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# taz.de -- Korruptionsfall um Brasiliens Expräsident: Die Leiden des Lula da …
> Der populäre Expräsident ist auf dem Weg hinter Gitter. Zum Verhängnis
> wird Lula ein Bestechungssystem – und die Skrupellosigkeit politischen
> Gegner.
Bild: In Umfragen liegt Lula da Silva trotz juristischer Niederlagen vorn
Rio de Janeiro taz | Umstritten war Luiz Inácio Lula da Silva schon immer.
Als Gewerkschaftsführer legte er sich mit Chefs und Militärs an und wurde
unter der Diktatur mehrmals festgenommen. Als Mitbegründer der
Arbeiterpartei PT provozierte er Spott und Groll des politischen
Establishments. Als er nach vier erfolglosen Anläufen im Jahr 2002 zum
Präsidenten gewählt wurde, prophezeiten unzählige Wirtschaftsexperten des
Absturz des Landes in den Ruin. Doch das Problem war nicht Lula, sondern
die alteingesessene Elite, die sich nicht vorstellen konnte, dass es jemand
aus einer bitterarmer Familie ohne den entsprechenden sozialen Rang bis
ganz nach oben schaffen kann.
Der Unmut der reichen Minderheit wuchs, als deutlich wurde, dass Lula auch
beim Regieren Erfolg hatte. Die Wirtschaft brummte, und durch eine
ambitionierte Außenpolitik festigte er Brasiliens Stellung als
Regionalmacht. Erstmals war das Land ein Global Player. US-Präsident Barack
Obama bezeichnete Lula mal als „beliebtesten Politiker der Welt“. Das
Aushängeschild seiner Regierung war aber die Sozialpolitik, mit der
Millionen aus der Armut geholt wurden. Dass Lula trotz aller Fehler und
Kompromisse aufseiten der Armen stand, machte ihn für die große Mehrheit
der Brasilianer zum wohl populärsten Staatsoberhaupt der Geschichte.
Gerade mal acht Jahre nach Ende seiner Regierungszeit ist Lula da Silva auf
dem Weg hinter Gitter. Das oberste Gericht ebnete am Mittwoch mit einem
Grundsatzurteil den Weg für seine Inhaftierung. Da er bereits in zweiter
Instanz zu einer hohen Haftstrafe wegen Korruption verurteilt wurde, sei
eine Haftverschonung bis zur Ausschöpfung aller Instanzen nicht rechtens,
urteilten die Richter mit sechs zu fünf Stimmen.
Es ist ein klassischer Fall von Korruption, der Lula da Silva zum
Verhängnis wurde. In insgesamt sieben Prozessen sitzt er auf der
Anklagebank. Es geht um ein kompliziertes System von illegaler
Parteienfinanzierung und persönlicher Bereicherung, das die politische
Klasse Brasiliens schon lange praktiziert und das Politiker aller Couleur
in ähnlichem Ausmaß betrifft. Große Bauunternehmen und andere Konzerne
zahlten jahrelang hohe Bestechungssummen, um politische Gefälligkeiten zu
ergattern oder um überteuerte Aufträge von Staatsunternehmen wie dem
Ölkonzern Petrobras zu bekommen. Der bekannteste Fall ist der des Bauriesen
Odebrecht, der in Brasilien alle großen Parteien schmierte und auch in
Nachbarländern und mehreren Staaten Afrikas illegale Geschäfte betrieb.
Über die Verwicklungen mit Odebrecht stürzte im März auch Perus Präsident
Pedro Pablo Kuczynski.
Doch der rasante Abstieg Lulas ist trotz des drohenden Haftantritts längst
nicht besiegelt. Für die Präsidentschaftswahl im Oktober will er wieder
kandidieren und liegt trotz der juristischen Niederlagen und aller
Meinungsmache seiner Gegner im Umfragen deutlich vorn. Über seine
Kandidatur wird das oberste Wahlgericht noch befinden; seine Anwälte sind
zuversichtlich. Und mit einem Wahlkampf hinter Gittern könnte Lula bei
einigen enttäuschten Anhängern sogar punkten.
Hinzu kommt, dass der Sturz Lulas mitnichten nur eine Frage von Korruption,
sondern vor allem Folge eines politischen Machtkampfs ist. Schon die
Amtsenthebung seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff 2016 war in
Korruptionsvorwürfe eingebettet, obwohl sie bis heute eine der wenigen
Spitzenpolitikerinnen ist, gegen die nicht ermittelt wird. Auf
Tonbandmitschnitten gaben enge Vertraute des heutigen Präsidenten Michel
Temer zu, dass Rousseff gestürzt werden müsse, um das „Ausbluten“ der
politischen Klasse durch Korruptionsermittlungen zu stoppen. Temer selbst
und viele seiner Minister sind mit weit schwerwiegenderen Vorwürfen
konfrontiert als Lula. Ihre Macht nutzen sie derweil, um die Veränderungen
rückgängig zu machen, die Lula so beliebt machten.
Lulas Arbeiterpartei ist in diesem Machtkampf in die Defensive geraten.
Unabhängig von der umstrittenen persönlichen Schuld Lulas in der
Korruptionsaffäre steht außer Frage, dass sich die PT auf die obskuren
Regeln des Politiksystems eingelassen hat und diese sogar noch ausbaute.
Das Image politischer Erneuerung, mit dem Lula einst antrat, ist breiter
Enttäuschung gewichen. Und viele, die sich heute vor Lula stellen, wissen
genau, dass seine erneute Kandidatur kein Schritt nach vorne ist.
5 Apr 2018
## AUTOREN
Andreas Behn
## TAGS
Luiz Inácio Lula da Silva
Arbeiterpartei Brasilien
Brasilien
Schwerpunkt Korruption
Odebrecht
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