# taz.de -- Presse-Lobby gegen Zeitungsboten: Verleger bekommen Hilfe vom Staat | |
> Die Große Koalition will den Verlagen jede Menge Geld schenken. Sie | |
> sollen künftig weniger zur Rente ihrer Zeitungsboten dazugeben müssen. | |
Bild: Kann die Verleger-Lobby auch etwas gegen Dobermänner unternehmen? | |
Es ist eine erstaunlich konkrete Passage im sonst eher vage gehaltenem | |
[1][Koalitionsvertrag]. Sie betrifft Zeitungsboten, die Verlage, die sie | |
beschäftigen – und den Steuerzahler. Denn auf Seite 493 steht, dass die | |
Große Koalition die Sozialabgaben für Zeitungszusteller senken will, „zur | |
Sicherung der bundesweiten Versorgung mit Presseerzeugnissen“. Die Verlage | |
sollen in den kommenden fünf Jahren statt bisher 15 nur noch 5 Prozent zur | |
Rente ihrer Zusteller dazuzahlen. Woher die restlichen 10 Prozent kommen | |
sollen, bleibt unklar. Vom Zusteller selbst? Aus Steuern; der Rentenkasse? | |
Es gibt rund 140.000 Zusteller in Deutschland, das ist eine Schätzung des | |
Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), also ihres | |
Arbeitgeberverbands. Der BDZV vertritt die Verlage von knapp 300 Tages- und | |
Wochenzeitungen (nicht die taz). All diese Zeitungen gelangen durch | |
Zusteller frühmorgens in die Briefkästen. Die meisten dieser Zusteller sind | |
Minijobber. Und wer für 450 Euro einen Minijob macht und dabei in die | |
Rentenkasse einzahlt, dem gibt der Arbeitgeber normalerweise 15 Prozent | |
dazu. Wenn dieser Arbeitgeberanteil für Zusteller nun auf 5 Prozent gesenkt | |
werden soll, bleiben 10 Prozent offen. Müsste der Zusteller sie selbst | |
zahlen, wären das 45 Euro im Monat, die er weniger im Portemonnaie hätte. | |
Die Koalitionäre haben bereits versprochen, dass die Zusteller nicht selbst | |
zahlen müssen. Monika Grütters (CDU), Staatsministerin für Kultur und | |
Medien, sagte kürzlich in der ARD, die verbleibenden 10 Prozent würden „vom | |
Staat“ übernommen. Die Bundes-SPD bestätigt das gegenüber der taz. Das Geld | |
solle aus „Bundesmitteln“ kommen. | |
„Damit würden wir alle, also die steuerzahlende Allgemeinheit, einen Teil | |
der Rentenbeiträge für die Zusteller bezahlen“, sagt Johannes Steffen, | |
Rentenexperte und Betreiber des „[2][Portals für Sozialpolitik“.] Laut | |
Steffen gibt es das in keiner anderen Branche, dass der Staat die Renten | |
von Minijobbern aufstockt. „Das wäre ein massives Geschenk an die | |
Verleger.“ | |
Steuerliche Subventionen für die Verleger wäre übrigens auch unter dem | |
Gesichtspunkt der Unabhängigkeit von Medien schwierig: Steuergelder für die | |
Presse sind in Deutschland tabu. | |
## Nicht der erste Lobbyerfolg | |
Der BDZV verweist auf Nachfrage [3][auf seine Webseite.] Dort heißt es: | |
„Die Minijobber haben keine Gehaltseinbußen.“ Und: „Die entstehende | |
Differenz … wird vom Staat getragen.“ Ein Geschenk für die Verlage sei das | |
nicht, schreibt der Verband weiter, vielmehr „verfassungsrechtliche | |
Verantwortung“ der Parteien, um die Presse- und Meinungsvielfalt zu | |
sichern. | |
Für den Verband ist das Groko-Vorhaben ein Erfolg: Sein Chef, | |
Springer-Vorstand Mathias Döpfner, sagt häufig, das Zeitungszustellen müsse | |
„finanzierbar bleiben“. In [4][seinem Neujahrsgruß] richtete er sich damit | |
direkt an die neue Bundesregierung. Dass Döpfner so Einfluss auf die | |
Verhandler genommen haben soll, bestreitet der BDZV. Fachleute aus Politik | |
und Gewerkschaften kritisieren dennoch den Verleger-Lobbyismus, der zu dem | |
Passus im Koalitionsvertrag geführt habe. Die Unions-Politiker Joachim | |
Pfeiffer und Matthias Zimmer äußerten ihre Kritik zuletzt in der taz. | |
Es wäre nicht der erste Lobbyerfolg der Verleger. Schon als Anfang 2015 der | |
Mindestlohn eingeführt wurde, hatten sie eine Ausnahme erwirkt. Auf den | |
vollen Mindestlohn von 8,50 Euro mussten die Zusteller bis Anfang dieses | |
Jahres warten. | |
## Deal von „ganz oben“ | |
Wie genau die Kürzung des Arbeitgeberzuschusses in den Koalitionsvertrag | |
kam, bleibt unklar. Aus SPD- und CDU-Parteikreisen heißt es, die | |
zuständigen Verhandler seien von der Formulierung überrascht worden. Der | |
Text habe erst kurz vor Ende der Verhandlungen im Vertrag gestanden. Er sei | |
„ganz oben“ ausgedealt worden. | |
Die SPD behauptet, die Union habe das Thema eingebracht, Unionsmitglieder | |
schieben die Schuld zurück zur SPD: „Die SPD ist Anteilseigner an | |
verschiedenen Zeitungen und hat ein Interesse daran, die Verlage zu | |
entlasten“, sagt Peter Weiß, arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Sprecher | |
der CDU-Fraktion gegenüber der taz. Mitarbeiter der SPD-Fraktion weisen das | |
zurück. | |
Gewerkschaften und Fachpolitiker aller Parteien lehnen die Absenkung des | |
Arbeitgeberanteils ab. Die rentenpolitischen Sprecher von Grünen und Linken | |
haben in der Sache schon Anfragen an die Bundesregierung gestellt. Vom | |
Sozialministerium hieß es, man könne noch nicht beziffern, wie viel die | |
Entlastung der Verlage die Rentenkassen belasten wird. Selbst aus | |
Unionskreisen heißt es, man hoffe, dass sich das Gesetz noch verhindern | |
lasse. | |
Es liegt nun am Arbeitsministerium und dem zuständigen Minister Hubertus | |
Heil (SPD), das Vorhaben in ein Gesetz zu gießen. Wann das passieren soll, | |
steht laut einer Sprecherin noch nicht fest. | |
26 Mar 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tagesspiegel.de/downloads/20936562/4/koav-gesamttext-stand-0702… | |
[2] http://www.portal-sozialpolitik.de | |
[3] https://www.bdzv.de/nachrichten-und-service/presse/pressemitteilungen/artik… | |
[4] https://www.bdzv.de/nachrichten-und-service/presse/pressemitteilungen/artik… | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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