| # taz.de -- Weltsozialforum in Brasilien: In der Zwischenzeit | |
| > Welche Bedeutung hat das globale Aktivistentreffen heute? Eine Reportage | |
| > über den Kampf für große Ziele, der nicht leichter geworden ist. | |
| Bild: Teilnehmerinnen der Eröffnungsdemonstration des Weltsozialforums | |
| Salvador da Bahia taz | Der Tag, an dem Wagner Moreira in den Bus stieg, | |
| war ein besonderer Tag für ihn. Er tanzte in diesem Bus, er trank darin, er | |
| war 17 Jahre alt und auf der Suche nach dem Glück. „Manchmal“, sagt Wagner, | |
| „ist die Fahrt selbst größer als das Ziel.“ | |
| Das Ziel war weit damals. Es hieß Porto Alegre, eine Stadt im Süden | |
| Brasiliens und von seinem Wohnort, Salvador da Bahia, war es 3.161 | |
| Kilometer entfernt. Das sind 39 Autostunden, wenn man durchfährt, aber im | |
| Bus und mit all den Pausen dauerte seine Fahrt drei Tage. Das war vor 15 | |
| Jahren, im Januar 2003. | |
| Damals passierte in Porto Alegre etwas Besonderes. Wagner Moreira sah eine | |
| Frau mit blonden Rastalocken. So etwas hatte er noch nie zuvor gesehen. Er | |
| rief seine Mutter an und erzählte ihr davon. So erinnert sich Wagner | |
| Moreira, 32, heute, wenn er an die Zeit denkt, als es für ihn begann mit | |
| dem Weltsozialforum und mit seiner Reise in eine hoffentlich bessere | |
| Zukunft. „Eine andere Welt ist möglich“, hatten sie damals gesagt. | |
| Es ist ein Sonntag im März 2018, als der Mann, der selbst lange dunkle | |
| Rastalocken trägt, in einem Vorort von Salvador durch die Siedlung geht, wo | |
| das Massengrab gefunden wurde. 15 Tote lagen da plötzlich, 13 von ihnen | |
| liegen dort noch immer. Sie müssen da liegen bleiben, sagt er, sonst gibt | |
| es Probleme mit der Miliz. Es sind einige der unbekannten Toten dieses | |
| Landes, täglich sterben und verschwinden sie, irgendwo in den Nächten gehen | |
| sie verloren, oft hört man die Schüsse noch aus der Ferne, dann sind sie | |
| weg. Doch Moreira ist nicht gekommen, um die Stelle zu zeigen, wo die | |
| Ermordeten zufällig verscharrt wurden – sondern das Basilikum und die | |
| Minze, die sie hier angebaut haben, den Maniok und die Bohnensträucher. | |
| ## Industriebrache wird Dorf | |
| Vor allem aber will der Aktivist die Hütten der 87 Familien, die hier nun | |
| wohnen, zeigen. Es sind Hütten aus Pressholz und Plastik, | |
| zusammengeschustert als provisorische Unterkünfte, aber in ein paar Jahren | |
| soll dies eine Siedlung sein, eine neue Heimat. Die Ersten haben schon | |
| angefangen, mit Ziegelsteinen zu bauen. 13 mal 12 Meter hat jede Familie, | |
| umringt von provisorisch gespanntem Stacheldrahtzaun. Die Straßenbreiten, | |
| die sie hier abzirkelt haben, entsprechen der Norm brasilianischer Straßen. | |
| Wenn das alles fertig ist, dann wird aus der Industriebrache ein echtes | |
| kleines Dorf geworden und die Bohnensträucher hoch gewachsen sein – als | |
| Ergebnis einer gut geplanten Landbesetzung. | |
| Wagner Moreira ist einer, der die Armenviertel kennt; der die Scheiben | |
| herunterkurbelt, wenn er mit seinem Fiat Palio in Gegenden fährt, wo das | |
| Drogenkartell herrscht. Er sagt, das sei ein Zeichen des Respekts. Man | |
| solle hier nicht mit geschlossenen Fenstern und Klimaanlage hineinfahren. | |
| Er hat auch diese gewisse Ruhe, mit verschränkten Armen am Rand zu stehen | |
