# taz.de -- Kommunalwahl in Schleswig-Holstein: Augen zu und durch | |
> Die SPD in Schleswig-Holstein schlittert planlos Richtung Kommunalwahl. | |
> Trotz mieser Umfragewerte sieht Parteichef Ralf Stegner keinen Grund zur | |
> Panik. | |
Bild: Findet nicht, dass die SPD in einer Krise steckt: Partei- und Fraktionsch… | |
HAMBURG taz | Wonnevoll ist es derzeit nicht gerade für die | |
Sozialdemokratie in Schleswig-Holstein. Und nächste Woche könnte es sogar | |
richtig ungemütlich werden. Bei der Kommunalwahl am Sonntag drohen der SPD | |
landesweit Verluste an Stimmen und Mandaten, selbst in den beiden größten | |
Städten Kiel und Lübeck, traditionell rote Hochburgen, dürfte die SPD nicht | |
stärkste Fraktion bleiben. Und dann stellt sich die Frage nach der Zukunft | |
der Partei, und sie wird in erster Linie dem Mann gestellt werden, der als | |
Partei- und Fraktionschef seit zehn Jahren die dominierende Figur der SPD | |
im hohen Norden ist: Ralf Stegner. | |
„Unruhe gibt es immer, der muss man sich stellen“, lautet seine gelassene | |
Antwort im Gespräch mit der taz, und er fügt hinzu: „Ich bin nicht dafür | |
bekannt, besonders furchtsam zu sein.“ Stegner will an seinem Fahrplan | |
festhalten, der nach den beiden herben Wahlniederlagen im Mai 2017 im Land | |
und vier Monate später im Bund beschlossen wurde: „Wir wollen den | |
Reformprozess wie geplant bis zum April nächsten Jahres abschließen.“ | |
Dann sollen, so hatte Stegner im November auf einem Landesparteitag | |
angekündigt, „drei breit aufgestellte Arbeitsgruppen Vorschläge zur | |
programmatischen Weiterentwicklung, zur Organisationsstruktur und zur | |
Personalentwicklung vorlegen“. Heißt im Klartext: Bis dahin weiß | |
Schleswig-Holsteins SPD nicht, was sie will, wohin sie will, wie und mit | |
wem, hat deshalb aber noch lange keine schlaflosen Nächte. Zumal für | |
Stegner das Ergebnis dieses Erneuerungsprozesses bereits auf der Hand | |
liegt: „Die SPD in Schleswig-Holstein bleibt eine linke Volkspartei, ohne | |
Wenn und Aber.“ | |
Als politischer Beobachter könnte man da die Gelassenheit einer großen | |
Volkspartei rühmen, die sich von kleinen Widrigkeiten, wie dem | |
Regierungsverlust vor einem Jahr, nicht vom Kurs abbringen lässt. Oder | |
kopfschüttelnd die Wagenburgmentalität einer zutiefst verunsicherten Partei | |
bestaunen, die in weiten Teilen des Landes, vor allem an der Westküste, | |
kaum noch existent ist. „Wir sind nicht im Krisenmodus“, sagt Stegner | |
dennoch, in der Politik müsse man „einen langen Atem haben“. | |
Aber natürlich weiß auch der 58-Jährige, dass nach deutlichen Verlusten am | |
Sonntag seine Kritiker mutiger und lauter werden dürften. Zwar geht es bei | |
Kommunalwahlen vornehmlich um lokale Themen, aber die landes- und | |
bundespolitische Großwetterlage schlägt trotzdem immer mit durch. Von der | |
Bundes-SPD ist trotz der neuen Vorsitzenden Andrea Nahles, derzeit noch | |
kein Rückenwind zu erwarten und im Land selbst kommt der Wind von vorn. | |
Die seit Juni regierende Jamaika-Koalition kommt gut an. Bei einer Umfrage | |
des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap im Auftrag des NDR vor zwei | |
Wochen waren 68 Prozent zufrieden oder sehr zufrieden mit der Arbeit des | |
Regierungsbündnisses; der grüne Star Robert Habeck und | |
CDU-Ministerpräsident Daniel Günther weisen Beliebtheitswerte auf, von | |
denen Stegner nur träumen kann. | |
Wäre jetzt Landtagswahl, käme die CDU auf 34 Prozent, zwei Punkte besser | |
als bei der Wahl im Mai vorigen Jahres. Die SPD sinkt um fünf Punkte auf 22 | |
Prozent, die Grünen legen um fünf Punkte auf 18 Prozent zu. „In der | |
gegenwärtigen Situation der SPD wünscht sich niemand Wahlen in seinem | |
Land“, räumt Stegner ein. Aber Politik ist eben, das zeigt sich hier | |
