# taz.de -- Stereotype Frauentypen im Hollywoodfilm: Der Karriere-Check | |
> Berufstätige Frauen erfüllen in Filmen oft Klischees – das muss sich | |
> ändern. Welche Karrieretypen feministisches Potenzial haben und welche | |
> nicht. | |
Bild: Meryl Streep spielt in „Der Teufel trägt Prada“ die Chefin eines Mod… | |
Das Berufsleben von Frauen ist in Hollywoodfilmen oft nebensächlich. Statt | |
Pläne am Konferenztisch machen sie Pilates. Statt über Gehalt sprechen sie | |
über ihr letztes Date. In den 100 erfolgreichsten Filmen von 2017, [1][so | |
eine Studie von „Women and Hollywood“], verfolgen nur 34 Prozent der Frauen | |
Ziele bei der Arbeit. Fast doppelt so oft wie Männer haben Filmfrauen | |
hingegen Ziele im Privatleben. Kaum erzählt werden deshalb Geschichten über | |
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder über den Umgang mit | |
patriarchalen Karrierestrukturen. | |
Hollywoodfilme sind auch auf deutschen Leinwänden präsent. Die Filme | |
bestimmen – zu einem nicht unerheblichen Teil – unseren Blick auf die Welt. | |
Schon deshalb müssten berufstätige Frauen gezeigt werden. Doch auch die | |
Filmbranche selbst spiegelt diese Unverhältnismäßigkeit wider: [2][Das | |
Center for the Study of Women in Television and Film an der San Diego State | |
University untersucht] seit zwanzig Jahren, wie viele Filmjobs, von der | |
Regisseurin bis zur Cutterin, mit Frauen besetzt werden. Das Resultat: 1998 | |
lag der Anteil von Frauen hinter der Kamera bei den Top-250-Filmen gerade | |
mal bei 17 Prozent. 2017, knapp zwei Jahrzehnte später, sind es 18 Prozent. | |
Das führt oft dazu, dass berufstätige Frauen, wenn sie denn vorkommen, | |
nicht als komplexe Charaktere, sondern als einfach zu erzählende, flache | |
Typen dargestellt werden. Wir befragen die vier häufigsten berufstätigen | |
Frauenprototypen im Hollywoodfilm nach ihrem emanzipatorischen Potenzial. | |
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Die Romcom-Frau | |
Der Typ | |
In den 90ern war es Meg Ryan, in den Nullerjahren Jennifer Aniston, heute | |
gibt es so viele „Romcoms“ (kurz für „Romantic Comedy“), dass man Dutz… | |
Namen aufführen könnte. Zu den Berufen, die Frauen in romantischen Komödien | |
haben, gehören Grundschullehrerin, Floristin, Galeristin, Designerin, | |
Journalistin bei einem Klatschmagazin – oder sie haben eine kleine | |
Konditorei. | |
Das Prinzip | |
Nichts gegen Kuchen! Aber die Plots benutzen diese Berufe bewusst, um | |
weibliche Stereotype zu reproduzieren. Sie sollen den Protagonistinnen | |
etwas Nahbares und Unbedrohliches verleihen. Das entspricht nicht der | |
Realität dieser Berufe. Aber so soll sich der männliche Held – und der | |
Zuschauer – wohl leichter in sie verlieben können. Andere Jobs kommen kaum | |
vor. Warum nicht mal eine Tischlerin, Steuerberaterin oder Physikerin als | |
Heldin? | |
Das Problem | |
Man könnte jetzt sagen: So funktionieren Romcoms eben. Muss man die ernst | |
nehmen? Nun ja. Frauen gehen in Deutschland häufiger ins Kino als Männer. | |
Vor allem Mädchen und Frauen von 10 bis 29 Jahren. Kinos laden bei | |
Ladysnights zu Sekt, Popcorn und Romcom ein. Zu den von Frauen am | |
häufigsten gesehenen Filmen zählten im Jahr 2016 in Deutschland Liebesfilme | |
wie „Bridget Jones’ Baby“ und „How to Be Single“. | |
Wie man es richtig macht? | |
