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# taz.de -- Schadstoffe aus Müllverbrennung: Es bleibt schlechter als nötig
> In den neuen Vorgaben für Müllverbrennungsanlagen schreibt die EU den
> Status Quo fort. Anliegen der Industrie werden stark berücksichtigt.
Bild: Blick in den Müllbunker einer Abfallverbrennungsanlage
Berlin taz | Mehr Stickstoff, Quecksilber und Staub als nötig dürfen
Müllverbrennungsanlagen künftig in der EU ausstoßen. Das wirft das
Europäische Umweltbüro (EEB) mit Sitz in Brüssel der EU-Kommission vor. Die
überarbeiteten Standards für die Anlagen „behalten überwiegend nur den
Status quo bei – und in einigen Fällen schwächen sie bestehende
Schutzstandards ab“, schreibt das EEB in einem aktuellen Report.
Die Vereinigung europäischer Umweltverbände bezieht sich dabei auf eine
Arbeitsgruppe, die noch bis zum Freitag im spanischen Sevilla tagt. Rund
260 Fachleute der EU-Kommission, der Mitgliedsländer, von Industrie und
Umweltverbänden überarbeiten dabei ein Dokument, dass den bestmöglichen
technischen Standard für Müllverbrennungsanlagen festhält.
Bislang war das sogenannte BREF – Best Available Techniques Reference
Document – aus dem Jahr 2006 nur beschreibend. Es hielt die besten
anwendbaren Techniken für Abfallverbrennungsanlagen fest. Inzwischen sind
BREFs aber rechtlich bindend und gehen in die Gesetzgebung der
Nationalstaaten ein. Entsprechend heftig wird über den Inhalt gestritten.
Beispiel Stickoxide: Hier nennt das Dokument von 2006 Grenzwerte von 100
Milligramm pro Kubikmeter. In dem derzeit in Sevilla diskutierten Vorschlag
der Kommission sollen es 150 Milligramm pro Kubikmeter werden. Beispiel
Quecksilber: Hier nannte die BREF bislang einen Wert von 20 Mikrogramm pro
Kubikmeter als erreichbar, künftig sollen es laut EEB 25 Mikrogramm sein.
Beim Staub bleiben die Werte gleich, das EEB hält Senkungen für möglich.
Die Anliegen der Industrie würden in dem Prozess unangemessen stark
berücksichtigt, sagt ein EEB-Sprecher, unter anderem ein Ergebnis der
starken Industriepräsenz in der Arbeitsgruppe. Aber auch Staaten wie
Deutschland, Spanien, Portugal, Ungarn und Tschechien wären für schwächere
Standards eingetreten, während die Niederlande, Schweden, Österreich und
Belgien für Verbesserungen geworben hätten.
## Unternehmen liefern Daten
Volker Weiss, Fachgebietsleiter Abfalltechnik im Umweltbundesamt, hält die
Kritik des EEB für überzogen. „Das Bundes-Immissionsschutzgesetz mit seiner
Verordnung über Abfallverbrennungsanlagen ist eines der strengsten
weltweit“, sagt Weiss. Schon jetzt seien Abfallverbrennungsanlagen in Bezug
auf Schadstoffe weniger problematisch als andere Industrieanlagen. Weiss
relativiert auch den großen Einfluss der Industrie im
Überarbeitungsprozess. Der Sevilla-Prozess sei von der EU so angelegt, dass
ein Informationsaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten, den
Industrievertretern der betroffenen Branchen, den NGOs und der Kommission
stattfinden soll. „Es ist gar nicht so einfach, an die nötigen Daten aus
den Anlagen zu kommen“, so Weiss, „dazu brauchen sie die Unternehmen.“
Georg Mehlhart beobachtet den Sevillaprozess vom Freiburger Ökoinstitut aus
– und hält den Einfluss der zahlenmäßig weit unterrepräsentierten
Umweltverbände trotzdem für wahrnehmbar. Allerdings: „Aus technischer Sicht
wären hier deutlich niedrigere Grenzwerte zum Beispiel für Staub und
Stickoxide möglich als bisher“, sagt Mehlhart. Zum Teil beruhen die derzeit
vorgeschlagenen neuen Standards auf 15 Jahre alten Analysen und
Bewertungen: „Da werden aus alten Messungen neue Standards abgeleitet.“ Und
damit für die Zukunft festgeschrieben.
Die Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in
Deutschland (Itad) erwartet hingegen „weitere Verbesserung der
Umweltstandards in Europa“. Schließlich würden dem neuen europäischen
Dokument die äußerst strengen deutschen Vorgaben zugrunde gelegt, nicht nur
in Bezug auf Emissionen, sondern auch etwa für die Ressourceneffizienz.
Haben am Freitag alle Interessengruppen ihr jeweiliges Anliegen in die
Arbeitsgruppe eingebracht, geht es in den Abstimmungsprozess der
EU-Institutionen – und die neuen Standards könnten Ende des Jahres
verabschiedet werden.
26 Apr 2018
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Schadstoffe
Umwelt
Pharma
Müll
Abfall
Müll
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