| und stundenlang zuzuhören, wenn Leute ihm etwas erzählen. Vor allem aber | |
| packt er an. | |
| ## Ein Aktivist, der anpackt | |
| Vielleicht ist es das, was ihn heute zu einem der wichtigsten Aktivisten | |
| von Salvador da Bahia macht, der Hauptstadt des Bundesstaates Bahia im | |
| Nordosten Brasiliens, wo einst die Portugiesen ankamen und später die | |
| Sklaven. Moreira hat die Wohnungslosen auf dieses Grundstück geführt, er | |
| hat die Sache mit der Miliz geregelt und gerade organisiert er den Bus, | |
| damit die Familien am Donnerstag in die Stadt fahren können, zum | |
| Weltsozialforum. Moreira ist jetzt selber einer von denen, die das | |
| Weltsozialforum organisieren. | |
| Einiges ist passiert in der Zwischenzeit, in den 15 Jahren zwischen damals, | |
| als Moreira in den Bus stieg, und heute, wo Moreira den Bus organisiert. In | |
| Brasilien war eine Arbeiterpartei an der Regierung, die PT. Die ließ | |
| Zehntausende Wohnungen für die Armen bauen und führte die „Bolsa Família“ | |
| ein, ein Programm, das die Ärmsten unterstützt, indem es den Hunger | |
| bekämpft. Dahinter steckt der PT-Präsident Inácio Lula da Silva. | |
| Nicht nur in Brasilien, in vielen Ländern Lateinamerikas herrschte damals | |
| Aufbruchstimmung – und auch weltweit: Erst, 1999, die massiven Proteste in | |
| Seattle, die Gründung von Attac in Frankreich, diese Hoffnung | |
| Hunderttausender Menschen, die auf die Straßen gingen, weil sie selbst über | |
| die Gestaltung ihrer Leben mitreden wollten. | |
| Sie forderten eine Welt, in der die globalen Finanzströme reguliert und | |
| besteuert werden, eine Welt, in der die Armut und der Hunger im globalen | |
| Süden bekämpft werden – und natürlich träumten sie auch von diesen oder | |
| jenen linken Regierungen, von Marxisten, Ökosozialisten, Zapatisten, die | |
| ihnen die Welt gestalten sollten. | |
| ## Das Ende einer Epoche | |
| Heute, während im brasilianischen Salvador da Bahia das 14. Weltsozialforum | |
| stattfindet, sagen sie noch immer das Gleiche: „Eine andere Welt ist | |
| möglich.“ Sie müssen es auch, denn es sieht ja nicht gut aus für die | |
| Bewegung. „Dieses Weltsozialforum“, sagt Wagner Moreira, „markiert das En… | |
| einer Epoche.“ | |
| Die Sozialprogramme der Arbeiterpartei – in Brasilien werden sie gerade | |
| wieder abgewickelt; und überall auf der Welt gewinnen autoritäre Regime an | |
| Macht. Sie wollen Mauern bauen, wie Donald Trump in den USA. Sie laufen mit | |
| Nazisymbolen durch die Parlamente, wie die FPÖ in Österreich. Sie verfolgen | |
| Minderheiten, wie Rodrigo Duterte auf den Philippinen. Und die globale | |
| Linke, wenn es so etwas denn überhaupt gibt – was macht die eigentlich? | |
| ## Ein Ausdruck ihrer Hoffnung | |
| Als am Dienstag zur Auftaktdemonstration einige tausend Menschen durch die | |
| Avenida Sete de Setembro ziehen, vorbei an den Elektroläden mit all ihren | |
| Ventilatoren, an den Schuh- und Stoffgeschäften mit ihren bunten Auslagen, | |
| soll dies ein Ausdruck ihrer Hoffnung sein, die kleiner geworden ist – aber | |
| sicher nicht überflüssig. | |
| Einige haben einen Wal aus Pappmaschee gebastelt und einen Oktopus. Sie | |
| wollen auf die Zerstörung der Natur hinweisen, besonders hier in der Bucht | |
| von Salvador, wo im Hafen Raffinerieprodukte verladen werden und immer | |
| wieder toter Fisch angespült wird. Die Gewerkschafter sind da, die darauf | |