Frauen sollten öfter das Drehbuch schreiben. Annie Mumolo zum Beispiel. Die | |
US-Autorin schrieb das Skript zu erfolgreichen Romcoms „The Boss“ oder „B… | |
Moms“. Oder Aline Brosh McKenna, von der „Morning Glory“ und „Der Teufel | |
trägt Prada“ stammen. An der Bandbreite von Berufen hapert es auch hier. | |
Dafür gibt es laute, leise, selbstbewusste und zweifelnde, kurz | |
vielschichtigere Protagonistinnen, die Karriere und Privates vereinen | |
wollen. Witzig sind die Filme obendrein. Vielleicht wäre das gar ein neues | |
Genre: „Careercom“. | |
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Die Karriere-Frau | |
Der Typ | |
Die Bürotür geht auf, eine Frau mit Chanelkostüm und Aktentasche kommt | |
herein – und ringsherum verstecken sich Menschen unter Tischen oder hinter | |
Kopierern. So etwa bei Sandra Bullock in „Selbst ist die Braut“. Die | |
Karrierefrau ist in vielen Hollywood-Filmen ein einsames Arschloch. Urlaub | |
gibt es für sie nicht, nach der Arbeit läuft sie mindestens 20 Kilometer | |
auf dem Laufband, besucht ihren Therapeuten oder trinkt allein ein Glas | |
Wein in ihrer großen in Weiß, Schwarz und Metallic eingerichteten Wohnung. | |
Sie ist Politikerin, Anwältin, Kommissarin oder Ärztin. | |
Das Prinzip | |
Die Karrierefrau braucht Hilfe – das denken zumindest die Drehbuchautoren. | |
Die Protagonistin soll aufhören, Männer zu kopieren und zu ihrer weiblichen | |
Seite zurückfinden. Denn eigentlich füllt der Job nur die Leerstelle in | |
ihrem Privatleben. Sie trifft dann einen Mann, der ihr zeigt, wie viel Spaß | |
das Leben macht, wenn sie mal lockerlässt. Oder die Karrierefrau bleibt, | |
wie sie ist, und wird von Filmkritikern analysiert, so wie Jessica Chastain | |
als Lobbyistin in „Die Erfindung der Wahrheit“: Wie kann eine Frau nur so | |
sein? | |
Das Problem | |
Immer mehr Frauen wollen in Spitzenpositionen. Egal welchen Führungsstil – | |
sympathisch oder Arschloch – Frauen wählen, sie haben Fragen, die sie in | |
der Popkultur wiederfinden wollen. Wie argumentiere ich für meine Ziele? | |
Wie verhandele ich über Gehalt? Wie funktioniert Empowerment unter Frauen? | |
Wie wehre ich mich gegen Sexismus? | |
Wie man es richtig macht? | |
Beispiele sind rar. Whoopi Goldberg lieferte 1996 eines mit „Wer ist Mr. | |
Cutty?“. Dort baut sie sich ihr eigenes Finanzunternehmen auf. Sie zeigt, | |
wie Solidarität unter Frauen geht, und entlarvt Chauvi-Strukturen und | |
Rassismus. Ansonsten finden sich gute Karriere-Serien bei | |
Streaming-Anbietern: „The Bold Type“, „Mozart in the Jungle“, „Good G… | |
Revolt“ (leider abgesetzt), „Girlboss“ (leider auch abgesetzt). | |
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Die Biopic-Frau | |
Der Typ | |
Schreiben ist mein Leben („Geliebte Jane“)! Ich will Mode machen („Coco | |
Chanel“)! Ein Land regieren, genau mein Ding („Victoria, die junge | |
Königin“)! Biografische Filme mit weiblicher Hauptrolle spielen oft in | |
einer Zeit, in der es Frauen noch viel schwerer hatten, sich beruflich zu | |
verwirklichen. Es geht in diesen Geschichten also vor allem darum, dass | |
Frauen mit ihren Fähigkeiten überhaupt erst Gehör finden müssen. | |
Das Prinzip | |
Die meisten biografischen Filme – kurz „Biopics“ – über berühmte Frau… | |
zeigen talentierte Protagonistinnen. Doch auch das Biopic kommt selten ohne | |
