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# taz.de -- Ralf Wohlleben im NSU-Prozess: Der gute Nazi von Jena
> Ihr Mandant ist unschuldig, behaupten die Verteidiger des überzeugten
> Nationalsozialisten. Ihr Plädoyer ist zynisch und schwer auszuhalten.
Bild: Ralf Wohlleben ist überzeugter Nazi – will deshalb aber nicht als schl…
Dass das Gericht sein Urteil ohnehin schon seit Langem gefällt habe, dass
sein Mandant keine Gerechtigkeit erfahren und verurteilt werde, steht für
Olaf Klemke fest. Der Anwalt des NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben wendet
sich am Schluss seines Plädoyers am Donnerstag noch mal an die Richterbank.
„Er wird damit leben müssen“, sagt er. „Sie allerdings auch. Ich hoffe, …
können das …“ So hätte der Satz wohl normalerweise enden müssen. Doch
Klemke fügt noch ein Wort an: „… nicht“.
Die bösen Worte sind der finale Paukenschlag in einem zwar monoton
vorgetragenen, an verbalen Ausfällen jedoch reichen Plädoyer. Einer der
Höhepunkte: Klemke vergleicht Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten mit
Hermann Göring. „Weingarten – frei nach Hermann Göring: ‚Wer Jude ist,
bestimme ich‘ – nimmt für sich in Anspruch, zu bestimmen, wer ein Nazi
ist.“ Und er bestimme auch, wie ein Nazi zu denken habe. Für ihn sei „jeder
Nazi ein Unmensch“, der den lieben langen Tag Ausländer töten möchte und
diesem Wunsch ausgiebig fröne. Und da Wohlleben Nazi sei und seine
Überzeugung „nicht verraten“ habe, sei er auch aus Sicht von Anklage und
Gericht für die Taten der NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt
mitverantwortlich zu machen.
Dem heute 43-jährigen Wohlleben wird vorgeworfen, für den NSU eine Pistole
organisiert zu haben – jene Ceska 83, mit der neun der NSU-Morde begangen
worden waren. Zwölf Jahre Haft Gefängnis hat die Bundesanwaltschaft für ihn
gefordert. Wohlleben bestreitet nicht, den Kauf der Waffe beauftragt zu
haben – behauptet jedoch, dass es nicht die Mordwaffe gewesen sei.
Dieselbe Argumentationslinie wie Klemke verfolgt im Anschluss auch sein
Kollege Wolfram Nahrath in seinem Plädoyer, er beschreibt, wie Wohlleben
von der Anklage zum „Mastermind und Unterstützer“ des NSU-Trios gemacht
worden sei, zu einem „Ersatz-Uwe“, einem „Killer-Surrogat“. Das Gericht
stehe unter einem universellen Erwartungsdruck, dem es nicht standhalten
könne, agiere „passgängerartig quasi auf Knopfdruck des
Bundesgeneralanwalts“. Auch Nahrath spickt seinen Vortrag mit gezielten,
sogar angekündigten Provokationen. Seine Worte würden „den ein oder andern
aus dem Saal treiben“, sagt er und empfiehlt sarkastisch: „Betroffenen und
Leidenden sei angetragen wegen der Risiken und Nebenwirkungen dieses
Schlussvortrags lieber ihren nächsten Gutmenschen oder ihren örtlichen
Politkommissar aufzusuchen.“
## Wohlleben lässt sich von Anwälten der „Szene“ verteidigen
Danach setzt er zu einem „Streifzug durch historische Faktizitäten“ an,
zieht das Fazit: „Völkermordsverbrechen“ seien „kein singuläres Privileg
der Deutschen“. Die Stoßrichtung der Aussage ist klar, was sie mit der
mutmaßlichen Schuld Wohllebens zu tun haben soll, weniger. Man muss dazu
wissen: Wohlleben wird nicht nur als Einziger der Angeklagten nach wie vor
in rechtsextremen Kreisen verehrt. Er ist auch der Einzige, der sich von
Anwälten der „Szene“ verteidigen lässt. Nahrath etwa führte früher einen
Jugendbund der Neonazis.
Wie bereits die Dritte im Bunde der Wohlleben-Verteidiger, Nicole
Schneiders, bei ihrem Vortrag am Dienstag stellen Klemke und Nahrath
Wohlleben als Opfer hin: „Wer Nationalsozialist ist, ist potenzieller
Mörder. Vor allem dann, wenn er indigener Deutscher ist.“
Dann doziert Nahrath noch über Rasse, „ein rein biologischer Begriff“, Volk
und Sprache – und verliest eine nicht enden wollende Reihe von Zitaten über
den Nationalsozialismus, vermeintlich unkommentiert, teils verherrlichend,
teils verharmlosend, von Winston Churchill bis Joachim Fest, von Hitler bis
Goebbels. „Hitler ist ein wunderbarer Mann“, habe etwa der frühere
britische Premier Lloyd George gesagt. Angeblich ein „starkes Indiz“ dafür,
dass sich das NSU-Trio gar nicht mit dem historischen Nationalsozialismus
beschäftigt habe. Geschickt reizt Nahrath immer die Grenze aus, ohne jedoch
[1][das Gericht] zu einem Ordnungsruf zu provozieren.
Mundlos und Böhnhardt hätten nicht aus ideologischen Gründen gemordet,
befindet auch Klemke, sondern seien „psychopathische Serienkiller“ gewesen.
Mit ihren Verbrechen hätte Wohlleben daher nicht rechnen können. Die
Anwälte fordern Freispruch für ihren Mandanten.
17 May 2018
## LINKS
[1] /Fuenf-Jahre-Muenchner-NSU-Verfahren/!5500581
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
NSU-Prozess
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Ralf Wohlleben
Schwerpunkt Thüringen
Beate Zschäpe
Rechtsextremismus
NSU-Prozess
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