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# taz.de -- Britische Flüchtlingsaktivisten vor Gericht: Lebenslang für Absch…
> Mehrere AktivistInnen hatten durch Aneinanderketten eine
> Sammelabschiebung aus Großbritannien verhindert. Ihnen droht eine
> lebenslange Haftstrafe.
Bild: „Stoppt die Terroranklagen!“ – Proteste für die Angeklagten vor de…
Chelmsford taz | Vor dem Gerichtsgebäude in Chelmsford, Hauptstadt der
Grafschaft Essex nordöstlich von London, demonstrieren an die 200 Personen
an diesem kalten Montagmorgen. Viele tragen Kleidung und lackierte
Fingernägel in Pink, aus Solidarität mit den 15 Aktivisten, die hier vor
Gericht stehen.
Drinnen, im vollgepackten Saal, bestätigen die Mitglieder der Gruppen „End
Deportations“, „Lesbians and Gays Support the Migrants“ und „Plane Stup…
zum Prozessauftakt ihre Personalien. Sie sind alle um die 30 Jahre alt und
sitzen eng beieinander.
Die Angeklagten hatten am 28. März 2017 auf der Startbahn des Londoner
Flughafens Stansted einen Charterflug des Innenministeriums nach Westafrika
gewaltfrei lahmgelegt – das erste Mal, dass so etwas gelang. Das Flugzeug
sollte 53 Personen abschieben. Einige sollen Flüchtlinge aus Nigeria
gewesen sein, deren Familien von Boko Haram umgebracht wurden, andere
Angehörige der verfolgten LGBTQ-Community.
Die Blockade der „Stansted Fifteen“ führte dazu, dass die Sammelabschiebung
abgeblasen und der komplette Flugverkehr von Stansted bis zum Abend
umgeleitet werden musste. Die Demonstranten benutzten die Methode des
gegenseitigen Aneinanderketten mit „Arm-Tubing“ – Rohre, in die man die
Arme steckt, damit die Aktivisten nicht voneinander getrennt werden können.
## 34 ungeklärte Todesfälle bei Deportationen
„Die Protestaktion sollte zeigen, wie Abschiebungen hier heimlich
frühmorgens laufen“, erklärt Anna Vickerstaf, 29. Sie trägt ein schwarzes
T-Shirt, auf dem „Niemand ist illegal“ steht. Unter den Angeklagten ist
eine Freundin von ihr.
Laut Berichten kommt es bei derartigen Abschiebungen, die von Privatfirmen
durchgeführt werden, nicht selten zur Anwendung von Gewalt. Phil Martins,
der ebenfalls vor dem Gerichtsgebäude demonstriert, sagt, dass es seit 1987
34 ungeklärte Todesfälle bei Deportationen gegeben hat.
Ein besonderer Punkt in diesem Fall ist, dass die Angeklagten nicht nur
wegen unbefugtem Betreten des Flughafens angeklagt sind, sondern auch als
Terroristen unter den Gesetzen zur Luftfahrtsicherheit. Damit können die 15
Angeklagten sogar mit lebenslanger Haft rechnen.
Bei einer ähnlichen Aktion von Umweltaktivisten am Flughafen Heathrow im
Jahr 2015 wurde diese Anklagemöglichkeit nicht benutzt, und die Strafe
beschränkte sich auf sechs Wochen auf Bewährung. Phil Martins ist empört:
„Hier handelt es sich um eine proportionale Aktion hinsichtlich der
Gewaltanwendung bei der Abschiebung. Die ist doch das, was hier wirklich
illegal ist.“
## Prominente Unterstützung
Von den Flüchtlingen, deren Abschiebung verhindert wurde, wurden 34 nach
der Aktion nicht sofort abgeschoben, mindestens drei befinden sich nach
Angaben der Gruppe „End Deportations“ heute noch in Großbritannien. Eine
Person ist auf Kaution frei.
Anna Vickerstaf findet, dass die Aktivisten damit sogar die Einhaltung des
Rechtsweges garantiert hätten: „Das ist also nicht rechtswidrig, sondern
sogar demokratisch!“, sagt sie. Erst im Juni 2017 urteilte Großbritanniens
Oberstes Gericht, dass Abschiebungen nicht vor einer endgültigen
Gerichtsentscheidung stattfinden dürfen.
Der Fall der „Stansted Fifteen“ mobilisiert zahlreiche Kritiker der
britischen Flüchtlingspolitik. Für die Freilassung der Aktivisten sprechen
sich Politiker von Labour und den Grünen aus, die Schauspielerin Emma
Thompson, der Filmregisseur Ken Loach und die Mitgründerin von „Black Lives
Matter“, Patrisse Khan-Cullors. Der Prozess soll mindestens sechs Wochen
dauern.
19 Mar 2018
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
## TAGS
Großbritannien
Flüchtlingspolitik
Abschiebung
Aktivismus
Haftstrafe
Großbritannien
Horst Seehofer
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Afghanistan
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