Liebesgeschichte aus. Nicht selten wird der Protagonistin ein Mentor an die | |
Seite gestellt, und die Beziehung wird nach und nach zum Mittelpunkt des | |
Plots. Bettszenen bei Geigenmusik und aus dem Off gelesene Schmachtbriefe | |
inklusive. | |
Das Problem | |
Frauen in Geschichtsbüchern sind selten. Deshalb sollten gerade Filme und | |
Serien das Potenzial dieser Plots nutzen. Denn auch Frauen haben erfunden, | |
regiert, kreiert und damit Geld verdient. Warum nicht mal 90 Minuten lang | |
zeigen, wie sich eine Frau in einem Atelier, im Labor oder am Rednerpult | |
behauptet? Wie sie scheitert und weitermacht. Auch da kann man Geigenmusik | |
drunterlegen. | |
Wie geht es besser? | |
Der mehrfach Oscar-nominierte Film „Hidden Figures“ erzählt von drei | |
Nasa-Mathematikerinnen. „Die Eiserne Lady“ zeigt, wie die britische | |
Premierministerin Margaret Thatcher mit Alter und Demenz umgeht. Und „Joy“ | |
von 2015 handelt von der US-Amerikanerin Joy Mangano. Mit ihrer Erfindung | |
des sich selbst auswringenden Mopps legte sie den Grundstein für ein | |
millionenschweres Unternehmen. Alle drei Filme nehmen sich Zeit, den | |
beruflichen Werdegang der Frauen mit allen Rückschlägen und Erfolgen zu | |
zeigen. Realistisch eben. | |
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Die Streberin | |
Der Typ | |
In fast allen Filmen mit Hilary Swank spielt sie den Typ „Streberin“. Als | |
Lehrerin bringt sie zum Beispiel in „Freedom Writers“ eine Schulklasse, die | |
alle anderen Lehrer aufgegeben haben, zum Collegeabschluss. Als Anwältin in | |
„55 Steps“ setzt sie sich für das Mitspracherecht von Patienten in | |
psychiatrischer Behandlung bei ihrer eigenen Medikation ein. In „Million | |
Dollar Baby“ lernt sie boxen und erarbeitet sich eine Karriere. Ihre | |
Figuren brüten bis in die Nacht über Lehrplänen und Akten oder hauen auf | |
Boxsäcke ein. | |
Das Prinzip | |
Beinahe der gesamte Plot konzentriert sich hier auf den Beruf. Auf die | |
Freude und Stärke, die man daraus ziehen kann. Nicht die Anerkennung | |
anderer steht im Vordergrund, sondern Selbstbestimmung. Es müssen nicht | |
Charme, gute Kontakte und Intrigen sein, die einen beruflich weiterbringen. | |
Auch harte Arbeit und Hartnäckigkeit können ans Ziel führen. So sympathisch | |
wie die Romcom-Frau ist sie selten. Zum Glück. | |
Das Problem | |
Es gibt keines. Zwar fehlt den Figuren manchmal ein Privatleben, und oft | |
sind sie Einzelgängerinnen. Dennoch ist die Streberin ein differenzierter | |
Gegenentwurf zur Romcom-, Biopic- und Karrierefrau. Mit ihren diversen | |
Eigenschaften – selbstsicher, schüchtern, nerdig, arrogant, stur oder nett | |
– ist sie ein optimales Vorbild. | |
Wie macht man es richtig? | |
Wie gesagt, die Filme mit Hilary Swank schauen: „Million Dollar Baby“ | |
(Swank als Boxerin), „Freedom Writers“ (Swank als Lehrerin), „55 Steps“ | |
(Swank als Krankenschwester und Anwältin), „Betty Anne Waters“ (Swank als | |
Anwältin), „The Homesman“ (Swank als Landbesitzerin), „Mary & „Martha�… | |
(Swank als Aktivistin). | |
3 Apr 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://womenandhollywood.com/resources/statistics/2017-statistics/ | |
[2] https://womenintvfilm.sdsu.edu/wp-content/uploads/2018/01/2017_Celluloid_Ce… | |
## AUTOREN | |
Christine Stöckel | |
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