# taz.de -- Umstände des Verkaufs der HSH Nordbank: Die verschleppte Insolvenz | |
> Der Verkauf der HSH Nordbank war unter anderem deshalb möglich, weil sie | |
> trickreich ihre Pleite verschleppte. Die Branche verdiente gut daran. | |
Bild: Wäre eine Abwicklung günstiger gewesen als ein Verkauf? Ende Februar 20… | |
HAMBURG taz | In einer seiner letzten Amtshandlungen als Erster Hamburger | |
Bürgermeister hat Olaf Scholz (SPD) – inzwischen Bundesfinanzminister – den | |
Verkauf der HSH Nordbank bekannt gegeben. Er freute sich über den | |
„substanziellen Kaufpreis“, den die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein | |
erzielt hätten. | |
Wie Recherchen des ARD-Magazins Panorama zeigen, konnte sich die HSH | |
Nordbank unter anderem deswegen über die Ziellinie retten, weil sie ihre | |
eigene Pleite verschleppte. | |
In dem Beispiel geht es um ein Paket von fünf Containerschiffen, deren Bau | |
von der Landesbank finanziert worden war. Die Frachter tragen Namen wie | |
Marmaris und Antalya, klingen also eher nach unbeschwertem Mittelmeerurlaub | |
als nach Finanzkrise. Den Recherchen zufolge waren die Kredite für die | |
Schiffe schon notleidend, als sie ab 2010 vom Stapel liefen. | |
Die Kredite, und damit die Schiffe, wurden von einer Firmengruppe namens | |
Notos übernommen, die eine Adresse am feinen Ballindamm an der Hamburger | |
Binnenalster hat. Das Pikante: Der Geschäftsführer von Notos, Jens | |
Rohweder, ist ein ehemaliger Kreditspezialist der HSH Nordbank. | |
Noch pikanter: Wie Panorama aus gut unterrichteter Quelle erfuhr, erhielt | |
Rohweders Firma für das Geschäft einen Kredit seines ehemaligen | |
Arbeitgebers, der HSH Nordbank, in Höhe von rund 200 Millionen Euro. | |
Experten sind solche Konstruktionen nicht unbekannt. „Man steckt dem | |
Schuldner heimlich das Geld zu, das er braucht, um seinen Kredit zu | |
bedienen“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Martin Hellwig vom | |
Max-Planck-Institut in Bonn. | |
„Ich gebe dem Schuldner Geld und sage: 'Das kannst Du mir jetzt | |
zurückzahlen.’ Dass der Schuldner nur zahlt, weil ich ihm einen | |
zusätzlichen Kredit gegeben habe, das muss ich ja nicht an die große Glocke | |
hängen,“ erläutert Hellwig weiter. „Das ist eine Art von Betrug.“ | |
Wie die Recherchen zeigen, lagerte die Notos-Gruppe das Kreditportfolio an | |
Tochtergesellschaften im griechischen Teil Zyperns aus. Betrieben wurden | |
die Schiffe von einer ebenfalls in Zypern ansässigen Tochter der Hamburger | |
Reederei Thomas Schulte. | |
„Das zypriotische Insolvenzrecht ist laxer als das deutsche“, erläutert | |
Andreas Droussiotis, Geschäftsführer der Reedereifiliale in der | |
zypriotischen Hafenstadt Limassol. „Von hier kann man einen Frachter noch | |
betreiben, für den man in Deutschland Insolvenz anmelden müsste.“ | |
Genau das wollte die HSH Nordbank offenbar verhindern. Durch die | |
Verschiebung der Schiffe nach Zypern kaufte sie sich Zeit. Im Interview mit | |
Panorama sagt Reedereichef Droussiotis: „Die HSH hatte in der einen oder | |
anderen Form mit der Finanzierung der Schiffe zu tun.“ Um „Profit“ sei es | |
der Bank dabei nicht gegangen. „Ziel war, die Schiffe raus aus Deutschland | |
