |
„Die Firma ist so windig, dass das deutsche Recht zurecht hohe | |
Anforderungen stellt“, so Theune zur taz. Zugleich konnte er erneut | |
erfolgreich argumentieren, dass der Gegenanwalt angesichts dieser Situation | |
nicht prozessberechtigt sei. | |
Wie zu erwarten war der angeblich im vergangenen August benannte | |
Geschäftsführer Mark Robert Burton trotz Ladung nicht zum Prozess | |
erschienen. Eigentümer-Anwalt Markus Bernau wollte dessen Tätigkeit durch | |
eine Notarnotiz beweisen, aus der jedoch nicht hervorging, welche | |
Unterlagen der Notar überhaupt geprüft habe. Bernau, der selbst leicht | |
verspätet im Gerichtssaal erschienen war, verschwand nach dem Urteilsspruch | |
im Eiltempo. | |
Mit dem Urteil ist das [1][Versäumnisurteil vom Februar 2017] bestätigt: | |
Auch damals galt die Firma als prozessunfähig. Nun stellte der Richter | |
nachträglich infrage, ob der Einspruch gegen das damalige Urteil überhaupt | |
zulässig war. Der „Lafone Investments Limited“ bleibt der Gang in die | |
nächst höhere Instanz. Ob sie dies riskieren wolle, ist laut Theune | |
zumindest „fraglich“. | |
## Illegale Geschäfte? | |
Als wäre das alles nicht schon genug, versucht die grüne | |
Bundestagsabgeordnete Canan Bayram, den Eigentümer hinter der | |
Briefkastenfirma ausfindig zu machen. Denn den kennt nicht mal der Berliner | |
Senat. Entspreche Kontaktanfragen hat Bayram an die Hausverwaltung, aber | |
auch den offiziellen Vorbesitzer Suitbert Beulker geschickt. Sie selbst | |
habe noch eine Tür von der [2][illegalen Polizeiräumung der Kadterschmiede] | |
im Juni 2016, diese möchte sie gerne zurückgeben. | |
Zunutze machen möchte sie sich auch die in diesem Mai in Kraft getretene | |
Anti-Geldwäsche-Richtlinie der EU. Damit sollen öffentliche | |
Unternehmensregister dazu beitragen, die Eigentümer von Immobilien und | |
Bankschließfächern öffentlich zu machen. Bayrams Frage: „Verschleiert der | |
Eigentümer seine Identität, um illegale Geschäfte zu machen?“ | |
Vor dem Gericht scharren sich die UnterstützerInnen der Rigaer 94 um ihren | |
Anwalt Theune. „Es ist halt Scheiße, wenn man eine Briefkastenfirma ist“, | |
bemerkt einer der Bewohner treffend. | |
14 May 2018 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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