# taz.de -- Klage wegen Fehmarnbelt-Querung: Ein Tunnel versinkt | |
> Verzerrt EU-Zuschuss zur Fehmarnbelt-Querung den Wettbewerb? | |
> Europa-Gericht verhandelt Klage der Reederei gegen staatlichen | |
> Tunnelbetreiber. | |
Bild: „Wir stellen uns dem Wettbewerb“: Moderne Hybridfähren von Scandlines | |
FEHMARN taz | Am 25.4. steht der geplante Tunnel im Fehmarnbelt auf dem | |
juristischen Prüfstand. Und es kann sehr gut sein, dass er die Verhandlung | |
vor dem Europäischen Gericht (EG) in Luxemburg nicht übersteht. Denn das | |
hat über eine Frage zu entscheiden, in der die Europäische Union bislang | |
stets auf dem freien Spiel der Kräfte beharrt hat: Es geht um | |
Wettbewerbsverzerrung durch unzulässige staatliche Beihilfen. | |
Die Fährrederei Scandlines, die auf der Vogelfluglinie den Fährbetrieb über | |
den Fehmarnbelt betreibt, klagt gegen den Zuschuss, den die EU-Kommission | |
auf Antrag Dänemarks für das Tunnelprojekt zwischen Fehmarn und der | |
dänischen Insel Lolland bewilligt hat. Dessen Gewährung sei | |
„rechtsfehlerhaft“, heißt es in der Klagebegründung, weil er zu | |
„unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen“ führe. | |
Denn die Subvention aus Brüssel würde dazu beitragen, die florierende | |
privatwirtschaftlich betriebene Fährrederei Scandlines durch die staatliche | |
dänische Realisierungsgesellschaft Femern A/S vom Markt zu verdrängen. Und | |
so eine Form von staatlich gelenktem Kapitalismus ist im gemeinsamen Markt | |
der noch 28 EU-Staaten eigentlich des Teufels. | |
Beigeladen in dem Verfahren vor dem zweithöchsten Gericht der EU ist der | |
Naturschutzbund (Nabu) Deutschland, der sich vehement gegen das Vorhaben | |
wendet: „Ein unseriös finanziertes, infrastrukturell überflüssiges Vorhaben | |
wie eine feste Fehmarnbelt-Querung, die auch nach Einschätzung von | |
Fachleuten ohne adäquaten Bedarf ist, wäre allein mit Staatsmitteln | |
lebensfähig“, begründet Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller das | |
Vorgehen. Deshalb unterstütze der Nabu die Klage von Scandlines. | |
In den ersten Planungsunterlagen war Femern A/S davon ausgegangen, dass der | |
Fährbetrieb auf dem Fehmarnbelt eingestellt würde, wenn der 19 Kilometer | |
lange mautpflichtige Tunnel 2021 eröffnet würde. Vor elf Jahren jedoch | |
wurde die Reederei privatisiert (siehe Kasten), Dänemark und Deutschland | |
verloren ihren indirekten Einfluss auf das Unternehmen. Und das stellte | |
sich prompt quer und erklärte, den Fährbetrieb mit modernen und | |
schadstofffreien Hybridfähren weiterführen zu wollen: „Wir stellen uns dem | |
Wettbewerb“, verkündete Scandlines selbstbewusst. | |
Das führte dazu, dass Femern A/S die Verkehrsprognosen senken und den | |
Amortisierungszeitraum auf 36 Jahre ab Betriebsstart verlängern musste. Der | |
Baubeginn indes steht noch in weiter Ferne. Ursprünglich sollte die 19 | |
Kilometer lange Verbindung 2021 in Betrieb gehen, neuere Prognosen sprechen | |
von einem Baubeginn in drei Jahren. | |
Das ist nicht mehr realistisch, weil ein Planfeststellungsbeschluss auf | |
deutscher Seite frühestens zum Jahresende zu erwarten ist. Danach würden | |
langwierige Klagen von Umweltverbänden vor dem Bundesverwaltungsgericht | |
folgen. In Sachen Elbvertiefung dauert ein ähnliches Verfahren bereits acht | |
Jahre. | |
Die Kosten für die Fehmarnbelt-Querung werden derzeit auf 11,5 Milliarden | |
Euro geschätzt, davon mindestens 7,4 Milliarden Euro für den eigentlichen | |
Tunnel. Den will Dänemark ohne deutsche Mithilfe alleine bauen und | |
finanzieren – allerdings mit Zuschüssen der EU. In der Finanzplanung von | |
Femern A/S ist eine Geldspritze aus Brüssel in Höhe von 1,4 Milliarden Euro | |
vorgesehen. Eine erste Tranche von 589 Millionen Euro steht bereit. | |
Dänemark muss sie bis Ende 2020 abrufen, sonst verfällt das Geld. | |
## Prognose reduziert | |
Bis dahin aber wird das Leipziger Bundesverwaltungsgericht kein grünes | |
Licht geben können. Neue Förderanträge nach 2021 aber würden weitere | |
Verzögerungen mit sich ziehen. Das größte Verkehrsprojekt Nordeuropas | |
wackelt. Und es wackelte umso mehr, wenn das EG den Zuschuss der EU als | |
wettbewerbswidrige Beihilfe bewerten würde. | |
Dieser ist auch aus einem anderen Grund fragwürdig: Geld für | |
transeuropäische Projekte sind ausdrücklich vorgesehen für die | |
Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene. Banedanmark, die | |
dänische Gesellschaft für Eisenbahninfrastruktur, hat aber im vorigen Jahr | |
die Prognose von täglich 74 Güterzügen zwischen Kopenhagen und Hamburg auf | |
17 reduziert: Die Tunnelkosten ließen sich somit nur mit Einnahmen aus dem | |
Straßenverkehr refinanzieren. „Dänemark fördert den Warentransport mit LKW | |
auf der Straße statt mit Zügen auf der Schiene“, kritisiert Malte Siegert, | |
Fehmarnbelt-Experte des Nabu. | |
„Die dänische Transportpolitik verdreht die europäischen Ziele im | |
Verkehrssektor“, sagt Siegert. Kopenhagen halte einerseits die Hand auf und | |
sabotiere zugleich die Ökologisierung der Verkehre – das sei, sagt | |
Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller, „ein unverantwortliches | |
Finanz-Harakiri auf Kosten von Natur und Umwelt“. | |
25 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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