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# taz.de -- Brasiliens Ex-Präsident und Korruption: Lula steht vor Haftstrafe
> Lula da Silva muss wohl ins Gefängnis, nachdem das Oberste Gericht den
> Weg für einen Haftbefehl freimachte. Die Spaltung Brasiliens vertieft
> sich.
Bild: In Brasília gingen am Mittwoch Menschen für und gegen den Ex-Staatschef…
RIO DE JANEIRO taz | Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva
steht kurz vor seiner Inhaftierung. Das Oberste Gericht lehnte den Antrag
auf Haftverschonung bis zur Ausschöpfung aller Berufungsoptionen mit
knapper Mehrheit ab. Sechs von elf Richter_innen stimmten am Mittwochabend
dafür, dass Lula da Silva nach der Verurteilung in zweiter Instanz in Haft
kommt.
Im Januar [1][hatte ein Berufungsgericht Lulas Verurteilung] wegen
Korruption und Geldwäsche bestätigt und das Strafmaß [2][deutlich auf über
zwölf Jahre erhöht]. Jetzt steht der Ausstellung eines Haftbefehls nichts
mehr im Wege. Politisch dürfte das ohnehin angespannte Klima im Land durch
den Richterspruch weiter angeheizt werden. Lula führt die Umfragen zur
Präsidentschaftswahl im Oktober deutlich an. Doch es ist gut möglich, dass
das Oberste Wahlgericht seine Kandidatur wegen der Korruptionsverurteilung
einkassiert.
Im ganzen Land kommt es seit Dienstag zu Kundgebungen pro und kontra Lula.
In der Hauptstadt Brasilia war das Gerichtsgebäude weiträumig abgesperrt,
die Polizei trennte die verfeindeten Gruppen. „Ich stehe zu Lula!“ steht
auf Plakaten der einen Seite, „Lula hinter Gitter!“ auf der anderen Seite.
Im Gerichtssaal herrschte ebenfalls Uneinigkeit. Obwohl die Standpunkte der
Richter_innen weitgehend bekannt waren, wurden lange, juristische
verklausulierte Reden gehalten und internationale Vergleiche bemüht. Alle
betonten, dass nicht über Lula, sondern über die Auslegung der Verfassung
gestritten wurde. Im Kern ging es um die Frage, ob die heute gültige
Rechtsprechung, die eine Inhaftierung nach Verurteilung in zweiter Instanz
erlaubt, korrekt ist.
## Die Unschuldsvermutung muss gelten
Die Befürworter des Status quo begründeten ihr Votum zumeist mit der
Notwendigkeit, Straffreiheit zu vereiteln. Viele Schwerverbrecher und
gerade Korrupte mit guten Anwälten würden durch den langen Instanzenweg oft
einer Gefängnisstrafe entgehen, so die Argumentation. Die Gegner dieser
Rechtsauslegung machen geltend, dass die Unschuldsvermutung so lange gelten
muss, bis ein rechtskräftiges Urteil gesprochen wurde. Dieser Grundsatz
steht in der Verfassung von 1988. Seit 2016 gilt aber die neue
Rechtsprechung, nachdem damals ebenfalls sechs der elf höchsten
Richter_innen für eine schnellere Inhaftierung stimmten.
Die Gegner von Lula da Silva feiern. Sie sind fast am Ziel: Lula wäre
ausgeschaltet und seine Arbeiterpartei PT würde ihr wichtigstes Zugpferd
verlieren. Lulas Gegner haben die volle Unterstützung der Massenmedien und
von Wirtschaftskreisen, die unisono davor warnen, die PT wieder an die
Regierung zu lassen.
Diesmal positionierte sich sogar das Militär. Armeekommandant Eduardo
Villas Bôas erklärte kurz vor Prozessbeginn per Twitter, dass das Militär
Straffreiheit ablehne und sich seiner institutionellen Mission bewusst sei.
In dem Land, das zwischen 1964 und 1985 mehrere Militärdiktaturen erlebte,
wurde diese diffuse Drohung von allen Seiten als unangemessen abgelehnt.
Amnesty International sprach von einer Bedrohung der Demokratie. Auch einer
der obersten Richter kritisierte den General ausdrücklich bei seinem
Plädoyer für die Unschuldsvermutung.
Die Anhänger von Lula da Silva sind wütend. Für sie ist das Urteil ein
weiterer Akt der Intrige, die schon vor Rousseffs Amtsenthebung begann und
mit Sicherheit nicht den Kampf gegen Korruption zum Ziel hat. Vielmehr gehe
es um einen radikalen Politikwechsel zum Vorteil von konservativen Werten
und einem liberalen Wirtschaftskurs, sagen Lulas Anwälte. Das
Korruptionsurteil sei ohne Beweise nur auf Grundlage einer unschlüssigen
Kronzeugenaussage zustande gekommen.
5 Apr 2018
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## AUTOREN
Andreas Behn
## TAGS
Luiz Inácio Lula da Silva
Brasilien
Schwerpunkt Korruption
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Jacob Zuma
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Weltsozialforum
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