| # taz.de -- Streit im Bremer Fanprojekt: Wie hältst du’s mit Gewalt? | |
| > Nach 30 Jahren ist Thomas Hafke beim Fanprojekt Bremen rausgeflogen. Der | |
| > Grund sind Differenzen über den öffentlichen Umgang mit der Gewalt von | |
| > Ultras. | |
| Bild: Mögen keine öffentliche Kritik, auch wenn sie Gewalt ausüben: Werder-U… | |
| Bremen taz | Thomas Hafke streicht sich durch den langen Bart. Ungewohnt | |
| sei es, so als Arbeitsloser, ganz ohne Struktur, sagt er. 30 Jahre lang hat | |
| er für das Fanprojekt in Bremen gearbeitet. Viel ist in dieser Zeit | |
| passiert. Er hat Fan-Austausche nach Frankreich, England und Israel | |
| organisiert, half selbst organisierten Werder-Fans Anfang der 1990er dabei, | |
| mit der Initiative „Sitzen ist fürn Arsch“ für den Erhalt der Stehplätze… | |
| kämpfen und begleitete den Wandel in Werders Fanszene von der durch rechte | |
| Hooligans dominierten Ostkurve hin zu einer antifaschistischen Ultra-Szene | |
| mit politischer Bildungsarbeit. | |
| Anfang April wurde ihm gekündigt. Einen großen Abschied gab es nicht. | |
| Eigentlich hatte ihn das Fanprojekt noch früher loswerden wollen, aber mit | |
| einem Anwalt hat Hafke seinen Rausschmiss noch etwas hinausgezögert. Sein | |
| letztes Projekt durfte er noch zu Ende führen. Die Schlüssel für die | |
| Räumlichkeiten im Ostkurvensaal musste er allerdings bereits Ende Dezember | |
| abgeben. Die letzten drei Monate musste er von zu Hause arbeiten. | |
| ## Darf das Fanprojekt Gewalt seiner Klientel kritisieren? | |
| Seine Kündigung ist das Ergebnis eines jahrelangen internen Konflikts | |
| innerhalb des Fanprojekts. Ausgangspunkt des Streits ist die Frage, ob man | |
| seine Klienten, junge Werder-Fans, viele davon DFB-kritische und | |
| antifaschistische Ultras, uneingeschränkt schützt. Darf man als Mitarbeiter | |
| des Fanprojekts bei der Polizei aussagen, wenn die gegen Ultras wegen | |
| Gewalt ermittelt? Muss man die eigene Fanszene für Gewalt auch öffentlich | |
| kritisieren oder sie, komme was wolle, gegen die Polizei in Schutz nehmen? | |
| Beginn dieses Konflikts war eine Auseinandersetzung im Ostkurvensaal vor | |
| fünf Jahren. Nach dem Abschiedsspiel von Torsten Frings war etwas | |
| Ungewöhnliches passiert. Damals hatte sich das Fanprojekt nicht dazu | |
| geäußert, aber Hafke sagt heute: „Ein paar Neonazis nahestehende Ultras aus | |
| Farge hatten sich nach dem Spiel in den Ostkurvensaal getraut und wollten | |
| dort Bier trinken.“ | |
| Nachdem sie von den mehrheitlich linken Ultras identifiziert wurden, seien | |
| mehrere Leute auf die Rechten losgegangen, woraufhin es zu einer | |
| regelrechten Saalschlacht gekommen sei. Auch dazugekommene OrdnerInnen | |
| prügelten sich. Tische und Stühle flogen, es wurde eine Massenprügelei mit | |
| mehreren Verletzten. | |
| Hafke, der das Spiel an der Seite von RollstuhlfahrerInnen vor der Ostkurve | |
| verbracht hatte, hatte nach Abpfiff noch einen Rollifahrer in den | |
| barrierefreien Ostkurvensaal auf ein Bier eingeladen. Was dann passierte, | |
| beschreibt er so: „Ich war gerade dabei, hinterm Tresen Bier einzuschenken | |
| und stand mit dem Rücken zum Raum, als es losging.“ | |
| Die Prügelei ging los, als nächstes sah Hafke, wie der Rollstuhlfahrer am | |
| Boden lag. Ein umherfliegender Stehtisch musste ihn am Kopf getroffen | |
| haben. Er lag bewusstlos auf dem Boden. Kurz darauf kamen SanitäterInnen, | |
| die vor Ort waren, und reanimierten ihn. Der Mann lag über Nacht im | |
| Koma,wachte erst am nächsten Tag im Krankenhaus auf. | |
| ## Aussage bei der Polizei | |
| Hafke sagte daraufhin bei der Polizei aus, was er gesehen hatte. Er habe | |
| mit dem Rücken zur Szenerie gestanden und sich dann um den am Boden | |
| liegenden Rollstuhlfahrer gekümmert, dabei nicht darauf geachtet, wer wen | |
| angegriffen hatte. Schließlich habe er noch bemerkt, wie die Ordner kamen. | |
| Vor seinem inneren Auge blieb vor allem das Bild eines Ordners, der sich | |
| übermotiviert einen Gürtel um seine Faust wickelte – und ein anderer habe | |
| mit einem Stehtisch um sich geschlagen. | |
| Die „eigenen Fans“, also die im Fanprojekt heimischen linken Ultras, habe | |
| er nicht belastet, so Hafke. Dennoch hat er offenbar mit seiner | |
| Polizeiaussage einen ungeschriebenen Ultra-Kodex verletzt. Man spricht | |
| nicht mit der Polizei. Hafke sah das an diesem Abend anders: Beinahe wäre | |
| der Rollstuhlfahrer gestorben. Oft habe er den Fans gesagt: keine Gewalt, | |