| hoffen, dass Ex-Präsident Lula nicht wegen Korruption ins Gefängnis muss, | |
| damit er vielleicht doch noch mal gewählt werden kann. Aber vor allem sind | |
| Männer aus Marokko angereist und Frauen aus Burkina Faso, die in ihrer | |
| Heimat die Hausangestellten organisieren. | |
| ## Wichtig, hier zu sein | |
| Sie sind hier, um sich mit den Frauenorganisationen in Brasilien | |
| auszutauschen, die dieses Problem kennen: Meist sind es schwarze Frauen, | |
| die in den Haushalten der überwiegend hellhäutigen Mittelschicht zu | |
| Hungerlöhnen arbeiten. „Es ist wichtig für mich, dass ich hier sein kann“, | |
| sagt eine Frau aus Burkina Faso, als sie in einem klimatisierten Hörsaal | |
| der Universität von Bahia, dessen Fenster mit Schlagläden verhangen sind, | |
| vor 120 Leute tritt, um sich zu bedanken. Sie möchte von den | |
| brasilianischen Hausangestellten lernen, denn sie sind gut organisiert. | |
| Es sind Tausende Menschen wie sie, die seit Dienstag über den Campus des | |
| Universitätsgebäudes wandeln, wo die Hitze die Pfützen aus den Regengüssen | |
| der Nacht schon hat verdampfen lassen. Es ist ein grüner Campus hier, | |
| umgeben von tropischen Bäumen und Büschen, mal riesige Bambusstauden, mal | |
| Papayabäume. | |
| ## Marx-T-Shirts und Handgemachtes | |
| Auf den Wiesen stehen große Veranstaltungszelte, von Klimaanlagen | |
| heruntergekühlt; die Dutzende Universitätshörsäle sind überfüllt, in | |
| Stuhlkreisen unterhalten sich Gruppen über häusliche Gewalt, den | |
| sogenannten Neoliberalismus an sich oder nachhaltige Landwirtschaft. | |
| Draußen verkaufen Händler ihre Waren: Es sind T-Shirts mit Bildern von | |
| Marx, Ché und Angela Davis oder Handgemachtes von Frauenkooperativen aus | |
| dem Landesinneren. | |
| Midiana Pessoa, 36, ist mit traditionellem indigenem Federschmuck umhangen, | |
| im Gesicht bemalt und trägt ihren zwei Jahre alten Sohn auf dem Arm. Pessoa | |
| gehört zum Volk der Atikum, einem kleinen indigenen Volk; sie lebt in einem | |
| Reservat mit 20 Familien. Und was sie bedroht, sagt sie, sind die | |
| Eukalyptusplantagen, die mehr und mehr angebaut werden, weil das Holz | |
| schnell wächst. | |
| „Die Landwirte pflanzen die Bäume zu nah aneinander und zu nah an den | |
| Fluss.“ Deshalb wüchsen die Wurzeln nicht in die Breite, sondern sehr in | |
| die Tiefe. Das trockne den Fluss aus. Jetzt fehle ihrem Volk der Fisch. Das | |
| ist eine der vielen Debatten, die hier geführt werden: Wie kann die | |
| Regierung die Atikum schützen? Vor allem aber: Wie kann das Volk der Atikum | |
| sich selbst schützen? | |
| Drüben im großen Zelt der CUT, das ist der größte Gewerkschaftsverband | |
| Brasiliens, diskutieren Gewerkschafter aus Südamerika über die Angriffe | |
| ihrer Regierungen auf Arbeitnehmerrechte. Und in dem kleinen Raum 211, in | |
| einem ansehnlichen Betongebäude mit großen, verwinkelten Treppen, versuchen | |
| Gäste der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine globale Strategiedebatte zu | |
| Klimafragen zu führen. Was kommt nach dem Emissionshandel? Wie lassen sich, | |
| aus Bewegungsperspektive, die großen industriellen Verschmutzer der Welt | |
| attackieren? | |
| ## Der Soli-Dinosaurier | |
| Es sind ein paar Dutzend Leute da, es ist nur eine Veranstaltung von vielen | |
