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# taz.de -- Kinoempfehlung für Berlin: Grauen vom Feinsten
> Es waren immer Männer, die den Horror- und Slasher-Film definierten. Das
> Final Girls Berlin Festival holt ab morgen zum Gegenschlag aus.
Bild: In „Home Education“ von Andrea Niada dreht der ödipale Konflikt kuri…
Der Horrorfilm geht zu Ende, der Killer oder die unheimliche Macht hat den
größten Teil seiner bösen Arbeit getan, nur ein Mädchen ist entkommen und
holt nun zum Gegenschlag aus: Das „Final Girl“.
Zig Horrorfilme funktionieren nach diesem Strickmuster. Das Final Girl ist
ein typischer Horrorfilmkniff und längst ein stehender Begriff in der
Branche. Wenn man nun vorhat, den Horrorfilm und sein Regelwerk zu
dekonstruieren, ergibt es Sinn, gleich mal auf die Klischeehaftigkeit des
Genres hinzuweisen.
Das [1][Final Girls Berlin Film Festival], das zum dritten Mal statt
findet, vom 1. bis zum 3. Februar in Friedrichshainer Kino B-Ware, und das
ausschließlich Horrorfilme zeigt, die von Frauen entweder geschrieben,
gedreht oder produziert wurden, nennt sich also aus gutem Grund so.
Wie beim Porno, wo seit einiger Zeit ja Ähnliches versucht wird, ist es
besonders beim Horrorfilm augenfällig, wie der Blick von Frauen ein von
Männern geprägtes Genre erneuern könnte. Egal ob John Carpenter mit
„Halloween“ oder die „Freitag der 13.“-Reihe, es waren immer Männer, d…
den Horror- und Slasherfilm und dessen Funktionsweise definierten. Und die
den Frauen eben die Rolle als Final Girl zuwiesen oder als Scream-Queen,
als sprichwörtliche Schreikönigin, was sicherlich auch nicht das ist, was
man als emanzipierte Frau unbedingt sein möchte.
Dazu kommen noch all die seltsamen und rückständigen Moralvorstellungen,
die in so vielen Horrorfilmen verhandelt werden, die vor allem Frauen
treffen. Spätestens seit Wes Cravens postmodernen „Scream“-Filmen weiß ma…
Wenn das Mädchen im Slasherfilm Sex hat, ist sie garantiert die nächste,
die sich der Killer quasi als deren Bestrafung holt.
Die über 40 Filme, die beim Final Girls Berlin Film Festival gezeigt
werden, die meisten von ihnen sind Kurzfilme und stammen aus den letzten
beiden Jahren, geben Frauen im Horrorfilm endlich auch mal andere Rollen
als die des Opfers, das entweder genussvoll zerstückelt wird oder mit etwas
Glück gerade noch mal davonkommt.
Auch der Begriff Horror wird nicht unbedingt so definiert, dass Sturzbäche
von Blut fließen müssen oder gewalttätige Akte zelebriert werden wie in
Dank der „Saw“-Reihe vor Kurzem noch so populären Torture-Porn-Filmen. Der
Horror, der hier gezeigt wird, ist oft eher ein psychologischer Horror. Da
geht es um das Grauen der Adoleszenz oder um die erschreckende Erkenntnis,
in einer Männerwelt aufwachsen zu müssen.
So etwa in „Fry Day“ von Laura Moss, der als deutschlandweite Premiere im
B-Ware gezeigt wird. Ende der Achtziger: Auf einer Art Hinrichtungsparty,
bei der gefeiert wird, dass der berüchtigte Serienkiller Ted Bundy gleich
auf dem elektrischen Stuhl landen wird, lernt ein Mädchen einen süßen Typen
kennen, der sich aber bald als echtes Arschloch entpuppt. Ted Bundy, der
seine Opfer, allesamt Frauen, vergewaltigte und tötete, wurde gefasst, das
ganze Land ist in euphorischer Stimmung, aber für das Mädchen, so die
Erkenntnis, hat sich nicht wirklich etwas geändert.
Viele der Filme, die beim Final Girls Festival gezeigt werden, bleiben aber
nicht nur bei der Psychologisierung von Ängsten aus der Perspektive von
Frauen stehen, sondern zeigen auch Lösungen, bieten ihnen
Entwicklungsmöglichkeiten, Empowerment an. In „Home Education“ von Andrea
Niada etwa muss sich ein Mädchen von seiner Mutter allerlei kuriose
Belehrungen anhören. Nur wenn sie sich so und so verhalte, werde ihr Vater
zurückkommen.
Der aber liegt längst tot in seinem Zimmer und zieht bereits die Fliegen
an. Irgendwann kommt das Mädchen darauf, dass der wahre Grund dafür, dass
sein Vater noch nicht wieder neben ihm am Küchentisch sitzt, ein ganz
anderer sein muss: Wahrscheinlich liegt es an der nervigen Mutter. Also
muss etwas getan werden und der ödipale Konflikt, der hier aufgezeigt wird,
dreht kuriose Pirouetten.
Auch „Wild Skin“ von Ariane Louis-Seize ist so ein Film, der aufzeigt, dass
die Begegnung einer Frau mit dem Unheimlichen nicht zwangsläufig zu deren
Demütigung oder Vernichtung führen muss, wie es eigentlich das
Horrorfilm-ABC vorsieht, sondern im Gegenteil ihre Emanzipation bedeuten
kann.
Der Film ist so eine Art kanadische Version von Nicole Krebitz’ „Wild“ mit
einem anderen Tier. Anstatt mit einem Wolf geht hier eine junge Frau eine
Angst-Lust-Beziehung mit einer Python ein. In der Spiegelung mit dem Tier
entdeckt sich die Frau neu. Am Ende befindet sie sich in einer
poetisch-surrealen Dschungellandschaft. Allein, als Final Girl, nur halt
ganz anders.
Dieser Text erscheint im taz Plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz
31 Jan 2018
## LINKS
[1] https://filmfreeway.com/FinalGirlsBerlinFilmFestival
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Horrorfilm
Filmfestival
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Science-Fiction
Horrorfilm
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