| schon gar nicht im Ostkurvensaal. „Die hätten mir sofort Bescheid sagen | |
| sollen und ich hätte die Nazis dann rausgeschmissen. Hatte ich nie ein | |
| Problem mit. Aber ich habe immer gesagt, dass ich Gewalt nicht akzeptiere!“ | |
| Bei Teilen der Ultras ist Hafke seitdem in Ungnade gefallen. Der Ultra | |
| Hannes Meier* sagte der taz, dass Hafke bei vielen Fans im Laufe der Zeit | |
| Kredit verspielt habe. Er selbst lehne Gewalt ab und halte den Ansatz des | |
| Fanprojekts für richtig: „Das Fanprojekt soll präventiv arbeiten und nicht | |
| öffentlich urteilen.“ Aus Meiers Sicht sei nicht die Gewaltfrage das | |
| Problem gewesen, sondern die öffentlich erhobenen Vorwürfe gegen die Fans. | |
| Die Gewaltfrage wird in Werders Fanszene zwiespältig gesehen. Im Gegensatz | |
| zu Hooligans suchen Ultras in der Regel nicht aktiv nach | |
| Auseinandersetzungen, verteidigen sich aber gegen Übergriffe, wenn es drauf | |
| ankommt. Zuletzt hatte es im vergangenen Dezember eine Schlägerei mit | |
| rechten Hooligans an der „Schänke“ gegeben, einer Kneipe im Viertel. | |
| Danach kritisierte das Fanprojekt öffentlich das Vorgehen der Polizei – die | |
| habe besagte Nazi-Hools im Anschluss an das Spiel gegen Mainz 05 aus den | |
| Augen verloren und es so versäumt, Stress zu vermeiden. Ähnlich hatten sich | |
| auch Ultras damals in der taz geäußert. Die Polizei sprach davon, dass die | |
| Ultras die „Schänke“ angegriffen hätten, und ermittelte gegen beide Seite… | |
| Zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft Bremen zahlreiche Hausdurchsuchungen | |
| durchgeführt. | |
| Hafke sagt dazu: „Nach meinen Infos waren das Essener Hools.“ | |
| Nazi-Hooligans von der „Standarte Bremen“ pflegen seit Langem eine | |
| freundschaftliche Verbindung zu rechten Fußballschlägern aus Essen. „Die | |
| Werder-Ultras haben angegriffen und sich keine Gedanken über die anderen | |
| Gäste im Lokal gemacht“, so Hafke. „Das ist genau so eine Scheiße wie | |
| damals im Ostkurvensaal – die denken nicht nach, was dabei passieren kann. | |
| Das geht doch nicht!“, sagt Hafke. Er war selbst lange für die | |
| Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich und kritisiert nach seiner Kündigung: | |
| „Es kann nicht sein, dass sich dort einige nicht trauen, die Ultras für | |
| Gewalt zu kritisieren! Da muss man auch den Fans die Grenzen aufzeigen.“ | |
| Das Fanprojekt sieht das anders. Zur Kündigung wolle das Projekt sich „aus | |
| arbeitsrechtlichen Gründen nicht äußern“, sagt Vorstand Uwe Jahn. Zur | |
| Gewaltfrage: „Das Gewaltmonopol liegt beim Staat und nicht den Ultras – | |
| darüber gibt es keine zwei Meinungen im Fanprojekt.“ Auch eine kritische | |
| Distanz gebe es jederzeit, so Jahn: „Also die Arbeit, die das Fanprojekt | |
| macht, ist immer Arbeit mit Fans. Niemand, der dort professionell arbeitet, | |
| beteiligt sich aktiv als Ultra. Und wenn Distanz fehlen sollte, wäre das | |
| natürlich ein Thema.“ | |
| *Name geändert | |
| 13 Apr 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
| ## TAGS | |
| Werder Bremen | |
| Ultras | |
| Fußballfans | |
| Deutscher Fußballbund (DFB) | |
| Polizei Bremen | |
| Werder Bremen | |
| Werder Bremen | |
| Bremen | |
| Fußballvereine | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Fanprojekten droht Kürzung: DFB gegen Sozialarbeit | |
| Erst plant der Fußballverband Fanprojekten Gelder zu kürzen, dann vertagt | |
| er dies – zunächst. Doch die Gewaltprävention im Fußball ist gefährdet. | |
| Bremer Fanbetreuer über Stadionkultur: „Auch Ultras gehören kritisiert“ | |
| Thomas Hafke leitete 30 Jahre das Bremer Fanprojekt, nun wurde ihm | |
| gekündigt. | |
| Ermittlungen gegen Ultras eingestellt: Kein Aufruf zu Gewalt | |
| Die Bremer Konrad-Adenauer-Stiftung macht Stimmung gegen linke Ultras. | |
| Ermittlungen wegen eines Banners werden eingestellt. | |
| Erinnerung an Alfred Ries in Bremen: Der fast vergessene Präsident | |
| Lange war der jüdische Werder-Präsident Alfred Ries in Vergessenheit | |
| geraten. Eine Recherche von Fans fördert 2017 die bewegte Biografie des | |
| NS-Überlebenden zutage. | |
| Massenschlägerei zwischen Ultras und Hooligans: „Die Gefahr war bekannt“ | |
| Nach einer Massenschlägerei im Bremer Viertel warnt das Fanprojekt davor, | |
| die Rechten zu unterschätzen: Sie hätten es darauf ankommen lassen. | |
| Ultras in Bremen: Fankurve wird nazifrei | |
| Linke Fans von Werder Bremen haben dafür gesorgt, dass Nazis in der | |
| Ostkurve nicht mehr willkommen sind. Vor 15 Jahren sah das noch ganz anders | |
| aus. |