# taz.de -- Kurdische Demonstration in Hannover: Newrozfest im Zeichen des Krie… | |
> In Hannover haben 11.000 Kurden am Samstag ihr Neujahrsfest gefeiert. | |
> Dabei machten sie auf die Lage in der syrischen Stadt Afrin aufmerksam. | |
Bild: eine kurdische Demonstrantin am Samstag in Hannover | |
HANNOVER taz | Ayfer Kahraman zittert. Sie beobachtet gerade, wie die | |
Polizei einen Demonstranten in der Innenstadt von Hannover überwältigt. | |
„Sie tun ihm weh“, sagt sie den Beamten immer wieder. Kahraman gehört dem | |
Frauenrat Ronahi an und unterstützt den Protest zum kurdischen Newroz. | |
11.000 Kurden und Unterstützer sind gekommen, um das Neujahrsfest, das | |
eigentlich am 21. März begangen wird, zu feiern und dabei auf die desolate | |
Situation der Menschen in der syrischen Stadt Afrin aufmerksam zu machen. | |
Afrin ist andauernden militärischen Angriffen durch die türkische Armee | |
ausgesetzt. Gerade wurde bekannt, dass mehr als ein Dutzend Menschen bei | |
einem Angriff auf ein Krankenhaus gestorben sein sollen. Die Regierung | |
Erdogans bezeichnet die dortige syrische Kurdenmiliz YPG als terroristisch, | |
weil sie angeblich enge Verbindungen zur verbotenen Kurdischen | |
Arbeiterpartei PKK unterhält. In Hannover solidarisieren sich die | |
Demonstranten mit der YPG. Der Name der Miliz ist auf grün-gelben Fahnen | |
mit rotem Stern zu sehen. Hunderte davon wehen über den Köpfen der | |
Demonstranten. | |
„In Afrin werden Frauen und Kinder getötet“, sagt eine 60-jährige Frau. Im | |
Gesicht trägt sie traditionelle jesidische Tätowierungen. Sie sind nach all | |
den Jahren verblasst. „Ich demonstriere hier gegen Erdoğan“, sagt sie. Die | |
20-Jährige Mugan Mehriban ist extra aus Bensheim bei Frankfurt angereist. | |
„Meine Landsleute sterben in Afrin“, sagt sie. Klar, dass sie aus Protest | |
gegen den türkischen Staat und den sogenannten Islamischen Staat auf die | |
Straße gehe. | |
Die Demonstration ist in zwei Züge aufgeteilt. Einer beginnt am großen | |
Schützenplatz, der andere auf einem Platz in einem Wohngebiet. Treffen | |
sollen die Züge sich später am Opernplatz mitten in der Innenstadt, aber es | |
dauert, bis sich die Demonstranten, Frauen vorneweg, in Bewegung setzen. | |
Die Polizei hat die Zufahrtsstraßen nach Hannover dichtgemacht und | |
kontrolliert Busse und Autos auf der Suche nach Symbolen der PKK. Das zieht | |
sich. Die Teilnehmer trudeln nur schleppend an den Startpunkten ein. | |
## Demoverbot wurde vom Verwaltungsgericht gekippt | |
„Nachdem die Polizei im Großen verloren hat, versucht sie nun im Kleinen | |
die Daumenschrauben anzulegen, um uns das Demonstrieren so schwer wie | |
möglich zu machen“, vermutet Anmelder Dirk Wittenberg von der | |
Interventionistischen Linken. Die Polizei hatte das Newrozfest in Hannover | |
zunächst verboten, weil sie darin eine Unterstützung der PKK sah. Das | |
Verwaltungsgericht hatte das Verbot jedoch in der vergangenen Woche | |
gekippt. | |
Nun führen die Polizisten die Demonstranten in engem Spalier in Richtung | |
Innenstadt, der Zug umrundet aber das Steintor, ein Viertel mit vielen | |
türkischen Läden. Konfrontationen gibt es keine. „Wir wünschen uns ein | |
friedliches Newrozfest“, sagt eine Frau. Die Menge brüllt: „Terrorist | |
Erdoğan“ oder „Deutsche Panzer raus aus Kurdistan.“ Die Eskalation kommt | |
dann ganz plötzlich. | |
Ein junger Mann soll seine Winterjacke aufgeknöpft und so sein T-Shirt mit | |
dem Konterfei des in der Türkei inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan | |
gezeigt haben. Die Jacke soll er auch nach Aufforderung von Beamten nicht | |
wieder geschlossen haben, so sagt später die Polizei. Zu sehen ist, wie | |
zwei Polizisten aus Nordrhein-Westfalen den Mann zu Boden drücken. Er wehrt | |
sich und wird, nachdem Demonstranten sich lautstark über den Polizeieinsatz | |
beschweren, hinter eine Säule eines Kaufhauses gezogen. | |
„Warum? Warum?“, schreit der Mann, als ihn die Polizisten festhalten. Auch | |
ein Dolmetscher kann ihn nicht beruhigen. Der Mann will sogar mit dem Kopf | |
gegen die Säule schlagen, als er sich nicht befreien kann, aber ein | |
Polizist schützt den Kopf mit seinen Händen. Der Demonstrant muss in der | |
Kälte sein T-Shirt ausziehen. | |
Als er sich nicht fesseln lassen möchte, drücken ihn vier Polizisten zu | |
Boden, fixieren ihn mit Kabelbindern und Handschellen, drücken ihm die Knie | |
in den Rücken und halten ihn Minuten lang am Boden. Sie gehen nicht | |
zimperlich mit ihm um. Ein Polizist schubst auch einen Fotografen weg. | |
## Mindestens drei Festnahmen | |
Mittlerweile ist auch Ayfer Kahraman vor Ort. „Das ist nicht menschlich. | |
Das ist keine normale Festnahme“, sagt sie. | |
Vier Beamte tragen den zappelnden Mann aus der Menge und legen ihn dann | |
erneut auf den kalten Boden. In der Nacht hat es in Hannover geschneit. | |
Eine Helferin breitet eine Rettungsdecke über ihn aus. Kahraman beugt sich | |
ganz nah über den Mann und übersetzt für die Polizisten. „Er hat Schmerzen | |
im Kopf und in den Armen“, sagt sie. Der Demonstrant wehrt sich nicht mehr | |
gegen seine Fesseln. | |
„Warum habt ihr uns Ordnern nicht Bescheid gesagt?“, fragt Kahraman einen | |
Konfliktmanager der Polizei. Doch der weiß auch keine Antwort darauf, warum | |
seine Kollegen so in die Demo eingegriffen haben. | |
Insgesamt gibt es laut Polizei mindestens drei Festnahmen, weil sich | |
Demonstranten einer Identitätsfeststellung widersetzt haben, nachdem sie | |
verbotene Symbole gezeigt haben sollen. Im zweiten Protestzug sollen | |
Demonstranten PET-Flaschen auf Polizisten geworfen haben und mit Fahnen auf | |
die Beamten losgegangen sein. „Insgesamt war es aber ein Einsatz ohne | |
größere Störungen“, sagt ein Polizeisprecher. | |
Als sich die beiden Züge vor der Oper treffen, ist der Platz brechend voll. | |
Auch hier wird die eine oder andere verbotene Fahne gezeigt, aber die | |
Menschen wollen vor allem zusammen ihr Newrozfest feiern. Ein Sprechchor | |
stimmt an: „Freiheit für Kurdistan.“ | |
17 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Andrea Scharpen | |
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