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# taz.de -- Wiederentdeckter Horrorfilm „Laurin“: Eine tote Katze wird zur …
> Die Uraufführung von „Laurin“ war 1987 – nun kommt die Krimigeschichte
> zurück ins Kino. Kein Wunder, denn dieser Film braucht eine große
> Leinwand.
Bild: Spooky: Dóra Szineta als „Laurin“
Robert Sigls deutscher Gothic-Horrorfilm „Laurin“ spukt seit seiner
Uraufführung 1987 durch die Filmgeschichte. Unsichtbar wie ein Geist war
der Film vor allem in Deutschland, wo ihn im Gegensatz zum Ausland seit 30
Jahren kaum jemand bemerkt hat. Nach einer neuen Abtastung im Münchner
Filmmuseum und mit Unterstützung des ambitionierten Labels Bildstörung hat
der Film nun wieder seine alte Gestalt zurückerlangt und wird zur
Wiederentdeckung nochmals im Kino zu erleben sein.
Die große Leinwand sollte selbstverständlich sein für Sigls Film, denn er
hat ihn offensichtlich ganz vom Bild her gedacht – als bisher einzigen
Kinospielfilm seiner Karriere.
Ein schwarzer Hund schleicht herum und mit ihm ein dunkel gekleideter
Unbekannter, der Buhmann des Films. Puppen liegen in Laurins Zimmer
verteilt und auf dem Dachboden. Mal steht ein Bein hervor, mal erscheinen
Puppengesichter blutverschmiert, als Traumbild und Vision. Da sind Spiegel
in den Räumen, die viele Bilder und Blicke verdoppeln, selbst im
Klassenzimmer der Schule. Weil den Kindern nicht zu trauen sei, meint der
Rektor.
Und dann natürlich ein unheilvoller Wald, der erstmals im trüben Licht
eines Regentages zu sehen ist. Er ist voller karger Baumstämme, die
zwischen mattgrünen Gräsern stehen und die Weitsicht verderben. Dazwischen
läuft eilig ein weinerlicher Junge in einem blauen Matrosenanzug. Er wird
panisch.
## Im Ort verschwinden Kinder
Als irgendwann im Film eine Katze stirbt, ist ihre Leiche ganz unvermittelt
zur Puppe geworden. Das macht aber keinen Unterschied mehr, denn in Sigls
Film haben anscheinend alle Gegenstände eine Seele. Ebenso wie die Räume
ganz zu Stimmungsräumen werden, wenn sie von grünen, roten und blauen
Lichtern geflutet werden.
Robert Sigl hatte keine Scheu vor starkem Ausdruck. Der eindringlichste
Gegenstand des Film ist ein schwarzer Drache, der unheilvoll am Himmel
schwebt, erst verbunden mit einem Schuss, dann begleitet von
subtil-panischen Synthesizern: der Vorbote des Todes und doch ein
Spielzeug, eine angeleinte Attrappe.
Die Dinge treten im Film schnell in Zusammenhänge. Das Mädchen Laurin
beobachtet irgendwann den Mann in Schwarz, den Buhmann, als er nachts im
Fenster einer Burgruine steht, mit einer Fackel in der Hand, ins Dunkel
starrend, vielleicht direkt zu ihr. Und tatsächlich verschwinden Kinder im
Ort. Selbst Laurins Mutter kommt auf ungeklärte Weise ums Leben.
„Laurin“ ist als unheimliche Kriminalgeschichte angelegt und formuliert
eine Suche, die weniger das Naheliegende ausloten als das Undurchsichtige
erspüren will. Das Kind sucht nach Spuren und Zeichen, behält eine
Buchseite, die einen grotesken Kerl mit wahnsinnigem Blick und einem
großen, prall gefüllten Mehlsack auf dem Rücken zeigt. Der Pfarrer des Orts
ist verdächtig, ein fanatischer und herrischer bis gewaltbereiter Mann.
Nahaufnahmen erkunden riesenhaft sein Gesicht und seine Blicke. Der neue
Lehrer an der Schule hingegen, Herr von Rees, scheint Laurins Sympathie zu
genießen – vielleicht weil er beinahe wie ihr Vater ausschaut.
Sigls Film spielt mit Ähnlichkeiten und verschleiert nicht seine Bezüge,
etwa zum italienischen Horrorfilm der Siebziger à la Lucio Fulci oder Dario
Argento oder zu Roman Polanski, den Sigl als Absolvent der Münchner
Filmhochschule gründlich studierte. Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger,
laut Aussage des Regisseurs mitverantwortlich für die Wiederentdeckung des
Films, zieht weitere Linien zu Werner Herzog, Jaques Turneur oder Stanley
Kubrick. Und doch bewegt sich der Film seinerzeit in einer Art luftleerem
Raum, sieht sich einer deutschen Filmkultur gegenüber, deren wesentliche
Produktion von flachen Komödien dominiert ist.
Die Auszeichnung des 27 Jahre jungen Robert Sigl mit dem Bayrischen
Jugendfilmpreis war damals nur durch die entschlossene Unterstützung
einzelner Jurymitglieder wie dem Münchner Gruppe-Filmemacher Eckhart
Schmidt oder der Fassbinder-Schauspielerin Rosel Zech möglich. Auch
Filmkritiker Peter Buchka verteidigte den Film, meint Sigl jüngst im
Interview. Dennoch wird Sigls Karriere im Nachgang systematisch sabotiert.
Er erhält nur noch TV-Aufträge. Für fantastische und provokative Stoffe
mangelt es auch 30 Jahre später an Offenheit bei den deutschen
Förderinstitutionen.
29 Mar 2018
## AUTOREN
Dennis Vetter
## TAGS
Horrorfilm
Gothic
Werner Herzog
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Genrefilm
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