# taz.de -- Weltsozialforum in Brasilien: Zurück zu den Wurzeln | |
> Zehntausende werden zum 14. Weltsozialforum ab Dienstag erwartet – in | |
> einer der letzten Hochburgen der brasilianischen Arbeiterpartei PT. | |
Bild: Ex-Präsident Lula (re.) zu Besuch bei der Landlosenbewegung im Februar 2… | |
SALVADOR DA BAHIA taz | Das Weltsozialforum kehrt zurück in seine Heimat: | |
Mit Hunderten Veranstaltungen und Zehntausenden erwarteten Teilnehmerinnen | |
und Teilnehmern aus allen Teilen der Erde beginnt an diesem Dienstag das | |
14. Weltsozialforum in Salvador da Bahia, Brasilien. Bei dem | |
Zusammentreffen, das im Jahr 2001 in der südbrasilianischen | |
Millionenmetropole Porto Alegre als Gegengipfel zum Weltwirtschaftsforum | |
von Davos gegründet wurde, werden in den kommenden Tagen Aktivisten aus | |
aller Welt sowie Spitzenpolitiker aus Südamerika erwartet. | |
Aus Deutschland reisen unter anderem Delegationen der Hilfsorganisation | |
Brot für die Welt, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, des | |
globalisierungskritischen Netzwerks Attac sowie politischer Stiftungen an. | |
Beginnen soll das Forum am Dienstag mit einer großen Auftaktdemonstration. | |
Die Veranstalter rechnen über die Tage mit bis zu 60.000 TeilnehmerInnen – | |
und einem rappelvollen Fußballstadion, wenn Brasiliens Expräsident Lula da | |
Silva beim Weltsozialforum auftritt. | |
Der Austragungsort Salvador da Bahia, eine Hafenstadt an der Ostküste des | |
Landes, ist gleich in mehrfacher Hinsicht ein interessanter | |
Anknüpfungspunkt für die politischen Debatten, die beim Weltsozialforum | |
eine Rolle spielen sollen: von der Kritik am Freihandel über Fragen der | |
Landverteilung und den Rechten der indigenen Völker bis hin zur Debatte | |
über künftige Sicherheitskonzepte in den Metropolen. | |
Als Herz und Hauptstadt des afrobrasilianischen Lebens ist Salvador mit | |
seinen kolonialen Bauten und seiner aus der Zeit der Sklaverei | |
beeinflussten Kultur ein beliebter Anziehungspunkt für Touristen. Politisch | |
kämpfen hier zahlreiche Gruppen seit Jahren für eine Anerkennung des | |
vorkolonialen Erbes jenseits der Klischees und für eine adäquate | |
Beteiligung der afrobrasilianischen Bevölkerung in den politischen und | |
öffentlichen Institutionen und im öffentlichen Raum. Insbesondere die | |
„Recht auf Stadt“-Bewegung sowie die Landlosenbewegung sind im Bundesstaat | |
stark organisiert. | |
## Ort der Hoffnung | |
Während die Stadt das pittoresk gestaltete Zentrum weiter ausbauen und die | |
teils verfallenen Hochhäuser sanieren will, kämpfen die oft armen Anwohner | |
gegen ihre Verdrängung an den Stadtrand und teils massive Polizeigewalt. | |
Vor allem aber war für die Wahl des Ortes wichtig, dass die Region als eine | |
der letzten Bastionen der in Mitleidenschaft geratenen ehemalige | |
Regierungspartei PT gilt, der Arbeiterpartei des früheren brasilianische | |
Präsidenten Lula. Dieser hatte in seinen ersten Regierungsjahren ab 2003 | |
national und international teils große Hoffnungen bei | |
Globalisierungskritikern ausgelöst. Seinen Erfolg hat er auch der | |
Unterstützung zahlreicher sozialer Bewegungen zu verdanken, die mit | |
Gründung des Weltsozialforums im südbrasilianischen Porto Alegre ihren | |
Aufschwung feierten. | |
Spätestens mit dem Scheitern der PT-Regierung und der von vielen als kalten | |
Putsch empfundenen Machtenthebung der PT-Präsidentin Dilma Rousseff im Jahr | |
2016 steht die brasilianische Linke jedoch weitgehend ratlos und isoliert | |
da. An der Macht ist derzeit der rechtskonservative Staatspräsident Michel | |
Temer. Bei der für Oktober anstehenden Präsidentenwahl will nun Expräsident | |
Lula erneut kandidieren. Er verfügt zwar über die höchsten | |
Zustimmungswerte, doch ihm drohen nach einem Urteil in einem | |
Korruptionsverfahren zwölf Jahre Haft. | |
Kein Wunder, dass Lula und einige prominente Weggefährten daher das | |
Weltsozialforum auch dazu nutzen wollen, die zersplitterte brasilianische | |
und südamerikanische Linke wieder auf sich einzuschwören. In Salvador will | |
da Silva dazu mit Expräsidentin Dilma Rousseff sowie Uruguays früherem | |
Präsidenten José Mujica ein ganzes Fußballstadion füllen und neue Hoffnung | |
verbreiten. | |
Die Gäste des Weltsozialforums, das historisch über große Nähe zur | |
Arbeiterpartei PT verfügt, sind hinsichtlich der Partei jedoch längst nicht | |
mehr so euphorisch wie einst. Das Weltsozialforum selbst versteht sich vor | |
allem als Ort des Austauschs zivilgesellschaftlicher Gruppen und hat nicht | |
den Anspruch, gemeinsam politische Manifeste zu verabschieden oder | |
Richtungsentscheidungen zu fällen. | |
12 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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