# taz.de -- Premierminister Abiy Ahmed: Ein Frühlingslüftchen für Äthiopien | |
> Foltergefängnis geschlossen, Häftlinge frei, Internet wieder an: Der neue | |
> Premier scheint es ernst zu meinen mit Reformen. Es bleibt viel zu tun. | |
Bild: Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat Abiy Ahmed das berüchtigte Gef… | |
Nairobi taz | Der neue äthiopische Premierminister Abiy Ahmed hat einen | |
fliegenden Start hingelegt. [1][Erst eine Woche im Amt], und schon hat er | |
eine Liste von Änderungen in Richtung Öffnung hingelegt. | |
So ist das mobile Internet in vielen Gebieten außerhalb der Hauptstadt | |
Addis Abeba nach fünf Monaten wiederhergestellt. Internet und Telefon in | |
Äthiopien sind Monopol der staatlichen Ethio Telecom, und im Rahmen des | |
Ausnahmezustands waren die Verbindungen deaktiviert worden. | |
Abiy stattete außerdem einer Region einen Besuch ab, in der seit September | |
eine Million Menschen durch ethnische Kämpfe zwischen den Volksgruppen der | |
Oromo und Somali in die Flucht getrieben worden sind. Abiy ist selbst Oromo | |
und leitete vor seiner Ernennung die Oromo-Partei in der äthiopischen | |
Regierungsallianz. | |
Vor allem aber hat der neue Premierminister das berüchtigte Gefängnis | |
Maekelawi tatsächlich geschlossen. Sein Vorgänger Desalegn Hailemariam | |
hatte das schon einmal versprochen, aber erst jetzt erfolgte der Auftrag, | |
alle Gefangenen woanders unterzubringen. Maekelawi wird von | |
Menschenrechtsgruppen als Folterkammer bezeichnet. | |
## Eine Journalistin verschwand schwanger hinter Gittern | |
Elf Politiker und Journalisten, die erst vor Kurzem verhaftet worden waren, | |
kamen ebenfalls wieder frei. Die elf waren in Februar nach Jahren im | |
Gefängnis auf freien Fuß gekommen, aber kurz danach wieder eingesperrt | |
worden. | |
Der bekannteste von ihnen ist Eskinder Nega. Der 50-Jährige hat wie viele | |
hundert andere Journalisten und Blogger und Tausende Oppositionspolitiker | |
und Regierungskritiker den Großteil der vergangenen dreizehn Jahre hinter | |
Gittern verbracht. Die herrschende Exguerilla-Allianz EPRDF (Revolutionäre | |
Demokratische Front der Äthiopischen Völker) duldet keine abweichenden | |
Meinungen. Viele der mehreren tausend politischen Gefangenen wurden wegen | |
Terrorismus verurteilt, unter der Annahme des Staates, gegen so eine | |
Anklage werde das Ausland nichts sagen. | |
Nega verschwand schon seit 2005 öfters im Gefängnis. In dem Jahr hatte bei | |
Parlamentswahlen die Opposition den Wahlsieg beansprucht, aber die | |
Wahlkommission verneinte das und erklärte die EPRDF zum Sieger. Es gab | |
Proteste, und Nega schrieb als Chefredakteur der Zeitung Satenaw flammende | |
Artikel. Er wurde eingesperrt wegen Landesverrats. Auch seine Frau, | |
ebenfalls Journalistin, verschwand schwanger hinter Gittern. | |
Ihr erstes Kind wurde im Gefängnis geboren. Nach siebzehn Monaten wurde er | |
begnadigt: Der damalige Premierminister Meles Zenawi, ein Intellektueller, | |
hatte zwar Probleme mit Nega, aber bewunderte ihn auch. Nega kommt aus | |
einer Akademikerfamilie, ging in den USA auf die Oberschule und kehrte als | |
studierter Politologe und Ökonom in seine Heimat zurück, als die EPRDF 1991 | |
die Macht ergriff und die Terrorherrschaft der vorherigen Derg-Militärjunta | |
beendete. | |
## Ein Zeichen für mehr Meinungsfreiheit | |
2011 wurde Nega wieder eingesperrt, weil er die Regierung wegen der | |
Verhaftung von Journalisten und Aktivisten kritisiert hatte. Er wurde zu 18 | |
Jahre Gefängnis wegen Terrorismus verurteilt. 2013 wurde in den USA sein | |
„Brief aus dem äthiopischen Gulag“ publiziert. „Ich wurde verhaftet, weil | |
ich schrieb, dass der ‚Arabische Frühling‘ auch in Äthiopien möglich ist, | |
wenn sich die autoritäre Regierung nicht reformiert.“ | |
Dass Nega nun frei ist, ist ein gutes Zeichen für mehr Meinungsfreiheit | |
unter Äthiopiens neuem Premierminister. Aber zum Jubeln ist es nach Meinung | |
mancher Aktivisten noch zu früh. Zwar hat Abiy Ahmed sich als Reformer | |
profiliert, aber noch immer sitzen Tausende kritische Äthiopier im | |
Gefängnis, in oft erniedrigenden Umständen. Oppositionsparteien haben keine | |
Stimme im Parlament, das sowieso alles abnickt. Viel Reformen sind nötig, | |
um aus Äthiopien einen demokratischen Staat zu machen. Die Bevölkerung wird | |
jeden Schritt und Tritt von Abiy Ahmed mit Argusaugen beobachten. | |
8 Apr 2018 | |
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## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
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