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# taz.de -- #Metoo und sexuelle Übergriffe in Japan: Was peinlich ist, wird ve…
> Der globale Ruf der MeToo-Bewegung fand in Japan kaum Gehör – dort
> herrscht eine ausgeprägte Schamkultur. Doch langsam tut sich etwas.
Bild: Frauen werden in Japan besonders häufig in U-Bahnen belästigt
Tokio taz | „Chikan“ heißt in Japan das Phänomen, wenn japanische Männer…
Gedränge in überfüllten Pendlerzügen Frauen an den Busen oder unter den
Rock greifen. Um das zu verhindern, haben die Bahngesellschaften schon vor
Jahren für die Rushhour Frauenwaggons eingeführt. Doch verbale und
physische Attacken auf Frauen sind ein Alltagsphänomen geblieben, wie sich
jetzt herausstellte. Der Staatssekretär im Finanzministerium, Junichi
Fukuda, trat, nachdem man ihm sexuelle Belästigung mehrerer Journalistinnen
vorwarf, zurück. Sein Fall zeigt das eigentliche Problem von Frauen in
Japan auf und beschäftigte in dieser Woche daher das ganze Land.
Bei seinem Rücktritt bestritt der Topbeamte den Vorwurf des
Boulevardmagazins Shukan Shincho, er habe Frauen mit sexuell anzüglichen
Bemerkungen belästigt, und kündigte juristische Gegenmaßnahmen an.
Daraufhin veröffentlichte die Zeitschrift den Mitschnitt eines Gesprächs
zwischen Fukuda und einer Journalistin. Darin soll der Beamte sie gefragt
haben, ob er sie küssen und ihre Brüste berühren dürfe.
Japanische Frauen haben es schwer, sich dagegen zu wehren. In westlichen
Ländern wie Deutschland herrscht eine Schuldkultur, man sucht einen
Sündenbock. Aber Japan hat eine Schamkultur. „Auf einen stinkenden Eimer
gehört ein Deckel“, lautet eine japanische Redewendung. Was peinlich ist,
wird versteckt. Das gilt auch für Belästigungen und Vergewaltigungen von
Frauen, obwohl „Sekuhara“ – so die Abkürzung des englischen Begriffs sex…
harassment – weit verbreitet ist. Infolge dieser Schamkultur gehen die
meisten Japanerinnen nicht zur Polizei, wenn Männer ihnen Gewalt angetan
haben. Daher gibt es in Japans offizieller Statistik nur ein Neuntel so
viele Vergewaltigungen pro 100.000 Einwohner wie in Deutschland.
Auch der globale Ruf der #MeToo-Bewegung fand in Japan kaum Gehör. Nur eine
kleine Gruppe von Aktivistinnen hielt dagegen. „Lasst uns alle
zusammenkommen und die Gesellschaft verändern“, forderte die Mitgründerin
Miwa Kato. [1][Die Gruppe rief Anfang März die Bewegung „WeToo“ ins Leben.]
Das Motto berücksichtigt Japans Schweigekultur: Frauen sollen Männer
gemeinsam anklagen. Die Solidarität der Gruppe soll die Scham der einzelnen
Frau besiegen.
## Einschüchterung der Opfer
Aber es gibt auch mutige Frauen, die allein handeln: Die Journalistin
Shiori Ito schilderte vergangenes Jahr ihre Vergewaltigung in einem Buch,
obwohl der Täter ein bekannter Journalist gewesen sein soll. Ein Haftbefehl
gegen ihn wurde plötzlich aufgehoben, vermutlich weil er als Autor eines
Buchs über den rechtsnationalen Premierminister Shinzo Abe gut vernetzt
ist. Im Februar trat der Präsident des Nahrungsherstellers NH Foods zurück.
Ein NH-Jungmanager hatte die Mitarbeiterin einer Fluggesellschaft sexuell
belästigt, die sich bei ihrem Arbeitgeber beschwerte.
Wo das Problem liegt, zeigen die männlichen Reaktionen auf den
Enthüllungsbericht über den Staatssekretär. Dessen Vorgesetzter,
Finanzminister Taro Aso, ein 77 Jahre alter Multimillionär, der für seine
losen Sprüche bekannt ist, beließ es bei einer Ermahnung für seinen
Stellvertreter. Man müsse dessen Menschenrechte berücksichtigen, meinte
Aso. Einige Tage später bot das Finanzministerium den belästigten Frauen
doch noch an, sich bei einer beauftragten Anwaltskanzlei zu melden. Darauf
meinte Innenministerin Seiko Noda, das fühle sich nicht richtig an. Eine
Gewerkschaft sprach offen von Einschüchterung der Opfer.
Nicht besser reagierte der Arbeitgeber der Journalistin, die den Skandal an
die Öffentlichkeit gebracht hatte. Der Nachrichtenchef von TV Asahi,
Hiroshi Shinozuka, gab zu, dass der Sender der Reporterin zum Schweigen
geraten habe, weil andernfalls ihr Name bekannt würde und sie leiden
müsste. Diese Reaktion sei nicht angemessen gewesen, räumte Shinozuka nun
ein. Weil ihr Arbeitgeber nicht reagieren wollte, hatte die Frau heimliche
Mitschnitte ihrer Gespräche mit dem Staatssekretär an das Wochenmagazin
gegeben, um ein Zeichen zu setzen. Dennoch warf TV Asahi ihr nun vor, ihre
Rechercheinformationen Dritten zugänglich gemacht zu haben.
20 Apr 2018
## LINKS
[1] /Demonstrationen-am-Frauentag/!5490549
## AUTOREN
Martin Fritz
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Schwerpunkt #metoo
Sexuelle Übergriffe
Japan
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taz FUTURZWEI
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