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# taz.de -- Prozess um vietnamesische Entführung: Von Agenten und ihren Helfern
> Am Dienstag beginnt in Berlin der Prozess um die Entführung des
> Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh. Im Mittelpunkt steht Vietnams
> Geheimdienst.
Bild: 2017 wurde Ex-Politiker Trinh Xuan Thanh aus Berlin entführt. In Hanoi w…
Berlin taz | Unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen beginnt am Dienstag
am Berliner Kammergericht der Prozess gegen einen mutmaßlichen Mitentführer
des vietnamesischen Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh. Hinter der Entführung
soll der vietnamesische Geheimdienst stecken. Die Vorwürfe richten sich
auch an dessen stellvertretenden Chef Duong Minh Hung, der mit einem
Diplomatenpass nach Deutschland gereist sein soll, um von einem Berliner
Hotel aus die Entführung zu koordinieren, sowie an weitere Agenten,
Diplomaten und Migranten.
Der jetzt angeklagte Long N. H., dessen Prozess vom Hauptverfahren gegen
bislang nicht greifbare Tatverdächtige abgetrennt wurde, ist dagegen nur
ein kleines Licht. Er soll die Fahrzeuge besorgt haben, mit denen das
Entführungsopfer ausgespäht und entführt wurde.
Die Ermittler der Bundesanwaltschaft und der Berliner Polizei haben
akribisch viele Details der Entführung ermittelt. Darüber ist man in der
vietnamesischen Botschaft in Berlin alles andere als erfreut. Eben jenes
Botschaftsgebäude war ein wichtiger Tatort im Zuge der Entführung. Hierher
wurde der Ex-Politiker verschleppt, nachdem er im Berliner Tiergarten
gekidnappt worden war. Von der Botschaft aus wurde sein Transport in einem
Krankenwagen zum Flughafen – wohl in Bratislava – und von dort mit einer
von Diplomaten gecharterten Sondermaschine nach Hanoi organisiert.
Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft waren mehrere Botschaftsangehörige
daran beteiligt. Deutsche Medien haben haarklein über die
Ermittlungsergebnisse berichtet. Sie berichteten etwa, dass
Personenschützer, die einen Monat vor der Entführung mit dem
vietnamesischen Premierminister nach Hamburg zum G20-Gipfel gereist waren,
in Deutschland geblieben seien, um die Entführung vorzubereiten. Und sie
berichteten, dass kein Geringerer als Vietnams stellvertretender
Geheimdienstchef persönlich die Entführung gemanagt habe.
## Medien demaskieren Spione
„Über diese detailgenauen Berichte in deutschen Medien waren die Diplomaten
noch mehr entsetzt als über die Ausweisung von zwei Diplomaten durch die
Bundesregierung wegen Teilnahme an der Entführung“, sagte ein enger
Vertrauter eines Botschaftsangehörigen der taz. „Es ist für Asiaten ein
Gesichtsverlust, wenn solche Details öffentlich werden. Als der Name des
stellvertretenden Geheimdienstchefs Duong Minh Hung [1][in den Zeitungen
stand], hätten die Botschaftsangehörigen entsetzt gefragt, wie die
Bundesregierung so etwas dulden könne.“
Was er meint: Sie fragten, wie die Bundesregierung den Zeitungen erlauben
konnte, so abwertend über ihren hohen Funktionär zu berichten. Den
Diplomaten und auch ihm selbst war offensichtlich nicht klar, dass in
Deutschland Pressefreiheit herrscht und dass Zeitungen – anders als in
Vietnam – ihre Regierung nicht zu fragen brauchen, ob sie etwas
veröffentlichen dürfen. Auch nicht, wenn es der Name eines Spions ist.
„In der Botschaft wurde der Entschluss gefasst, sich bei der
Bundesregierung über die Berichte zu beschweren“, sagte der Mann. Vietnams
Botschafter habe dies beim Auswärtigen Amt auch getan, das diese Angaben
weder bestätigt noch dementiert. Die vietnamesische Botschaft selbst
reagiert nicht auf Anfragen der taz. Doch für Duong Minh Hung hatte die
Nennung seines Namens Konsequenzen: Seither taucht er in vietnamesischen
Presseveröffentlichungen nicht mehr auf.
