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# taz.de -- Regimekritiker in Äthiopien: „Die schlimmste Zeit meines Lebens�…
> Die äthiopische Regierung verspricht einen milderen Umgang mit Kritikern.
> Der Blogger Atnafu Berhane saß dort im Gefängnis und ist skeptisch.
Bild: Anischt von Addis Abeba: Viele Regimekritiker werden im Maekelawi-Gefäng…
Nairobi taz | Drei Monate war Atnafu Berhane in Äthiopiens
Maekelawi-Gefängnis eingesperrt. Der 28-jährige äthiopische Blogger wurde
dort gefoltert. „Die schlimmste Zeit meines Lebens“, beschreibt er seine
Erfahrung. Berhane hofft, dass heute mit dem Beginn der versprochenen
Freilassung politischer Gefangenen in Äthiopien die ersten Schritte zur
Beendigung der Unterdrückung beginnen.
Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass Zehntausende
Oppositionspolitiker, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten in
Äthiopien inhaftiert sind. Viele werden im Maekelawi verhört, bei der
zentralen Polizeistation der Hauptstadt Addis Abeba. „Ich war 2014 dort“,
schreibt Berhane in einer E-Mail. „Ich wurde täglich acht Stunden lang
verhört, geschlagen, beleidigt, gezwungen schwere körperliche Übungen zu
machen und ins Gesicht gespuckt. Ich hatte eine dunkle Zelle, die ich nur
zum Verhör verließ. Aber im Vernehmungszimmer sehnte ich mich nach meiner
kalten, schmutzigen Zelle.“
Maekelawi macht jedem Äthiopier große Angst. „Vor allem die unterirdischen
Zellen, die sind eiskalt und werden von den Gefangenen Sibirien genannt“,
schreibt Berhane. Anfang dieses Monats versprach Äthiopiens Premierminister
Hailemariam Desalegn, Maekelawi gleichzeitig mit der Freilassung
politischer Gefangener in ein Museum zu verwandeln. „Es ist nur ein
Gebäude“, meint Berhane dazu. „Wenn andere Gebäude zur Folter benutzt
werden, hat das keinen symbolischen Wert.“
IT-Spezialist Berhane ist Mitgründer von „Zone 9“, ein Kollektiv von
äthiopischen Bloggern und Menschenrechtsaktivisten. Unter Druck
unterschrieb er im Maekelawi ein Geständnis: Er wurde des Terrorismus
beschuldigt, worauf lebenslange Freiheitsstrafe oder die Todesstrafe steht.
Auf Grundlage seines Geständnisses wurde Berhane verurteilt und verbrachte
18 Monate in einem anderen Gefängnis. Im Jahr 2015 wies ein äthiopischen
Bundesgericht alle Anklagen gegen ihn zurück und er wurde freigelassen.
„Aber der Staatsanwalt hat Berufung eingelegt, und der Oberste Gerichtshof
hat die Anschuldigungen des Terrorismus durch Anstiftung zur Gewalt
ersetzt. Ich bin frei, aber immer noch in einen Prozess verwickelt.“
Berhane ist nicht der einzige. Vor allem in den letzten zwei Jahren wurden
in Äthiopien Tausende von Menschen inhaftiert und mindestens 900 getötet
während der knallharten Niederschlagung von Protesten wegen Landenteignung
durch die Regierung. Menschen mussten vielerorts Platz machen für große
Wirtschaftsprojekte. Die Regierung ist stolz auf das jährliche
Wirtschaftswachstum von 10 Prozent und will diesen Trend fortsetzen, um das
Land mit inzwischen 100 Millionen Einwohnern aus der Armut zu heben. Die
meisten Proteste gingen von Angehörigen der Volksgruppen der Oromo und
Amhara aus, die zwei größten ethnischen Gruppen Äthiopiens, die 60 Prozent
der Bevölkerung ausmachen. Sie protestierten nicht nur gegen Landraub,
sondern forderten auch mehr Demokratie und Einfluss innerhalb der
Regierung. Die mächtigsten Politiker Äthiopiens gehören zur Volksgruppe der
Tigray, die nur 6 Prozent der Äthiopier ausmachen.
## Lange Geschichte der Repression
Tigray-Rebellen waren der Kern der Guerillakoalition EPRDF (Revolutionäre
Demokratische Front der Äthiopichen Völker), die 1991 die vorherige
Militärdiktatur von Mengistu Haile Mariam stürzte und die Macht ergriff.
Aus Sicht ihrer Kritiker haben Tigray-Führer seither die Macht in Politik
und Wirtschaft monopolisiert. Die EPRDF regiert seit über 26 Jahren,
Opposition gibt es nur auf dem Papier. Kritische Stimmen wie Berhane, die
die Situation in Äthiopien anders beschreiben als offiziell erwünscht,
werden zum Schweigen gebracht.
Äthiopien hat eine lange Geschichte der Repression. Das Maekelawi-Gefängnis
wurde während der Regierungszeit des Kaisers Haile Selassie gebaut, als
auch Folter stattfand. Das ging unter dem Militärregime, das den Kaiser
1974 absetzte, unvermindert weiter, bis es selbst 1991 gestürzt wurde.
Die Ankündigung des aus einer südäthiopischen Volksgruppe stammenden
Premierministers Desalegn vom Jahresanfang, wonach Äthiopien nun alle
politischen Gefangenen freilassen werde, ist von der Regierung seither
relativiert worden. Anfang dieser Woche hat der Regierungssprecher die
Freilassung von 528 Menschen in den nächsten zwei Monaten nach einer
Einzelfallprüfung angekündigt, die meisten davon im Süden Äthiopiens.
Desalegn sprach in seiner ersten Ankündigung von einem Reformpaket, um
„nationale Einheit und demokratische Freiräume herzustellen“.
Aber erst vergangene Woche wurden dreißig Menschen zu 13 bis 15 Jahren
Gefängnis verurteilt, weil sie Mitglieder der aus dem Exil geführten Gruppe
„Ginbot 7“ sein sollen. Die Regierung bezeichnet die Gruppe als
terroristische Organisation. Diese Terminologie hat die Regierung seit der
Verabschiedung einer Reihe von Antiterrorgesetzen im Jahr 2011 gegen fast
alle Kritiker angewandt.
Trotz dieser widersprüchlichen Signale deutet nichts auf eine Instabilität
der Regierung hin. Es scheint eher, dass es innerhalb der Regierung keine
Einstimmigkeit darüber gibt, wie man die Proteste bekämpfen kann. Der
Blogger Berhane möchte gerne an die Versprechen des Premierministers
glauben. Aber wie viele Äthiopier hegt er große Zweifel. Sein Urteil: „Erst
sehen, dann glauben.“
17 Jan 2018
## AUTOREN
Ilona Eveleens
## TAGS
Äthiopien
Regimekritiker
Repression
Regierung
Äthiopien
Äthiopien
Repression
Schwerpunkt Flucht
Äthiopien
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