zu schaffen und raus aus der Bankbilanz.“ | |
## Kreislaufgeschäft mit Krediten | |
Bis 2015 habe Schulte die fünf Frachter von Zypern aus bereedert. Dann habe | |
man sie an die griechische Großreederei Navios weitergegeben, die ebenfalls | |
in faule Schiffskredite der HSH investiert hat und sich dieses Investment | |
mit Zinssätzen von mehr als zwölf Prozent vergüten lässt. Ob es sich um | |
eine Auslagerung „auf Zeit“ handelt und die Schiffe irgendwann wieder von | |
der HSH übernommen werden müssen, ist unklar. | |
Die Landesbank soll durch das Geschäft mit den fünf Pleiteschiffen rund 130 | |
Millionen Euro Verlust erwirtschaftet haben. Die Bank möchte sich zu dem | |
Geschäft nicht äußern. Jens Rohweder, der Geschäftsführer der Notos-Gruppe, | |
soll für die Betreuung jedes der fünf Pleiteschiffe ein Honorar von 150.000 | |
Euro erhalten haben. Auf Anfragen von Panorama und der taz reagierte er | |
nicht. | |
Wie viele ähnliche Geschäfte die HSH betrieben hat, um ihre Bilanz | |
aufzuhübschen, ist unbekannt. Auf Anfrage teilte der Hamburger Senat mit, | |
zu einzelnen Geschäften der Bank keine Stellung nehmen zu wollen. Die HSH | |
Nordbank führe das operative Geschäft „in eigener Verantwortung“. | |
## Bankrotte Schiffe verschwinden aus der Bilanz | |
Bemerkenswert ist die Gleichzeitigkeit der beiden Vorgänge: Während die HSH | |
Nordbank bankrotte Schiffe trickreich aus ihrer Bilanz verschwinden ließ, | |
plante der Senat unter Olaf Scholz, die Staatsgarantie für die Bank wegen | |
deren vermeintlicher Gesundung, schrittweise zu reduzieren. | |
Die Politiker setzten auf einen raschen Aufschwung der Schiffsmärkte. Dass | |
ein schneller Anstieg der Charterraten für Containerschiffe, ein Abklingen | |
der Schifffahrtskrise und damit eine Gesundung der Nordbank „unrealistisch“ | |
seien, schrieb Ökonom Hellwig bereits 2013 in einem Gutachten für die | |
Hamburgische Bürgerschaft. Er sollte Recht behalten. | |
Die Krise dauert bis heute an. Es bleibt der Eindruck, dass die | |
Verantwortlichen vor allem Zeit gewinnen wollten. Und dass Scholz und die | |
Landesregierung in Kiel sich hinter dem Optimismus der HSH-Vorstände | |
versteckten. „Man war sich einig“, formuliert es Martin Hellwig. | |
## Auch Scholz erhöhte Risiken für den Steuerzahler | |
Scholz hätte eine Abwicklung der landeseigenen Bank als Scheitern | |
betrachtet. Er hat die zügellose Vergabe von Schiffskrediten und die | |
Zockerei auf dem US-amerikanischen Derivate- und Immobilienmarkt zwar nicht | |
zu verantworten. Diese Ursünden wurden unter seinem Vorgänger im | |
Bürgermeisteramt Ole von Beust (CDU) und dessen schleswig-holsteinischen | |
Amtskollegen Heide Simonis (SPD) und Peter Harry Carstensen (CDU) begangen. | |
Aber die Risiken für den Steuerzahler erhöhte auch Scholz in seiner | |
Amtszeit als Erster Bürgermeister von 2011 bis 2018. | |
Die zwischenzeitlich auf sieben Milliarden Euro herabgesenkte | |
Staatsgarantie erhöhte er wieder auf zehn Milliarden, die nun komplett an | |
die privaten Finanzinvestoren gehen. Unter seinem Senat kauften die beiden | |
Nordländer faule Schiffskredite für 2,4 Milliarden Euro aus der HSH | |