| und das zeigt vielleicht, was Leo Gabriel meint, wenn er die Beliebigkeit | |
| dieses Forums bemängelt. Gabriel ist eine Art Dinosaurier der | |
| Solidaritätsarbeit mit Lateinamerika. Der österreichische Journalist, 72, | |
| ist ein Mann mit weißgrauem Haar und gelblichem Bart, dessen große Hände | |
| oft am Tag nach Zigaretten greifen. An diesem Montagmorgen raucht er | |
| Chesterfield, am Abend Camel. | |
| Früher nahm Gabriel, da arbeitete er gerade als Korrespondent der taz, | |
| einmal einen Geldkoffer mit nach Nicaragua. Das war die Zeit, als in | |
| Deutschland gesammelt wurde: Waffen für El Salvador. Und später, 1998, | |
| organisierte er in Schlaining im Südburgenland eine zivile | |
| Friedenskonferenz. Damals kam allerlei Besuch aus Südamerika, auch der Chef | |
| der mächtigen Landlosenbewegung in Brasilien war dort. „Im Prinzip kann man | |
| sagen“, sagt Gabriel, „dass wir dort das Weltsozialforum erfunden haben.“ | |
| Es sollte eine Alternative zum Weltwirtschaftsgipfel von Davos sein, wo | |
| sich die Wirtschafts- und Staatenführer der Welt treffen. Und tatsächlich: | |
| In Davos organisierten sie zwei Jahre später eine Live-Schalte per Video | |
| zum Weltsozialforum nach Porto Alegre. Plötzlich unterhielt sich der | |
| Milliardär George Soros, einer der reichsten Männer der Erde, mit den | |
| Repräsentanten der Straße. Es war kein sehr erquickliches Gespräch, aber | |
| immerhin kam es zustande. Und als sich 2003 dann alle in Porto Alegre | |
| wiedertrafen, das war das Jahr, als auch Wagner Moreira hinfuhr, nahmen | |
| bereits rund 100.000 Menschen an dem Treffen teil. | |
| Es ist ein Tag Mitte März 2018, 20 Jahre nachdem sie sich damals im | |
| Südburgenland trafen. Leo Gabriel sitzt an diesem Morgen auf einer Terrasse | |
| in Salvador da Bahia, vor ihm liegt die Baía de Todos-os-Santos, die | |
| Allerheiligenbucht. Links von ihm sieht er die rotbraunen Backsteinwände, | |
| aus denen die Häuser dieses Armenviertels gebaut sind. Gleich dahinter, | |
| unten am Wasser, die ausladenden Terrassen und Swimmingpools des Yachtclubs | |
| der Stadt. | |
| ## Sie singen spanische Revolutionslieder | |
| Nachts, wenn der Baustellenlärm aus der Umgebung verstummt ist, kann | |
| Gabriel die sentimentalen Töne des Berimbaus vernehmen, ein Instrument aus | |
| der Sklavenzeit, auf dem, wenn es dunkel wird, ein Nachbar spielt. Aber | |
| meist singen seine Freunde abends selbst spanische Revolutionslieder, | |
| begleitet von der Gitarre. Leo Gabriel ist einer der Gründungsväter des | |
| Weltsozialforums und Mitglied in dessen Internationalem Rat. | |
| Früher war er einmal in Bagdad, um mit der Regierung zu verhandeln, als die | |
| USA angekündigt hatten, das Land zu bombardieren. Er fuhr als Gesandter des | |
| Weltsozialforums hin, als ziviler Konfliktvermittler, das war im Frühjahr | |
| 2003, aber dann hatte er Glück, dass er noch gerade so wegkam. Er nahm den | |
| letzten Flieger nach Amman, Jordanien, ehe noch in der selben Nacht die | |
| Bomben auf Bagdad fielen. | |
| ## Kein Forum der Beliebigkeit | |
| Fragt man Leo Gabriel, was das Weltsozialforum noch ist, dann sagt er, was | |
| es wieder werden soll: Es dürfe kein Marktplatz sein, kein Forum der | |
| Beliebigkeit, wo sich jeder trifft, der sich treffen will. Es müsse den | |
| Anspruch haben, ziviler Akteur in einer an Konflikten so reichen Zeit zu | |
| sein. | |