überdeutlich, kein Wunschkonzert. | |
Auf dem Parteitag vor einem halben Jahr hatten erste Kritiker bereits die | |
Verantwortung des Landesvorsitzenden betont. Ex-Staatssekretär Frank Nägele | |
hatte die Forderung nach Erneuerung der Parteispitze erhoben: „Lasst uns | |
das an den Gliedern, aber lasst es uns auch am Haupt tun.“ | |
Ex-Wirtschaftsminister Reinhard Meyer forderte einen „klaren Zeitplan der | |
personellen Erneuerung“, sonst werde die SPD im Landtag nicht nur fünf, | |
sondern zehn Jahre in der Opposition sein. | |
Wurden solchermaßen zwar die Lippen gespitzt, wurde indes nicht gepfiffen. | |
Klare Rücktrittsforderungen an Stegner gab es nicht, und ohne | |
HerausfordererIn hätten sie auch keinerlei Aussicht auf Erfolg gehabt. Die | |
aber könnte es jetzt geben: Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange | |
erklärt zwar, nicht Landesvorsitzende werden zu wollen, aber bei einem für | |
die SPD desaströsen Ausgang der Kommunalwahl dürfte die Halbwertzeit dieser | |
Aussage in Stunden zu messen sein. | |
Lange hatte am 22. April auf einem Bundesparteitag gegen Andrea Nahles als | |
Parteivorsitzende kandidiert und mit 27,6 Prozent ein unerwartet hohes | |
Ergebnis erhalten. Nicht nur in Schleswig-Holstein war spekuliert worden, | |
Lange wolle sich mit ihrer Bewerbung vor allem als Nachfolgerin von Stegner | |
als SPD-Landeschefin in Position bringen. Ihr Achtungserfolg auf | |
Bundesebene hat Langes Ausgangslage definitiv nicht verschlechtert. | |
## Interner Machtkampf | |
Die ehemalige Landtagsabgeordnete gehört nicht dem Landesvorstand an, hätte | |
aber „schon Lust, dort mitzuarbeiten“, sagte sie vor wenigen Tagen: „Ich | |
sehe mich als Teil des Teams.“ Bloß das nicht, sagt hingegen eine | |
prominente Sozialdemokratin, die keinen Wert auf namentliche Erwähnung | |
legt: „Simone wird instrumentalisiert von Leuten, die Ralf weg haben | |
wollen“, so ihre Überzeugung. Denen gehe es darum, die SPD im hohen Norden | |
„in die Mitte zu rücken“. Zwar kämpfe diese Fraktion nicht mit offenem | |
Visier, weil sie wisse, dass sie bislang nur eine kleine Minderheit ist. | |
Aber mit einer gestärkten Lange und einem geschwächten Stegner könnte die | |
Lage eine andere sein: „Niemand in der Partei zweifelt daran, dass Simone | |
Ralfs Posten will“, so die Spitzengenossin. Deshalb habe Lange jetzt auch | |
ein Mitgliedervotum über den Landesvorsitz gefordert, weil sie sich da | |
bessere Karten ausrechne als auf einem Parteitag. „Wenn wir den | |
Landesvorstand durch eine Mitgliederbefragung festlegen, können wir zu | |
einem echten Erneuerungsprozess kommen“, hatte Lange vorige Woche erklärt. | |
Davon lasse sie sich, sagt die prominente Sozialdemokratin, „nicht | |
beeindrucken“. Stegner müsse weitermachen, auch über den Parteitag im April | |
nächsten Jahres hinaus: „Wir brauchen Ralf noch zwei weitere Jahre bis | |
2021.“ Dann steht die Entscheidung über die Spitzenkandidatur für die | |
nächste Landtagswahl 2022 an. Die soll, sagt Stegner, in einem | |
Mitgliedervotum gefällt werden. Für das „Kollegialorgan Landesvorstand“ s… | |
das hingegen nicht das richtige Instrument: „Wir haben ja kein | |
Präsidialsystem.“ | |
Zwar will Stegner in vier Jahren nicht Spitzenkandidat werden, wie er | |
bereits erklärte, eine Tandemlösung wie 2012 und 2017 mit Torsten Albig | |
schwebt ihm vor. Das aber soll alles erst in frühestens zwei Jahren | |
besprochen werden. „Diese Zeit müssen wir uns nehmen“, sagt die | |
Spitzengenossin, „wir haben auch gar keine andere Chance“. | |
Ohne personelle Erneuerung indes dürfte die SPD aus heutiger Sicht auch | |
dann kaum eine realistische Chance haben. | |
2 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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