# taz.de -- Kommentar Regierungsbildung in Italien: Renzis riskanter Kurs | |
> Matteo Renzi verweigert die Regierungsbildung mit den 5 Sternen – in der | |
> Hoffnung, seine PD-Partei wieder zu stärken. Doch so wird das nichts. | |
Bild: Mit wehenden Fahnen in die Opposition: Matteo Renzi und seine Partei | |
Wieder einmal hat es Matteo Renzi allen gezeigt: Er hat seine Partei dazu | |
gebracht, die Mitwirkung an einer Regierung unter Führung der | |
5-Sterne-Bewegung [1][zu verweigern]. Direkt nach der verheerenden | |
Wahlniederlage seines gemäßigt linken Partito Democratico (PD) am 4. März | |
hatte er den Parteivorsitz niedergelegt, gar „zwei Monate Schweigen“ gelobt | |
und behauptet, er sei von Stund' an nur noch einfacher Parlamentarier. | |
Doch anders als sein deutscher Leidensgefährte Martin Schulz, der | |
tatsächlich in der politischen Versenkung verschwunden ist, inszeniert sich | |
Renzi weiterhin als unbeugsamer Kämpfer gegen Gegner inner- und außerhalb | |
seiner Partei. | |
Nicht zuletzt dieser Pose hatte er seinen rasanten Aufstieg zu verdanken. | |
2013 setzte er sich in Urwahlen als Anti-Establishment-Kandidat für den | |
Parteivorsitz durch und riss dann 2014 das Amt des Ministerpräsidenten an | |
sich. Der fulminante Wahlsieg der PD bei der Europawahl im Mai 2014 schien | |
ihm recht zu geben. | |
Renzi nahm diesen Erfolg als Auftrag, ohne Rücksicht auf Verluste durch zu | |
regieren. Mit der Arbeitsmarktreform brachte er die Gewerkschaften gegen | |
sich auf, mit der Schulreform die Lehrer. Dann machte er sich an eine | |
Verfassungs- und Wahlrechtsreform. Und wer immer im Land Zweifel an seinem | |
Kurs anmeldete oder Kritik äußerte, musste sich von dem forschen | |
Florentiner als Jammerlappen schmähen lassen. | |
## Eine Niederlage nach der anderen | |
Renzi war stets davon überzeugt, die Italiener goutierten seinen | |
Politikstil. Hatten sie ihm nicht stolze 41 Prozent zukommen lassen? Doch | |
der Triumph von 2014 sollte sein einziger Erfolg bleiben, bei jedem | |
weiteren Urnengang folgte Niederlage auf Niederlage. Metropolen wie Rom und | |
Turin gingen an die Fünf Sterne verloren, Regionen wie Ligurien und, am | |
letzten Sonntag, Friaul-Julisch Venetien an die Berlusconi-Rechte. Beim | |
Verfassungsreferendum vom Dezember 2016 sprachen sich gar 60 Prozent der | |
Italiener gegen Renzis Reformprojekt aus. | |
Doch der reagierte mit einem trotzigen „weiter so!“ Nach dem | |
Verfassungsreferendum trat er als Ministerpräsident zurück, behielt aber | |
das Amt des Parteivorsitzenden. Und seine ganz persönliche Analyse des | |
Desasters lautete, die Italiener hätten ihn schlicht nicht verstanden. | |
Ähnlich argumentierte er auch [2][nach der krachenden Wahlniederlage vom 4. | |
März]. Die Gründe suchte er nicht bei sich, sondern bei den Wählern und den | |
innerparteilichen Gegnern, die seine Politik schlechtgeredet hätten. Zwar | |
trat er als Parteichef zurück, doch weiterhin kontrolliert er die | |
Mehrheiten in Parlamentsfraktion und Vorstand, und agiert hinter den | |
Kulissen weiter als Schattenvorsitzender. | |
Seither ist die PD blockiert in der Totalkonfrontation zwischen dem | |
Renzi-Lager und denen, [3][die einen Neuanfang wollen]. „Opposition“ ist | |
die von Renzi ausgegebene Maxime, wenn es nach ihm geht, sollen die Rechte | |
und die Fünf Sterne jetzt den Regierungsjob machen – wohl in der Hoffnung, | |
deren Scheitern werde die PD wieder erstarken lassen. | |
Damit riskiert Renzi allerdings, weitere Parteimitglieder und Millionen | |
Wähler zu verlieren. Die Partei erneuern, um das Land zu reformieren: Dies | |
war vor fünf Jahren mal sein Versprechen. Gut möglich, dass es ihm gelingt, | |
die PD so radikal zu „erneuern“, dass sie sich am Ende in einen puren | |
Matteo-Fanclub verwandelt – und darüber in der politischen | |
Bedeutungslosigkeit endet. | |
4 May 2018 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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