Normalerweise berichten die staatlich gelenkten vietnamesischen Medien
ausführlich über Aktivitäten hoher Staatsfunktionäre wie ihn. Er und seine
Chefs werden aber davon ausgehen, dass die deutschen Ermittler ihn mit
internationalem Haftbefehl suchen könnten. Auslandsreisen kommen deshalb
für ihn nicht mehr in Betracht. Möglicherweise ist auch seine Karriere zu
Ende. Öffentlichkeit war schon immer die wirksamste Waffe gegen
Geheimdienste.
## Kämpfe im illegalen Zigarettenhandel
Wer aber ist nun der angeklagte Long N. H.? Die Spurensuche ist schwierig.
Long N. H. ist 47 Jahre alt, vietnamesisch-tschechischer
Doppelstaatsangehöriger und lebte bis zu seiner Verhaftung im August 2017
in Prag. Dort betrieb er ein Büro für Geldtransferleistungen. Auf dem
Papier zumindest war er der Betreiber dieses Büros. Vietnamesen aus
Tschechien, mit denen die taz sprach, wollen jedoch wissen, dass der
eigentliche Betreiber sein Onkel Dao Q. D. war. Der Angeklagte soll mehr
oder weniger als Strohmann fungiert haben, im Geldtransferbüro, aber
wahrscheinlich auch beim Besorgen der Fahrzeuge für die Entführung.
Was den Onkel wiederum angeht, gilt es unter Prags Vietnamesen als offenes
Geheimnis, dass er für den vietnamesischen Geheimdienst gearbeitet hat und
an der Entführung maßgeblich beteiligt war. Nach Recherchen der taz
interessieren sich die Karlsruher Ermittler für den Onkel, der seit der
Entführung nach Vietnam zurückgekehrt war. Offiziell bestätigt niemand,
dass es einen Haftbefehl gegen den Onkel gibt, aber das Gegenteil wäre ein
Wunder.
Vietnamesen aus Prag und Berlin haben sich nach eigenen Angaben an die
Polizei gewandt, weil sie wissen wollen, dass das Geldtransferbüro wenige
Wochen vor der Entführung eine größere Geldsumme von einem unbekannten
Absender bekommen habe. Dem Vernehmen nach mehr als 10 Millionen Euro. War
das Geld für die Entführung vorgesehen und der Geheimdienst der Absender?
Der Onkel Dao Q. D. hat allerdings auch eine andere schillernde
Vergangenheit. In den 1990er Jahren soll er sich in Sachsen aufgehalten und
zum Dunstkreis der Xuan-Son-Bande gehört haben. Diese kassierte
Schutzgelder im illegalen Zigarettenhandel. Solche mafiaähnlichen Gruppen
lieferten sich damals blutige Kämpfe im illegalen Zigarettenhandel. Es gab
zahlreiche Morde. Der Onkel Dao Q. D. wurde wegen eines im Jahre 1996 in
Sachsen begangenen Mordes angeklagt. Da ihm die Tatbeteiligung nicht
nachgewiesen werden konnte, sprach das Landgericht Leipzig ihn 2001 frei.
Sein Anwalt damals: Stephan Bonell.
Bonell ist ein namhafter Strafverteidiger aus Leipzig und vertritt heute
Long N. H. Die taz hätte Bonell gern gefragt, wie ein Mann aus Prag, der in
Berlin inhaftiert ist, ausgerechnet zu einem Leipziger Strafverteidiger
kommt. Hat vielleicht der Onkel von Vietnam aus das Mandat vermittelt?
Bonell war für die taz nicht erreichbar.
## Weitere Verdächtige?
Neben dem Onkel gibt es einen zweiten Mann, der biografische Spuren in die
organisierte Kriminalität der 1990er Jahre im illegalen
Zigarettenmafiamilieu hat und der an der Entführung beteiligt sein könnte:
Son N. L. aus München. Mitte April haben die Karlsruher Ermittler seine
Wohnung durchsucht.
Der Mann, ein Freund des vietnamesischen Botschafters, soll sich
öffentlich gerühmt haben, mit dem entführten Trinh Xuan Thanh gemeinsam im
Flugzeug nach Hanoi geflogen zu sein. Das haben Landsleute der Polizei
gesagt. Seinem Facebookprofil zufolge war er zur fraglichen Zeit
tatsächlich in Vietnam. Markus Schmidt von der Bundesanwaltschaft bestätigt
den Verdacht nicht. „Es gibt nur eine Festnahme im Entführungsfall, und zu
weiteren Ermittlungen äußern wir uns nicht.“
23 Apr 2018
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## AUTOREN
Marina Mai
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