Nordbank und bunkerten sie in einer staatlichen „Anstalt“. Dieses | |
Kreditportfolio, das einmal fünf Milliarden Euro wert war, wird inzwischen | |
nur noch auf 1,7 Milliarden Euro geschätzt. | |
## Gelegenheit zum Absahnen | |
Die Zypern-Geschichte zeigt zweierlei: wie findig die Landesbank dabei war, | |
die drohende Insolvenz abzuwenden, und welch gute Verdienstmöglichkeiten | |
sich für die „Spezialisten der Schiffsfinanzierung“ auch in der Krise | |
auftun, weil die HSH einmal „größter Schiffsfinanzierer der Welt“ war und | |
dadurch gigantische Überkapazitäten auf den Ozeanen schuf. Die | |
Überkapazitäten müssen ja restrukturiert und verwaltet, gegebenenfalls | |
müssen Insolvenzen beantragt und „gemanagt“ werden. | |
Besonders erfolgreich scheint sich auf diesem Gebiet die Hamburger Firma | |
„Naves“ zu betätigen. „Werbung“ wolle man für sich nicht machen, teil… | |
leitender Manager am Telefon mit. Darum hätten Kunden die Firma gebeten, | |
die sie mit der Restrukturierung notleidender Schiffsportfolios beauftragt | |
hätten. Daher sei man „medienscheu“. | |
Rege auf diesem Gebiet ist auch der Hamburger Rechtsanwalt Stefan P. | |
Rindfleisch. Als vor 15 Jahren in Hamburg Schiffskredite en masse vergeben | |
wurden, soll er Verträge für Fondsgesellschaften mitgeschrieben haben, die | |
in Schiffe investierten. Heute gibt er Fachseminare mit dem Titel | |
„Schiffsfinanzierungen in Krisenzeiten“. Für diesen Freitag kann man sich | |
noch anmelden. Tagungsort: Hotel Hafen Hamburg. Teilnahmegebühr pro Person: | |
712,81€. | |
## Rosig gemalte Zukunft | |
Im Februar trat Rindfleisch auf der „Marine Money“, der jährlichen | |
Zusammenkunft der Branche, in einem anderen Hamburger Nobelhotel auf. Auf | |
dem Podium sprach er mit dem Schiffsvorstand der HSH Nordbank Torsten Temp. | |
Dem Vernehmen nach war Temp selbstsicher und optimistisch und malte eine | |
rosige Zukunft der Bank unter den neuen Eigentümern. | |
Die Verdienstmöglichkeiten der „Spezialisten“ kontrastieren mit den | |
Verlusten der Steuerzahler. Trotz „erfolgreichen Verkaufs“ der HSH Nordbank | |
summieren sich diese auf rund 16 Milliarden Euro, wie Ökonom Hellwig | |
berechnet hat. Er bemängelt, dass Hamburger Senat und Kieler | |
Landesregierung eine Abwicklung nie unabhängig haben prüfen lassen: „Eine | |
Abwicklung wäre vielleicht billiger gewesen.“ | |
Die Politiker seien im Fall HSH der Tradition des Umgangs mit der | |
Finanzkrise gefolgt. Sie hätten die Priorität darauf gelegt, die Gläubiger | |
der Bank schadlos zu halten. Das Geld fehle nun an anderer Stelle. „Warum | |
die deutsche Politik diesen Weg gegangen ist, darüber werden Historiker in | |
50 Jahren Bücher schreiben“, sagt Hellwig. | |
Die hamburgische Finanzbehörde teilt mit, man habe Abwicklungsszenarien für | |
die HSH mit eigenen Beratern geprüft, die Ergebnisse aber nicht | |
veröffentlicht. Olaf Scholz betont, er habe im Umgang mit der HSH Nordbank | |
„keinen Fehler“ gemacht. Sein Senat habe stets auf die Risiken hingewiesen. | |
21 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Stefan Buchen | |
Nils Naber | |
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