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# taz.de -- Personalpolitik in der Europäischen Union: Neuer Job für Junckers…
> Martin Selmayr wird zum neuen Generalsekretär der EU-Kommission
> befördert. Der deutsche Jurist ist unbeliebt – besonders in Frankreich.
Bild: Martin Selmayr und Jean-Claude Juncker auf dem Weg zu einer Veranstaltung…
Brüssel taz | Für die Briten ist er eine Unperson. Martin Selmayr sei die
„Brexit Nemesis“, ein Erzfeind des britischen EU-Austritts, schrieb der
Guardian. In London hat man es dem 47-jährigen deutschen Juristen nicht
verziehen, dass Details aus vertraulichen Brexit-Gesprächen mit
Premierministerin Theresa May durchsickerten. Selmayr soll sie an die
deutsche Presse durchgestochen haben.
Auch in Frankreich ist Selmayr nicht gerade beliebt. Der Kabinettschef von
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versuche in „byzantinischen
Manövern“, seine Macht auch nach dem Ende von Junckers Mandat 2019 zu
sichern, schrieb die Zeitung Libération am Montag. Zwei Tage später kam die
Bestätigung: Selmayr steigt zum Generalsekretär der Kommission auf –
Amtszeit unbegrenzt.
„Er wird ein exzellenter Generalsekretär“, gab sich Juncker nach der
überraschenden Nominierung am Mittwoch sicher. „Er ist kein
Undercover-Agent der deutschen Politik“, sekundierte Günther Oettinger
(CDU), der deutsche Haushaltskommissar.
Doch genau dieser Verdacht steht im Raum, seit Selmayr seine Karriere in
Brüssel begonnen hat. „Der heimliche Herrscher der EU“ (Der Spiegel) war
nie unabhängig von der deutschen Politik.
## Lobbyarbeit in Brüssel
Das fing schon mit seinem ersten EU-Job an: Für den Gütersloher
Medienkonzern Bertelsmann übernahm Selmayr 2003 die Lobbyarbeit in Brüssel.
Empfohlen hatte ihn der CDU-Politiker und Europaabgeordnete Elmar Brok, der
ebenfalls bei Bertelsmann arbeitete. Brok gilt, genau wie Selmayr, als
einer der einflußreichsten Strippenzieher in Brüssel, mit direktem Draht
ins Berliner Kanzleramt.
Schon 2004 wechselte Selmayr in die EU-Kommission, 2010 stieg er zum
Kabinettschef von Justizkommissarin Viviane Reding auf. Er versuchte, die
Luxemburgerin zur Nachfolgerin von Kommissionschef José Barroso aufzubauen,
scheiterte jedoch – und wechselte über Nacht das Lager. Bei der Europawahl
2014 machte Selmayr für Juncker mobil, der das Placet von Kanzlerin Angela
Merkel erhalten hatte.
Seitdem steht die Achse Merkel-Selmayr, auch wenn es nicht immer harmonisch
zugeht. Zum Streit kam es vor allem 2015, als Junckers frisch gebackener
Kabinettschef für das taumelnde Griechenland Partei ergriff – und prompt
von Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble zurückgepfiffen wurde. Doch schon
in der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 war der Schulterschluss wieder
perfekt.
Weniger rund lief es dagegen dort, wo Selmayr eigentlich wirken sollte: in
der EU-Kommission. Seine Nähe zur deutschen Politik und sein eigenmächtiger
Führungsstil stießen nicht nur die Generaldirektoren, sondern auch einige
EU-Kommissare vor den Kopf. Haushaltskommissarin Kristalina Georgieva
beschwerte sich sogar öffentlich über Selmayrs autoritäres Gehabe – und
nahm den Hut.
## „Junkers Monster“
Auf Nachfragen von Journalisten zu den Vorgängen in der Kommission
reagierte Selmayr dünnhäutig, manchmal sogar explosiv. So soll er einen
Spiegel-Journalisten in Brüssel in einer öffentlichen Versammlung beleidigt
und bedroht haben, nur weil der ein kritisches Porträt veröffentlicht
hatte.
Genutzt hat es nichts: Selmayr wird von der europäischen Presse seither
regelmäßig als „Rasputin von Brüssel“ oder „Junckers Monster“ tituli…
Den Kommissionschef scheint das jedoch nicht zu stören: „Selmayr und ich
haben eins gemein: Wir haben nicht nur Freunde“, sagte er nach der
umstrittenen Beförderung. Doch beide haben ihr Ziel erreicht: Juncker hat
sein Haus bestellt, die EU-Kommission ist nun für die Europawahl 2019
personell gut aufgestellt. Und Selmayr kann bleiben – und auch unter
Junckers Nachfolger die Strippen ziehen.
21 Feb 2018
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Jean-Claude Juncker
EU-Kommission
Generalsekretär
Europäische Union
Jean-Claude Juncker
Martin Selmayr
Schwerpunkt Brexit
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