| Er selbst hat für dieses Forum etwas Wichtiges organisiert: Er wollte | |
| hochrangige Vertreter der venezolanischen Linken hier in Salvador, auf | |
| unabhängigem Terrain, miteinander ins Gespräch bringen. Vertreter der | |
| Regierung, deren Präsident Nicolás Maduro heftig gegen das eigene Volk | |
| vorgeht. Und Vertreter der Linken, die ihn mit Massenprotesten auf den | |
| Straßen absetzen will. „Es muss“, sagt Gabriel, „einen Weg aus dieser Kr… | |
| geben.“ Er hat viel Zeit investiert, damit dieses Gespräch stattfinden | |
| kann. | |
| Allerdings ist es so: Die Regierung hat ihm nun doch abgesagt und was ihn | |
| besonders ärgert, ist, dass er seine Veranstaltung nicht im Programm des | |
| Weltsozialforums finden kann. Es ist ein Chaos. Gabriel weiß jetzt nicht, | |
| wann sie stattfinden kann und wo. Er hat telefoniert und E-Mails | |
| geschrieben und natürlich war er auch schon beim Chef-Koordinator | |
| persönlich, denn er kennt sie ja alle – und doch: Auch am zweiten Tag | |
| taucht seine Veranstaltung wieder nicht im Programm auf. | |
| Was soll er jetzt seinen Oppositionellen aus Venezuela sagen? Überhaupt: | |
| Warum kriegt diese verdammte Linke nicht wenigstens einmal ein einfaches | |
| Programm organisiert? Leo Gabriel wünscht sich eine Strategie; | |
| Intervention; dass es wenigstens etwas politischen Konsens gibt, sodass aus | |
| dem Weltsozialforum wieder ein global bedeutender Akteur wird. Es gibt ja | |
| nichts Besseres. | |
| ## Antizionisten und israelische Aktivisten | |
| Aber wie auch, wenn drüben auf dem Campus, gleich hinter der Wiese, wo ein | |
| paar Studenten ihre Nachtzelte aufgeschlagen haben, die Antizionisten | |
| stehen mit ihren antisemitischen Bildern, die Israel am liebsten | |
| ausgelöscht sähen? Und wenn doch auch jüdische Aktivist*innen aus | |
| Israel da sind und der Mann mit der Anzughose, mit dem weißen Hemd und dem | |
| blauen Schlips, der sich am Rande des Campus, im Schatten eines | |
| Transformatorhäuschens, eine stille Ecke gesucht hat, um gen Mekka zu | |
| beten? Wie soll das überhaupt gehen: Konsens? | |
| Wagner Moreira wollte eigentlich gar kein Veranstaltungszelt hier aufbauen. | |
| Er und seine Leute wollten das Geld für die Zeltmiete sparen, um es für die | |
| Landbesetzung zu haben. Dann, weil sonst alles so schlecht organisiert war, | |
| haben sie doch noch ihr eigenes Zelt aufgebaut auf dem Campus der | |
| Universität. Sie nennen es das „Zelt ohne Angst“. | |
| Es geht an diesem Donnerstag, als Moreira vorne auf dem Podium sitzt, um | |
| öffentliche Sicherheit und um die Frage, wer in Brasilien von wem | |
| erschossen wird. Moreira wird die Toten im Garten der Besetzersiedlung | |
| nicht erwähnen, das ist ja klar, aber die Besetzung von Rio de Janeiro, wo | |
| seit Februar offiziell das Militär das Kommando über die Sicherheitskräfte | |
| übernommen hat. Moreira findet, dass es sich lohnt, sich zu organisieren, | |
| denn es nützt ja sonst nichts. | |
| Ein paar der Familien aus der Siedlung sind auch gekommen. Sie wollen | |
| hören, was ihr Freund dort zu sagen hat. Der Bus kam um 7 Uhr in die | |
| Siedlung, draußen im Vorort, wo das Basilikum blüht und die Minze. Das | |
| haben sie selbst gepflanzt. | |
| 15 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Kaul | |
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